Gesundheitsminister Mückstein, Bundeskanzler Nehammer (ÖVP), Verfassungsministerin Edtstadler (ÖVP)
APA/Tobias Steinmaurer
Ab 18 Jahren

Impfpflicht „mit Anfang Februar in Kraft“

Die Bundesregierung hat am Sonntag den fertigen Gesetzesentwurf der geplanten allgemeinen Coronavirus-Impfpflicht präsentiert. Diese werde Anfang Februar mit einer „Eingangsphase“ in Kraft treten, wie Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Sonntag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sagte.

Im Gegensatz zum ursprünglichen Plan werde die Impfpflicht nun für Personen ab 18 und nicht schon ab 14 Jahren gelten. Ausnahmen gibt es etwa für Schwangere und all jene, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Weiters sind Genesene für einen Zeitraum von sechs Monaten ausgenommen.

Somit hält die Regierung am Startzeitpunkt Anfang Februar weiter fest – ungeachtet dessen, dass die technische Umsetzung der Erfassung der Ausnahmen im nationalen Impfregister erst frühestens ab April möglich sein wird. Das hat die zuständige ELGA GmbH ja bereits Anfang Jänner erklärt.

Nehammer: „Ab Februar gilt die Impfpflicht“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat bei der Vorstellung der Impfpflicht von einer „großen Herausforderung“ gesprochen. Ab Anfang Jänner trete das Gesetz mit einer „Eingangsphase“ in Kraft.

Drei Phasen

Die Impfpflicht wird nun aber in drei Phasen eingeführt. Ab Anfang Februar – in einer „Eingangsphase“ bis 15. März – wird jeder Haushalt schriftlich über die Maßnahme informiert. Danach wird die Impfpflicht zum Kontrolldelikt, kontrolliert wird ab 16. März etwa im Rahmen von Kontrollen im Straßenverkehr. Wird jemand ertappt, der nicht geimpft ist, muss er ab diesem Zeitpunkt mit einer Anzeige und auch einer Strafe rechnen.

Sollte es epidemiologisch notwendig sein, tritt später die dritte Phase in Kraft. Dann bekommen Ungeimpfte einen Impftermin zugeordnet, wenn sie diesen nicht einhalten, bekommen sie automatisierte Impfstrafverfügungen ausgestellt. Voraussetzung für die Umsetzung dieser Phase ist die Zustimmung des Parlaments im Hauptausschuss.

Der Strafrahmen reicht von 600 Euro (im abgekürzten Verfahren) bis 3.600 Euro (im ordentlichen Verfahren). Beugehaft und Ersatzfreiheitsstrafe sind nicht vorgesehen. Im Rahmen des Kontrolldelikts werde den Regierungsplänen zufolge maximal viermal pro Kalenderjahr gestraft, wie Edtstadler auf Nachfrage sagte. In der dritten Phase – sofern dann tatsächlich flächendeckende Strafen für Ungeimpfte kommen sollten – soll maximal zweimal im Jahr gestraft werden. „Im besten Fall“ werde man Nehammer zufolge die dritte Phase aber gar „nicht brauchen“.

Keine Impfpflicht für Schwangere

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) verweist unter anderem auch auf die im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen. Die Impfpflicht gilt ab 18 Jahren. Ausgenommen sind Schwangere und Menschen mit besonderen Erkrankungen. Weiters sind Genesene für einen Zeitraum von sechs Monate ausgenommen.

„Geht nicht um Kampf Geimpfte gegen Ungeimpfte“

Nehammer sprach bei der Vorstellung des Gesetzesvorhabens von einer großen Herausforderung und verwies in diesem Zusammenhang auch auf all jene, die weiterhin Angst vor der Impfung haben: Die Regierung und die Expertinnen und Experten der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (GECKO) nähmen diese Ängste ernst, sagte Nehammer und betonte, dass es „nicht um den Kampf Geimpfte gegen Ungeimpfte“ gehe.

Es gehe aber um das „Gemeinwohl“, denn „wir sind keine Individuen, die losgelöst voneinander leben. Sondern wir sind eine Gemeinschaft.“ Es gehe darum, die Freiheit für alle zu bewahren: „Wir haben gesehen, dass noch immer zu viele nicht geimpft sind.“

„Verlässlichstes Mittel gegen Pandemie“

„Die Impfung schützt, sie schützt uns und sie schützt auch unsere Mitmenschen“, sagte Mückstein zu dem Vorhaben. Man müsse als gesamte Gesellschaft alles daransetzen, „dass sich so viele Menschen wie möglich impfen lassen“, um aus der Spirale des ständigen Lockdowns und Öffnens wieder herauszukommen.

Dem Gesundheitsminister zufolge werde die laufende Omikron-Welle wohl „einen hohen Grad an Immunisierung bringen“ – Omikron werde aber nicht die letzte Variante sein, und man wisse auch nicht, wie lange der Immunschutz anhält. Daher sei auch die Aussage „gefährlich“, wonach man jetzt nur durchzutauchen brauche und dann habe man kein Problem mehr.

