US-Präsident Joe Biden
AP/Evan Vucci
Ein Jahr Präsident

Biden von eigener Partei ausgebremst

Exakt ein Jahr ist Joe Biden am Donnerstag Präsident der USA. Nachdem der Demokrat gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit dem Einlösen mehrerer Wahlversprechen einen starken Start hinlegte hatte, plagt ihn nun ein Misserfolg nach dem anderen. Gerade an parteiinternen Blockaden scheiterte er zuletzt. Auch in den Umfragen schlägt sich das nieder. Biden verteidigte die Bilanz seiner Regierung am Mittwoch gegen Kritik.

„Die Ansicht, dass die Biden-Präsidentschaft wild um sich schlägt und versagt – hat sich nun von den Meinungsseiten zu den Nachrichtenseiten bewegt, von rechter Kritik zu konventionellem Beltway-Wissen (politisches Establishment in Washington DC, Anm.)“, schrieb der „New York Times“-Kolumnist Bret Stephens zu Bidens erstem Jahrestag – ohne einen Strategiewechsel drohe den Demokraten ein Fiasko. „Biden braucht einen Neuanfang“, schrieb auch die „Washington Post“-Kolumnistin Jennifer Rubin.

Biden zieht nach einem Jahr Bilanz

In einer Pressekonferenz hat US-Präsident Joe Biden seine Bilanz zum ersten Jahrestag seiner Präsidentschaft gezogen. Er sprach über sein CoV-Management und die Errungenschaften im Umgang mit dem Virus im letzten Jahr. Außerdem lobte er sein Infrastrukturpaket und versprach den starken Preisanstieg und die Inflation in den USA zu bekämpfen.

Tatsächlich sieht sich Biden mit schlechten Umfragewerten konfrontiert: Laut der Onlineplattform Real Clear Politics, die verschiedene Umfragen sammelt und miteinander vergleicht, sind nur noch etwa 42 Prozent der Amerikaner der Meinung, dass Biden einen guten Job macht. Zu Beginn seiner Amtszeit verbuchte er noch eine Zustimmung von knapp 56 Prozent. Von allen US-Präsidenten seit dem Zweiten Weltkrieg kam nur Ex-Präsident Donald Trump ein Jahr nach Amtsantritt auf ein schlechteres Ergebnis.

Joe Biden bei seiner Angelobung im Jänner 2021
AP/Andrew Harnik
Biden wie auch seine Vizepräsidentin Kamala Harris sehen sich mit schlechten Umfragewerten konfrontiert

Auch die Spaltung des Landes vertiefte sich trotz Bidens Präsidentschaft – er inszenierte sich wenige Wochen nach dem Sturm des Kapitols durch gewaltbereite Anhängerinnen und Anhänger Trumps als Brückenbauer und Versöhner – laut Umfragen weiter. Doch wie kam es dazu?

Klima, WHO, Bündnisse: Bidens starker Start

Gleich in den ersten Stunden seiner Präsidentschaft hatte Biden mit der Umsetzung mehrerer Wahlversprechen immerhin noch stark gepunktet: So leitete er etwa die Rückkehr der USA zum Pariser Klimaschutzabkommen und ein Ende des Einreiseverbotes aus gewissen islamischen Staaten ein. Außerdem stoppte er den von Trump eingeleiteten Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und entzog dem Bau der Mauer zu Mexiko die juridische Grundlage.

Ein Jahr US-Präsident Biden

Am 20. Jänner 2021 wurde Joe Biden als 46. Präsident der USA vereidigt. Die Bilanz nach einem Viertel seiner Amtszeit ist ernüchternd.

Ebenso machte er in den ersten Tagen nach Amtsantritt seine Abneigung gegen Trumps „America First“-Strategie deutlich: Den G-7-Staaten, der NATO und der EU machte er bei seiner ersten Auslandsreise nach Europa klar, dass die USA wieder als verlässlicher Partner auftreten würden.

Auch innenpolitische Erfolge

Auch innenpolitisch konnte Biden einige Erfolge verbuchen: So wurde im März vom Kongress ein billionenschweres CoV-Hilfspaket verabschiedet sowie im November ein weiteres billionenschweres Infrastrukturpaket unterzeichnet. Die Arbeitslosigkeit sank Ende des vergangenen Jahres weiter und erreichte mit einer Quote von nur noch 3,9 Prozent sogar das Niveau vor der CoV-Krise. Vor der Krise lagen die Arbeitslosenquoten in der weltgrößten Volkswirtschaft längere Zeit unter der Marke von 4,0 Prozent.

Menschen warten vor einem Impfzentrum in New York
Reuters/Mike Segar
Die US-Impfkampagne sorgte Anfang 2021 für Aufsehen, kam dann aber ins Stocken

Und zumindest zu Beginn seiner Amtszeit konnte Biden auch mit seinem Pandemiemanagement und insbesondere mit einer in den ersten Monaten erfolgreichen Impfkampagne überzeugen. Doch die Euphorie verpuffte bald: Die Impfkampagne verläuft inzwischen nur noch schleppend.

