Teströhrchen in einem Labor
Reuters/Lisi Niesner
„Belastungsgrenze“

Debatte über Teststrategie voll angelaufen

Vor einem Treffen der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (GECKO) am Freitag hat die Debatte über das CoV-Testsystem Fahrt aufgenommen. Wegen Omikron stießen die Testkapazitäten vielerorts an ihre Grenzen, auch in den Schulen gab es Probleme mit der Auswertung der Tests. Angesichts dessen kündigte GECKO-Mitglied Thomas Starlinger am Freitag an, dass in weiten Teilen des Landes PCR-Tests nicht mehr für jeden verfügbar sein würden. Wien mit seinem etablierten PCR-Test-System zeigte Unverständnis und kündigte seinerseits einen weiteren Ausbau der Testinfrastruktur an.

Starlinger hatte am Donnerstag in der ZIB Nacht von zwingenden Verlagerungen in der Teststrategie gesprochen. Wegen Omikron gebe es „hier und da Belastungsgrenzen, die jetzt überschritten werden“. Angesichts dessen werde sich nicht jeder in den belasteten Regionen überall wie bisher testen lassen können, man werde gezwungen sein, Schwerpunkte in gewissen Bereichen zu setzen – und zwar in der Pflege, den Schulen und der kritischen Versorgung. Zudem werde man wieder zunehmend auf Antigen-Tests zurückgreifen, die maximal zwölf Stunden gültig sein werden.

Man trete weiterhin für möglichst breites Testen ein, betonte eine GECKO-Sprecherin gegenüber der APA. Einen diesbezüglichen Strategiewechsel gebe es nicht. Allerdings müsse man Überlegungen anstellen, wie da System auch funktionieren kann. Angesprochen wurden Überlegungen, ob wieder verstärkt auf die weniger genauen Wohnzimmertests zurückgegriffen werden könnte, um Engpässe auszugleichen. Dafür sprach sich der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) aus – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Bundesländer ächzen unter Testmenge

Auch die oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreterin, Christina Haberlander (ÖVP), spricht sich für eine erneute Zulassung der Wohnzimmertests aus. Sie forderte in einem Brief an Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), dass die Antigen-Schnelltests „zur Eigenanwendung“ wieder als 3-G-Nachweis am Arbeitsplatz anerkannt und an die Bevölkerung ausgegeben werden – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Die Kapazitätsprobleme betreffen vor allem die Bundesländer, die erst seit wenigen Monaten über breitere PCR-Test-Strukturen verfügen. Am Freitag gab es beispielsweise Berichte aus Vorarlberg, denen zufolge Testergebnisse auch nach 48 Stunden noch nicht übermittelt wurden – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte am Freitag, dass sie sich von den Laboren erwarte, dass diese „ihre Vereinbarungen einhalten“. Sollte dem nicht so sein, habe man in Niederösterreich aber ein Sicherheitsnetz mit Antigen-Tests geschaffen – mehr dazu in noe.ORF.at.

Zuletzt sorgten auch die PCR-Schultests für Probleme, nachdem man auf einen neuen Anbieter beim PCR-Test-Programm umgestiegen war. Laut Bildungsministerium wurde „eine nicht nachvollziehbar niedrige Zahl von positiven Fällen“ gemeldet, den Schulen seien Daten „zu spät, fehlerhaft und unvollständig“ übermittelt worden. Das Bildungsministerium hält trotzdem an dem Programm fest. „Die Bietergemeinschaft hat zugesagt, die Probleme bis zur kommenden Woche zu lösen“, hieß es.

Wien baut Testsystem aus

In Wien hat man in den vergangenen Monaten für ausreichende Testkapazitäten gesorgt. Man äußerte Unverständnis für Starlingers Ankündigung. Es sei „bemerkenswert“, dass man die Testkapazitäten nicht aufstocke, sondern stattdessen Tests reduzieren wolle, so der Sprecher des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ), Mario Dujakovic, auf Twitter.

