3D-gedrucktes Logo von Microsoft
Reuters/Dado Ruvic
Neuer Spielegigant

Microsoft-Megadeal soll Gamechanger sein

Knapp 70 Milliarden Dollar hat Microsoft die Übernahme des Gamingkonzerns Activision gekostet – mehr als etwa der Monsanto-Bayer-Deal. Der Softwareriese hat mit dem Kauf seine Rolle auf dem Spielesektor zementiert und ist nun der größte Player des Westens. Damit will man mittelfristig nicht nur dem weltgrößten Spielekonzern Sony Paroli bieten – Microsoft ist über Nacht auch auf Mobiltelefonen zur Macht geworden. Das könnte letztlich für die Zukunftshoffnung der Branche, das Metaverse, zum Faktor werden.

Der Betrag, den Microsoft für den Kauf von Activision am Dienstag geboten hatte, sorgte weltweit für Aufsehen: Noch nie gab es einen derart großen Deal in der Gamingbranche. Überraschend ist das eigentlich nicht, denn längst spielt die Branche mehr ein als Film- und Musikindustrie zusammen.

Dennoch ist der Microsoft-Deal – so er nicht an Wettbewerbshütern scheitert – beachtlich. Der Kauf macht Microsoft hinter Sony und dem chinesischen Unternehmen Tencent zum drittgrößten Spielekonzern weltweit und noch vor Nintendo. Neben der schieren Größe sicherte sich der Softwareriese mit dem Kauf vor allem viele bekannte Namen: Titel wie „Call of Duty“, „Warcraft“ und „Overwatch“ sind Kassenschlager, dazu kommen Dutzende Reihen, die Spielegeschichte geschrieben haben.

Abomodell „Game Pass“ als Erfolgsgeschichte

Auf den ersten Blick passt der Kauf perfekt in das momentane Konzept des Softwareriesen: Microsofts aktueller Erfolg auf dem Spielesektor ist nicht nur der Konsole Xbox zu verdanken, sondern vor allem dem Abomodell „Game Pass“. Wie bei Netflix bezahlt man monatlich einen Fixbetrag und kann dann auf momentan über hundert Spiele zugreifen.

Microsoft Xbox „Game Pass“ Promotion
APA/AFP/Mark Ralston
Microsofts „Game Pass“ könnte schnell vom großen Spieleangebot Activisions profitieren

Die Rechte an legendären Spielereihen könnten dieses Angebot künftig enorm ausbauen, wie der britische Spielejournalist Nathan Brown in einem Newsletter schreibt: Microsoft kaufe „einen Haufen geistiges Eigentum, an dem Activision Blizzard (…) einfach kein Interesse hatte“. Es sei sinnvoll, dass Microsoft diesen Katalog nun erwirbt. Nicht nur könne man damit das „Game Pass“-Angebot erweitern, künftig sei auch denkbar, alte Spielereihen verhältnismäßig günstig wiederzubeleben.

Spätes Fußfassen auf mobilen Geräten

Doch der Kauf positioniert Microsoft darüber hinaus auf einem ganz anderen Sektor neu: Denn auch das Portfolio von King, Macher des Handyspiels „Candy Crush“, gehört nun dem neuen Gaminggiganten. Bisher war Microsoft trotz jahrelanger Anstrengungen, eigenes Betriebssystem inklusive, letztlich erfolglos auf dem Mobilmarkt. Jetzt ist der Konzern plötzlich auf zig Millionen Geräten vertreten.

Und auch wenn am Tag nach der Ankündigung des Milliardendeals nicht alle Fachleute diese Einschätzung teilen: Viele vermuten hinter dem Kauf auch einen Schritt in Richtung Metaverse, jene Zukunftsvision für das Internet, die Facebook-Gründer Mark Zuckerberg im Vorjahr zum Modewort machte. Auch Microsoft-Chef Satya Nadella sagte anlässlich des Kaufs: Gaming werde „eine Schlüsselrolle in der Entwicklung von Metaverse-Plattformen spielen“.

