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ORF.at/Carina Kainz
Experten zu SPÖ-Debatten

„Endlosschleifen“ und ein bekanntes Kalkül

Dementierte Abspaltungspläne, „extrem verärgerte“ Parteimitglieder, die „die Bundesparteivorsitzende nicht mehr unterstützen“ – die aktuellen Töne aus den Reihen der burgenländischen SPÖ sind nichts für schwache Nerven in der Bundespartei unter der Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Doch welchen Gehalt hat die scharfe Rhetorik? Und wie ist die ebenfalls aus dem Burgenland angestoßene interne Debatte über die Impfpflicht einzuordnen?

Das rote Match Burgenland gegen Wien laufe in „Endlosschleife in immer wieder neuer Variation“, sagt Politologe Peter Filzmaier gegenüber ORF.at. Jedenfalls sei bemerkenswert, dass es „jeweils auch zur Unzeit“ komme – etwa jetzt, wo Umfragen die SPÖ vor der ÖVP ausweisen. Eine Abspaltung von Burgenlands SPÖ unter Landeshauptmann Hans Peter Doskozil von der Bundes-SPÖ sei jedenfalls „keine reale Variante“, so Filzmaier.

Schließlich könne es nicht das Ziel sein, „eine Liste aus einem kleinen Bundesland heraus zu gründen, die es mit Ach und Krach in den Nationalrat schafft und dort alle Mehrheitsbildungen noch mehr verkompliziert“, erklärt Filzmaier. Am Mittwoch sprach sich Doskozil schließlich dezidiert gegen eine Abspaltung aus. Filzmaier ist der Ansicht, dass es sich bei den besagten Kritikern aus dem Burgenland wohl um keine große Gruppe handelt – dass sich Personen aber öffentlich äußern, sei jedenfalls ein Problem für die Partei.

„Laschet-Schicksal“ droht

Früher sei die SPÖ stets für Geschlossenheit und Disziplin nach außen gestanden, was sie stark gemacht habe, meint die Politologin Stainer-Hämmerle gegenüber ORF.at – im Moment funktioniere das nicht. Einen echten Herausforderer für Rendi-Wagner sieht Stainer-Hämmerle aber intern nicht, Doskozil streue zwar „Salz in die Wunden“, wolle sich aber der scheinbar herbeireklamierten Rolle nicht annehmen, das Risiko sei auch hoch.

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ)
APA/Hans Klaus Techt
Doskozils Querschüsse: „Sinnvoll“ für den persönlichen Nutzen – zum Schaden der Bundespartei

Dann drohe Doskozil bei einem Gang an die Spitze auch ein „Laschet-Schicksal“, so Stainer-Hämmerle („Dann ist er am Ende gar nichts mehr“). Generell müsste es der SPÖ tatsächlich darum gehen, Stimmen von der FPÖ zu gewinnen. Das Abgraben bei den Grünen habe „keinen Sinn“, wenn man mit ihnen künftig unter Umständen eine Ampelkoalition bilden wolle. Das mache Doskozil im Burgenland schon besser – er könne mittels Attacken gegen „die Wiener“ bzw. die Bundespartei „billige Punkte abholen“, meint die Expertin.

Doskozils „erfolgsversprechendes Rezept“

Hier setzt auch Filzmaier an: Es gäbe nur eine Logik, nämlich dass sich Doskozil „überlegt, was im Burgenland populär ist“. Dabei gehe es um eine Strategie gegen Wien bzw. sogar gegen seine eigene Parteichefin, was lokal ein „tendenziell erfolgsversprechendes Rezept“ sei. Aus Sicht einer 50-Prozent-Partei (die SPÖ hält im Burgenland aktuell die „Absolute“) müsse Doskozil eben versuchen, auch Wählerinnen und Wähler von ÖVP und FPÖ anzusprechen – und das mache aus diesem Motiv heraus „absolut Sinn“, wenn auch „zum Schaden der Bundespartei“.

Die Haltung zur Impfpflicht – hier äußerte Doskozil Skepsis und schlug alternativ kostenpflichtige Tests für Ungeimpfte vor – sieht Filzmaier als „eine persönliche Strategie, die gar nicht speziell gegen Rendi-Wagner (eine dezidierte Befürworterin der Impfpflicht, Anm.) gerichtet sein muss“. Es liege die Vermutung nahe, dass sich Doskozil „rein strategisch skeptisch positioniert“, glaubt Filzmaier angesichts der immer breiter geäußerten Zweifel an der Umsetzbarkeit – auch vonseiten anderer SPÖ-Landesparteichefs und zuletzt auch der Wirtschaftskammer.

Zu verlieren habe Doskozil mit seiner Position jedenfalls nichts, so Filzmaier: Würde es bei der Einführung der Impfpflicht Probleme geben, stehe Doskozil mit der geäußerten Position gut da. Kommt sie wie geplant im Februar, könne er sich als vom Bund überstimmt darstellen – und sogar ein solches Szenario sei auf Landesebene nutzbar.

„Besonderer Problembär“

Stainer-Hämmerle ortet das Problem der Bundes-SPÖ mit den Querschüssen aus dem Burgenland aber in Wien selbst: Parteichefin Rendi-Wagner habe es nicht geschafft, dass sich ihre Kritiker außerhalb Wiens nicht regelmäßig öffentlich äußern. „Es ist im Grunde immer das gleiche Spiel und ein Dauerproblem von Anfang an“, meint die Politologin. Doskozil sei „ein besonderer Problembär“, weil er als Parteivorsitzender „ausgebootet“ worden sei und das der Bundespartei noch immer übelnehme.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
APA/Georg Hochmuth
Die Bundespartei um Parteichefin Rendi-Wagner kämpft mit einem „Dauerproblem“, meinen Fachleute – öffentlichen internen Äußerungen

„Diese Partei hat im Moment null Profil“

Doch Stainer-Hämmerle verweist auf interne Versäumnisse bei der Bundes-SPÖ: Themen mit Sprengkraft für die Partei gäbe es genügend, derzeit stehe die Impfpflicht im Fokus – doch langfristig nicht beantwortet seien andere Themen, etwa Migration und der Umgang mit der FPÖ. Die wichtigsten Themen vor der Pandemie seien Klima und Zuwanderung gewesen, hier habe die SPÖ auch kein Konzept gehabt, meint die Expertin. „Diese Partei hat im Moment null Profil.“

Das Erreichen des ersten Platzes in den Umfragen zuletzt sei entsprechend also mehr der Schwäche der Konkurrenz geschuldet gewesen als der eigenen Leistung – allem Jubel zum Trotz könne die SPÖ nicht darauf bauen und auch keinen Kanzlerinnenanspruch erheben, so Stainer-Hämmerle. Kritik an der Regierung zu üben, reiche nicht, man müsse schon klar darlegen, was man anders machen würde.

Aussicht auf Macht als Mittel zur Einigkeit

Doch eines könne die SPÖ intern rasch auf eine Linie bringen, ist zumindest Filzmaier überzeugt, nämlich das „gemeinsame Interesse an Wahlsieg und Macht“. Wenn der Wahltag näher rückt, müsse die Chance darauf als realistisch erachtet werden – „dann wird man sich auch versammeln“. Doch auch hier gäbe es noch wackelige Faktoren – so müsse wiederum intern geklärt werden, mit wem man im Falle einer Möglichkeit dazu koalieren wolle.