Wien kündigte dazu an, dass das zuständige Labor Lifebrain die Kapazitäten ausbauen und künftig mehr als 800.000 Tests pro Tag auswerten könnte. Das umfasse auch diverse Testprogramme für andere Bundesländer (z. B. PCR-Teststraßen in Salzburg, Apotheken in Niederösterreich, „Alles gurgelt“ für Unternehmen in Oberösterreich) – mehr dazu in wien.ORF.at.

„Acht bis zwölf Wochen“ für neue Testsysteme

Andernorts ist wohl keine schnelle Lösung in Sicht. Starlinger sagte, dass die Handlungsmöglichkeiten in den nächsten Wochen „begrenzt“ seien, denn der Aufbau neuer Testkapazitäten würde, „wenn Sie es sehr sportlich betreiben“, acht bis zwölf Wochen in Anspruch nehmen.

Mit den Einschränkungen handle es sich ergo weniger um eine Änderung der Teststrategie als um die Reaktion auf die Dynamik eines Virus, das nicht berechenbar war. Man müsse aus der derzeitigen Situation die Lektionen lernen und – das sei u. a. seine Aufgabe innerhalb der GECKO – die entsprechenden Testsysteme aufbauen, damit man nicht mehr in eine Situation komme, wie wir sie jetzt sehen, so Starlinger.

Starlinger zum CoV-Testsystem

Der ehemalige Verteidigungsminister Thomas Starlinger hat an der Aufstellung des „Alles gurgelt“-Testsystems mitgewirkt und ist nun im CoV-Krisengremium GECKO tätig. Er spricht über mögliche Veränderungen des Testsystems.

Auf den Einwand, dass man durch die Einschränkung bei Testmöglichkeiten und der geringeren Zuverlässigkeit der Antigen-Tests den Überblick über das Infektionsgeschehen verliere und nicht mehr von jeder Infektion wisse, sagte Starlinger, dass das der Dynamik der Virusvariante geschuldet sei.

Testen gerade bei Omikron wichtig

Bereits in den vergangenen Tagen hatten Fachleute zum Umdenken beim Testen geraten. Gerade bei Omikron sei Testen weiterhin sehr wichtig, sagte die Virologin Dorothee von Laer am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. Trotzdem mahnte sie zu Vorsicht: Eine absolute Sicherheit gebe es auch bei den aussagekräftigeren PCR-Tests nicht, „den Anschein sollte man nicht erwecken“.

Sie betonte die Relevanz der FFP2-Maske und von Abstandsmaßnahmen. Die Sicherheit nehme „von Stunde zu Stunde ab“, insbesondere Omikron hat eine kürzere Inkubationszeit. Bei einer Gültigkeit von 48 Stunden (PCR-Tests) könne man in diesem Zeitraum auch positiv werden, betonte die Wissenschaftlerin.

Von Laer sprach sich für den verstärkten Einsatz von Antigen-Schnelltests aus. Denn diese lieferten ein rasches Ergebnis, zumindest hochansteckende Personen könnten damit entdeckt werden. Einen Strategiewechsel weg von Tests hält von Laer „nicht für angebracht“. Auch wenn es immer wieder Engpässe gebe, könne hierzulande noch „mit einer Verdoppelung der Zahlen auch beim Testen“ umgegangen werden. Allerdings sollte man eben parallel dazu anfangen, verstärkt Antigen-Tests anzubieten.

Puchhammer-Stöckl: Nicht „kreuz und quer testen“

Am Vortag hatte sich Elisabeth Puchhammer-Stöckl, Leiterin des Zentrums für Virologie der MedUni Wien, in einem Puls24-Interview für ein Umdenken bei der Teststrategie ausgesprochen. Aus ihrer Sicht sollte die Strategie „eher auf vulnerable Gruppen“ fokussieren, „aber nicht jeden kreuz und quer testen, der sich dann sicher fühlt, aber dann möglicherweise hochinfektiös ist“.

