Der britische Premier Boris Johnson
AP/Frank Augstein
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Boris Johnson zunehmend in Erklärungsnot

Neue Berichte über eine Gartenparty in der Downing Street während des Lockdowns 2020 bringen den britischen Premierminister Boris Johnson zunehmend in Erklärungsnot. Während Johnson aber schweigt, wird die öffentliche Empörung darüber immer lauter. Die Behörden ermitteln.

Dutzende Beschäftigte sowie Johnson und seine heutige Frau Carrie sollen einer Einladung von Büroleiter Martin Reynolds gefolgt sein und sich am 20. Mai 2020 im Garten des Amtssitzes getroffen haben. „Es geht um 18.00 Uhr los, bringt euren eigenen Alkohol mit“, zitierte der Sender ITV aus einer E-Mail von Reynolds.

Damals durften sich nur zwei Personen im Freien miteinander treffen. Angehörige konnten Beisetzungen ihrer Lieben nur online verfolgen. Die Polizei wies Jogger per Megafon darauf hin, die Abstandsregeln von zwei Metern zu anderen Personen einzuhalten. Schulen, viele Geschäfte sowie die Gastronomie waren geschlossen. 55 Minuten vor dem Beginn des mutmaßlichen Gartenfests rief der damalige Kulturminister Oliver Dowden aus der Downing Street die Bevölkerung auf, sich an die Regeln zu halten.

Johnson bestreitet Regelbruch

Die Londoner Polizei kündigte an, die Berichte zu prüfen. Auf bisherige Anzeigen wegen mutmaßlicher Feiern in der Downing Street hat die Behörde nicht reagiert. Unterdessen wurden mehr als 2.000 Menschen allein im Gerichtsbezirk Westminster strafrechtlich verfolgt, weil sie sich nicht an Lockdown- oder Quarantänebestimmungen gehalten hatten oder an Partys teilnahmen.

Johnson unter Druck

Neue Berichte über eine Gartenparty in der Downing Street während des Lockdowns erhöhen den Druck auf den britischen Premierminister Boris Johnson. Labour-Vizechefin Angela Rayner fordert, dass Johnson seinen Fehler einsieht und die Konsequenzen zieht.

Wiederholt hatte Johnson trotz klarer Hinweise bestritten, dass in der Downing Street die Coronavirus-Regeln gebrochen worden seien. Als ein internes Video aus dem Dezember 2020 zeigte, wie enge Mitarbeiter des Premiers über die Vertuschung einer Weihnachtsparty scherzten, sagte Johnson im Parlament: „Ich kann verstehen, wie wütend es macht zu glauben, dass die Leute, die die Regeln festgelegt haben, die Regeln nicht befolgt haben, weil ich auch wütend wäre.“ Die neuen Berichte wollte er nicht kommentieren und verwies auf die laufenden internen Ermittlungen.

„Es gibt kein Entkommen“

Nun könnten seine Worte aus dem Dezember 2021 für Johnson selbst Folgen haben. Die E-Mail seines Büroleiters sei die bisher schwerwiegendste Eskalation der „Partygate“-Affäre, schrieb „Politico“ (Onlineausgabe) am Dienstag. Die BBC-Reporterin Laura Kuenssberg kommentierte: „Es gibt kein Entkommen für No. 10 vor den Partyvorwürfen.“ Im Garten von Johnsons Amtssitz seien für Drinks, Chips und Wurströllchen lange Tische aufgebaut gewesen.

Ein Kabinettsmitglied sagte der Zeitung „Guardian“: „Das ist die schlimmste Bloßstellung, die der Premierminister jemals aufgrund dieser Durchstechereien erlebt hat. Es gibt keine Erklärung. Es gibt keine Möglichkeit, sich zu distanzieren.“

Labour wirft Johnson Lügen vor

Die Opposition warf Johnson vor, Parlament und Öffentlichkeit belogen zu haben. „Das passt ins Muster, dass sie die Wahrheit verheimlichen und dann anfangen zu lügen, wenn die Dinge ans Licht kommen“, sagte die Labour-Politikerin Emily Thornberry der BBC. „Das ist inakzeptabel“, sagte Vizeparteichefin Angela Rayner und forderte Johnson auf, sich dem Parlament zu stellen und „reinen Tisch“ zu machen. Niemand stehe über dem Gesetz, auch Johnson nicht. „Er muss für seine Fehler bezahlen“, so Rayner.