Im Metaverse wird es ernst

Dabei könnte das Handyspiel „Candy Crush“ womöglich das wirksamere Mittel als der Egoshooter „Call of Duty“ sein: Noch fehlt es den Virtual-Reality-Brillen, die man derzeit für den Einstieg braucht, an Rechenleistung, einfache Spiele sind also besser darstellbar. Und: Erfahrungsgemäß spricht „Candy Crush“ eine breitere, nicht zuletzt ältere und damit tendenziell wohlhabendere Zielgruppe an.

Mann spielt mit Oculus Quest Virtual Reality System
APA/AFP/Amy Osborne
Virtual-Reality-Brillen sind momentan die Eintrittskarte für das Metaverse – vor allem Facebook spielt eine große Rolle

Die Vision, nicht nur Spielerinnen und Spieler, sondern die breite Masse für das Metaverse zu begeistern, könnte auch durch solche Zeitvertreibe profitieren. Denn das Ziel von Microsoft wie Facebook dürfte letztlich nicht in erster Linie das Spielen im virtuellen Raum sein – stattdessen soll auch die Arbeit im Metaverse stattfinden.

Microsoft Teams, jenes Werkzeug, das in der Pandemie für viele zum bevorzugten Kommunikationsmittel wurde, fügte etwa erst Ende letzten Jahres 3-D-Avatare hinzu. Eine auf den ersten Blick relativ nutzlose Funktion könnte in Virtual Reality eine zentrale Rolle spielen. Klar ist einmal mehr: Die großen Tech-Unternehmen nehmen das Metaverse nicht länger als Science-Fiction-Vision wahr, sondern investieren Unmengen an Geld, um im angelaufenen Rennen um die Vorherrschaft nicht hinterherzuhinken.

Ein Kauf und viele Verfahren

Die Unsummen, die Microsoft für Activision bezahlt hat, sind wohl auch Spekulation, dass das Metaverse – in welcher Form auch immer – abhebt. Und es ist nicht das einzige Risiko: Denn Activision ging im vergangenen Jahr durch ein verheerendes Krisenjahr, angeführt von den weitreichenden Missbrauchsvorwürfen in dem Unternehmen.

Auch einige Spiele der vergangenen Jahre hatten nicht den erwarteten Erfolg erzielt, etwa ein Remake des Klassikers „Warcraft“. Brown schreibt, dass Microsoft nicht nur eine Firma und Spiele, sondern „mehrere behördliche Verfahren, eine Reihe angeschlagener Marken, eine ausgelaugte Belegschaft und eine zunehmend wütende Community“ gekauft habe.

Menschen stehen vor Activision Logo
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Activision hat im Vorjahr vor allem mit Skandalen für Schlagzeilen gesorgt

Microsoft wird zweifellos kurzfristig von den Titeln profitieren können. Das könnte sich im Kampf der – immer noch schwer erhältlichen – Konsolen PlayStation 5 und Xbox Series X als Ass im Ärmel erweisen. Längerfristig wird Microsoft aber auch den Scherbenhaufen beseitigen müssen, den es mit eingekauft hat. Erst unmittelbar vor dem Verkauf an Microsoft entließ Activision weitere Mitarbeiter – doch ob eine Umstellung der behördlich kritisierten Unternehmenskultur gelingen wird, ist weiter fraglich.

Zukunft von Activision-Chef ungewiss

Während es am Dienstag untertags erst hieß, dass am umstrittenen Activision-Chef Bobby Kotick nicht gerüttelt werde, berichtete die „New York Times“ nur wenig später, dass Kotick nach der erfolgten Übernahme seinen Platz räumen müsse. Noch im November zeigte sich Microsoft-Gaming-Chef Phil Spencer „verstört und tief betroffen von den furchtbaren Ereignissen und Handlungen“ bei Activision – drei Monate später gehört Activision dem Softwarekonzern. Das Image der gekauften Marken ist vielleicht angekratzt – dem Profit wird das aber keinen Abbruch tun. Es bleibt abzuwarten, ob Microsoft bei Activision dennoch einen Richtungswechsel forcieren wird.