Kritischer Befund von Labormediziner

Der Präsident der Fachgesellschaft für Labormedizin, Georg Mustafa, stellt Österreichs PCR-Testsystem indes einen kritischen Befund aus. Österreich testet auch in absoluten Zahlen mehr als das zehnmal größere Deutschland – einen Beleg, dass es in Österreich dadurch weniger Erkrankungen und Todesfälle gab, gebe es nicht, sagte Mustafa am Freitag im Ö1-Mittagsjournal. Das gehöre wissenschaftlich aufgearbeitet.

„Goldgräberstimmung“

Mustafa sprach gegenüber Ö1 von einer „Goldgräberstimmung“ in den vergangenen eineinhalb Jahren. Jeder habe gemeint, plötzlich CoV-Tests durchführen zu können. Zum Teil seien Tests durchgeführt worden von Stellen, „wo man sich schon fragen muss: Mit welcher Expertise wird hier getestet. Oder ob überhaupt keine Expertise in dem Sinne vorliegt – schlicht und einfach zu wenig Erfahrung.“ Eine Folge sei, dass Infektionen nicht erkannt werden.

Hintergrund solcher Fälle seien zum Teil nicht ausreichend geeignete PCR-Testgeräte: „Manchmal ist es auch vielleicht da und dort die Qualität der Anbieter, die diskutierbar ist. Einerseits müssen die Geräte hervorragend sein, um nicht falsche Resultate zu erzeugen. Und wir wissen, dass zum Teil Geräte vertrieben werden, die nicht die Qualität haben. Das Zweite ist: Es ist jedenfalls ein internationaler Anbieter als Reagenzhersteller zu nehmen, der schon auch eine große Markterfahrung hat und schon länger in der Produktion ist.“

Starke Qualitätsunterschiede zwischen Anbietern

Mustafa lobte explizit die Wiener Tests von Lifebrain, die konstant und rasch Ergebnisse lieferten. Was andere Screeningtestanbieter betrifft, sagte er: „Wettbewerb ist immer was Gutes. Wichtig ist, dass im Wettbewerb mit gleich langen Spießen gekämpft wird. Wir haben eine Reihe von Auflagen, die Mindeststandards in der Qualität vorgeben, und wir haben berufsrechtliche Auflagen. Und aus meiner Sicht ist es schon ganz wichtig zu unterscheiden, ob jemand als Ordination oder Krankenanstalt tätig ist oder als Firma. Eine Firma hat all diese
Auflagen nicht. Und das ist fraglos wettbewerbsverzerrend.“

Mustafa selbst betreibt einen Laborbetrieb in Salzburg. Der wickelt derzeit unter anderem für das Rote Kreuz bis zu 20.000 CoV-Tests am Tag ab. Der Labormediziner sagte, ein Rundversuch mit verschiedenen Labors hat ergeben, dass der CT-Wert um bis zu 18 Einheiten schwanken kann – je nach Probennahme, Aufbereitung und Testgerät. „Es ist nach zwei Jahren einfach zu fordern, dass das standardisiert ist. Gute Laboratorien können das auch, dass sie das in Copies – also in Anzahl Viren pro Milliliter zum Beispiel – angeben.“

Vorsequenzierung und Sequenzierung einstellen

Dass sich viele in Österreich zu sehr aufs Testen verlassen haben und sich dadurch weniger Menschen impfen haben lassen, wollte Mustafa nicht behaupten. Allerdings: „Testen ist halt nur ein Aspekt in der Pandemiebekämpfung, und seitdem es die Impfung gibt, ist der zentrale Aspekt aus meiner Sicht vom Testen hin zur Impfung zu legen.“

Die Sequenzierungen und Vorsequenzierungen auf Omikron, so der Labormediziner, könne man wieder herunterfahren und damit Steuergeld sparen. Man wisse ja, dass der Omikron-Anteil an den Infektionen derzeit 95 Prozent ausmache.