Ihr Kollege Ed Miliband stellte im Sender Sky News die rhetorische Frage, ob Johnson angesichts der Vorwürfe noch in der Lage sei, das Land durch die Pandemie zu führen. „Wie kann er die Leute dazu bringen, den Gesundheitsratschlägen der Regierung zu folgen, wenn er so eklatant gegen die Regeln verstoßen hat?“, fragte Miliband und forderte eine Erklärung. „Der Premierminister kann sich nicht verstecken“, so Miliband.

CoV-Opfer-Vertreterin: „Mir wird schlecht“

„Damals wussten alle, dass es falsch wäre, eine Party zu besuchen“, sagte Hannah Brady von einer Organisation, die Coronavirus-Opfer vertritt, der BBC: „Wie konnten diejenigen, die das Land leiten, glauben, dass es okay sei?“ Ihr Vater sei vier Tage vor der Feier gestorben. Im September habe Johnson ihr im Garten der Downing Street, wo das Fest stattgefunden haben soll, gesagt, er habe alles getan, um ihren Vater zu schützen. „Wenn ich daran denke, wird mir schlecht“, sagte Brady.

Verweis auf interne Ermittlungen

Kabinettsmitglied Ed Argar zeigte zwar Verständnis für die Empörung. Er verwies aber wie Johnson selbst am Vortag auf eine laufende interne Untersuchung, die der Premier bereits nach Berichten über Weihnachtspartys in Auftrag gegeben hatte. Auf das Ergebnis wartet das politische London nun voller Spannung, doch für Johnson sieht es schlecht aus.

„Diese Linie wird keine 48 Stunden halten. Niemand braucht einen Beamten, der Ihnen sagt, wenn Sie in Ihrem eigenen Garten bei einer feuchtfröhlichen Party waren. Die Leute sind zu Recht wütend. Sie haben so viel geopfert", sagte die Ex-Chefin der schottischen Konservativen, Ruth Davidson. „Was haben sich diese Leute dabei gedacht?“

Murren aus der eigenen Partei wird lauter

Selbst unter Wählern der Konservativen Partei sagte in einer aktuellen Umfrage fast die Hälfte, Finanzminister Rishi Sunak wäre ein besserer Regierungschef als Johnson. Tatsächlich könnte es für den erst vor zwei Jahren bei der Unterhauswahl triumphal im Amt bestätigten Johnson knapp werden.

Und auch aus den eigenen Reihen wird die Kritik immer lauter: Der schottische Tory-Chef Douglas Ross sagte, Johnson müsse zurücktreten, sollte er an dem Treffen teilgenommen haben. Zudem sagte er, einige konservative Hinterbänkler würden bereits Überlegungen über ein Vertrauensvotum für den Parteichef anstellen.

Nicht der erste Vorwurf

Gegen Johnson und seine Mitarbeiter gibt es seit Wochen Vorwürfe, sie hätten die CoV-Regeln gebrochen. Nachdem es zunächst um mutmaßliche Weihnachtsfeiern im Dezember 2020 ging, stehen nun zwei Veranstaltungen im Garten der Downing Street im Fokus. Zuerst war ein Foto aufgetaucht, das Johnson, seine Frau und mehrere Mitarbeiter am 15. Mai bei Käse und Wein zeigen soll. Dabei habe es sich um ein Geschäftstreffen gehandelt, verteidigte sich der Regierungssitz. Danach erwähnte Johnsons ehemaliger Berater Dominic Cummings, der im Streit gegangen war, das Treffen am 20. Mai. Dafür legte ITV nun einen Beweis vor.