Warten auf „Unabhängigkeit von tödlichem Virus“

Einer Niederlage gab es vergangene Woche auch vor dem US-Höchstgericht. Der Supreme Court blockierte inmitten explodierender CoV-Infektionszahlen Bidens Impf- und Testvorgaben für große Unternehmen. Noch am Nationalfeiertag am 4. Juli sah Biden die USA „näher dran als je zuvor, ihre Unabhängigkeit von dem tödlichen Virus zu erklären“. Die Delta- und Omikron-Variante machten dem freilich einen Strich durch die Rechnung.

Joe Manchin und Kyrsten Sinema
AP/Jacquelyn Martin
Wichtige Reformen Bidens drohen wegen des Widerstands durch seine Parteifreunde Joe Manchin und Kyrsten Sinema zu scheitern

Wenige Tage vor seinem ersten Jubiläum ereilten Biden auch weitere Schreckensmeldungen: Die Inflation stieg auf sieben Prozent und damit den höchsten Wert seit knapp 40 Jahren. Die Spannungen im Ukraine-Konflikt mit Russland nahmen weiter zu. Und auch der Rückhalt in den eigenen Reihen schien abzunehmen: Bidens Versuch, Wahlrechtsreformen durch den Kongress zu bringen, wurden von der demokratischen Senatorin Kyrsten Sinema und ihrem Parteikollegen Joe Manchin torpediert.

Große Reformpakete scheitern an Parteikollegen

Abgesehen von der Wahlrechtsreformen stehen auch einige weitere Reformvorhaben der Regierung des 79-Jährigen unter keinem guten Stern: So waren etwa die Verhandlungen über Bidens Sozial- und Klimaschutzpaket nach monatelangen Verhandlungen – und auch hier aufgrund des Widerstands durch Manchin und Sinema – an einem toten Punkt angekommen. Ähnlich sieht es mit Reformen gegen Schusswaffengewalt und Polizeigewalt gegen Schwarze aus.

Hunderte Menschen vor dem Flughafen Kabul
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Der chaotische Abzug aus Afghanistan wurde für Biden zum Debakel

Außenpolitisch hängen ihm weiterhin der chaotische Afghanistan-Abzug im August sowie die Rückkehr der radikalislamischen Taliban an die Macht nach. Dabei stehe die Biden-Regierung vor zwei außenpolitischen Notfällen, wie die „NYT“ schrieb: „Der erste betrifft die Atomverhandlungen mit dem Iran, bei denen sich derzeit entweder ein schlechter oder gar kein Deal abzeichnet. Der zweite betrifft die Möglichkeit eines russischen Einmarsches in die Ukraine, der zu einem Debakel für die NATO werden könnte.“

Biden: „Ich weiß, dass es eine Menge Frust gibt“

Biden sprach am Mittwoch bei einer seiner seltenen Pressekonferenzen im Weißen Haus von einem Jahr der Herausforderungen, aber auch der „enormen Fortschritte“. Er verwies unter anderem auf die Zunahme der Impfrate seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr und auf wirtschaftliche Erfolge. So seien in seiner Regierungszeit sechs Millionen neue Jobs geschaffen worden. Arbeitslosigkeit und Armut hätten abgenommen, Gehälter dagegen zugelegt.

„Ich weiß, dass es im Land eine Menge Frust gibt“, sagte Biden. Mit Blick auf die sich rasch verbreitende Omikron-Mutante sagte er aber, es gebe keinen Grund zur Panik. Man sei bei der Pandemie jetzt auf einem anderen Stand. Die Regierung halte an ihrer Impfkampagne fest, weil diese funktioniere. Es werde keine Rückkehr zu Lockdowns oder Schulschließungen geben. Die USA bewegten sich auf den Zeitpunkt zu, ab dem CoV den Alltag der Menschen nicht mehr stören und kein Grund für eine Krise mehr sein werde, sagte Biden. Seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr habe sich die Lage dramatisch verbessert. Inzwischen gebe es ausreichend Impfungen und Medikamente, um die Pandemie einzudämmen.

Trumps langer Schatten

Die Demokraten befinden sich angesichts der Kongresswahl im November jedenfalls im Alarmmodus: Sie befürchten nämlich den Verlust ihrer knappen Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat. Gelingt es ihnen nicht, ihre knappen Mehrheiten in den beiden Kammern zu verteidigen, dann muss Biden in den dann verbleibenden zwei Jahren bis zur nächsten Präsidentenwahl 2024 gegen erheblich größere Widerstände im Parlament regieren.

Donald Trump
Reuters/Carlos Barria
Ob Donald Trump noch einmal bei der Präsidentenwahl 2024 antreten möchte, ist unklar

In US-Medien ist teils auch die Sorge vor einem weiteren Antreten Trumps groß: „Es ist kaum übertrieben zu sagen, dass das Schicksal der amerikanischen Demokratie vom Erfolg von Präsident Joe Biden abhängen könnte“, schrieb das „New York Magazin“ kürzlich mit Blick auf eine erneute Kandidatur Trumps. Der Republikaner ließ bisher offen, ob er bei der Präsidentenwahl 2024 noch einmal antreten möchte.