Verfassungskonformität der Impfpflicht

Verfassungsministerin Karoline Edstadler (ÖVP) sprach zur Verfassungskonformität des neuen Impfpflichtgesetzes. Die Impfpflicht sei ohne Frage ein Eingriff in die Grundrechte, aber es brauche einen schwerwiegenden Grund wie die Gesundheit der Gesellschaft, und es brauche ein effektives Mittel.

Edtstadler betonte, es sei keine Frage „dass die Impfpflicht ein Eingriff in die Grundrechte ist“ – aber sie sei klar verfassungsrechtlich zulässig. „Im Moment wissen wir, dass die Impfung das verlässlichste Mittel im Kampf gegen die Pandemie ist.“

Am Montag im Gesundheitsausschuss

Was die weitere Vorgangsweise betrifft, soll der Entwurf zum Impfpflichtgesetz bereits am Montag im Gesundheitsausschuss behandelt werden. Am Donnerstag ist dann der Nationalratsbeschluss geplant. Für einen Beschluss braucht es nur eine einfache Mehrheit, über diese verfügen die Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne sowohl im National- als auch im Bundesrat.

Die Regierung versucht aber, eine breitere Zustimmung zu erhalten – und zwar über Einbindung von SPÖ und NEOS. Die FPÖ lehnt die Impfpflicht komplett ab. Während es bei NEOS bis zuletzt so schien, als würden einige wenige Mandatare Nein zu dem Vorhaben sagen, versuchte man in der SPÖ zuletzt, die innerparteilichen Skeptiker noch zu überzeugen.

Details zur Impfpflicht

Die Regierung hat am Sonntag Details zur Impfpflicht präsentiert. So gilt die Verpflichtung zur Impfung für alle ab 18 Jahren. Ausgenommen sind Schwangere, Genesene für 180 Tage und Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können.

„Praktikabler Entwurf“

„Keiner hat sich die Impfpflicht gewünscht, aber sie ist leider notwendig geworden, um die Durchimpfungsrate anzuheben", so SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, der zufolge der nun vorliegende Gesetzesentwurf „gegenüber dem Begutachtungsentwurf in wesentlichen Punkten verbessert“ wurde. Nun liege „ein praktikabler Entwurf vor“, wie Rendi-Wagner per Aussendung weiter mitteilte, "der vorbehaltlich der letzten Prüfung und in Kombination mit positiven Impfanreizen von der SPÖ unterstützt wird“.

Geht es nach NEOS-Chefin Meinl-Reisinger habe sich der nun vorliegende Gesetzesentwurf auf den letzten Metern – nach intensiven Verhandlungen – „nicht zuletzt durch unsere Initiative“ noch deutlich verbessert. Dazu zähle vor allem, dass die Impfpflicht erst ab 18 Jahren gilt. Wohl mit Blick auch auf parteiinterne Kritiker an dem Vorhaben betonte sie, dass es „unterschiedliche Wege und Positionen“ gebe, wie die Impfquote erhöht werden könne. Dennoch sei eine Impfpflicht „meines Erachtens aber sehr wohl gerade aus der Freiheit heraus begründbar“.

„Vorläufiger Tiefpunkt“

Für FPÖ-Chef Herbert Kickl ist das vorgelegte Impfpflichtgesetz indes „der vorläufige Tiefpunkt im aktuellen Regierungschaos“. Es handle sich um „offensichtlich verfassungswidrige Methoden“, so Kickl, der per Aussendung aber auch auf die Proteste „in unzähligen Kundgebungen“ und die Einsprüche im Begutachtungsverfahren verweist. Diese hätten demnach „Wirkung gezeigt. Es wird keinen Impfzwang für Minderjährige geben und auch bei den Strafen dürfte gegenüber den ursprünglichen Plänen Zurückhaltung angesagt sein.“

1948 Impfpflicht gegen Pocken

In Sachen Impfungen hat Österreich in der jüngeren Vergangenheit traditionell eher auf Anreize oder indirekte Maßnahmen gesetzt – etwa über Arztgespräche im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen oder Anstellungserfordernisse für bestimmte Berufe. Anders war das in Sachen Pocken: Am 30. Juni 1948 wurde ein „Bundesgesetz über Schutzimpfungen zu Pocken“ beschlossen, das zwar keine allgemeine Impfpflicht festlegte, einer solchen aber ziemlich nahe kam.

„Jedermann ist verpflichtet, sich nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zum Schutz gegen Pocken (Blattern, Variola) impfen zu lassen“, lautete der erste Satz damals. Von der Impfpflicht ausgenommen waren Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden konnten oder in den letzten zehn Jahren eine Infektion durchgemacht hatten.

Wer gegen die Impfpflicht verstieß, musste eine Verwaltungsstrafe bis zu 1.000 Schilling bezahlen oder bis zu 14 Tage Arrest antreten. Gleiches galt etwa für Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen wollten. Aufgehoben wurde das Gesetz erst am 1. Jänner 1981, nachdem das World Health Assembly die Pocken dank der Impfung offiziell für ausgerottet erklärt hatte.