Blick auf die Stiege mit der Statue der Justitia im Justizpalast
APA/Georg Hochmuth
Justiz

Chats werfen Fragen zu Besetzungen auf

Am Mittwoch vom Onlinemagazin ZackZack veröffentlichte Chats werfen ein neues Licht auf Postenbesetzungen in der Justiz. Konkret geht es um die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, in welcher der damalige ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter 2014 seine Wunschkandidatin als Chefin installiert haben soll. Die Opposition übte scharfe Kritik. Umstritten ist unterdessen die Herkunft der Chats – sie sollen gestohlen worden sein.

Die OStA ist die Oberbehörde für alle Staatsanwaltschaften in Wien und Niederösterreich, darunter auch für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die Oberstaatsanwaltschaft entscheidet über Anklagen in wichtigen Fällen und muss teilweise auch bei Hausdurchsuchungen informiert werden.

2014 bewarben sich die Leiterin der WKStA, Ilse Vrabl-Sanda, und die Chefin der Staatsanwaltschaft Wien, Maria-Luise Nittel, um die Leitung der OStA. Dann reichte eine weitere Juristin ihre Bewerbung ein, „in letzter Minute“, wie die APA schreibt: Eva Marek, die damals bereits Richterin am Obersten Gerichtshof (OGH) war, die jüngste OGH-Richterin überhaupt.

Damaliger Justizminister Wolfgang Brandstetter und die Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien Eva Marek, 2014
APA/Hans Klaus Techt
Marek (r.) und der damalige Justizminister Brandstetter im Jahr 2014

Die Personalkommission sah damals Vrabl-Sanda als fachlich am besten geeignete Kandidatin. Das Rennen machte allerdings Marek. Der damalige Justizminister Brandstetter rechtfertigte seine Entscheidung für Marek damit, dass die eigentliche Favoritin Vrabl-Sanda als Leiterin der WKStA „unverzichtbar“ sei.

Nittel und Vrabl „verhindert“

Im Jahr 2016 bewarb sich Marek dann um die Leitung der Generalprokuratur – allerdings erfolglos. Marek wurde von der Personalkommission nur auf Platz drei gereiht. Laut dem von Peter Pilz gegründeten Medium ZackZack schrieb Marek daraufhin eine erboste Nachricht an Brandstetter.

WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda vor dem Ibiza-U-Ausschuss
ORF.at/Peter Pfeiffer
WKStA-Leiterin Vrabl-Sanda (r.) war 2014 die Favoritin der Personalkommission, das Rennen machte aber Marek

„Lieber Wolfgang! Danke Dir für die peinliche Vorführung in der Perskomm. DANKE für das Einhalten unserer Gespräche und dass ich Dir aus einer ausweglosen Situation helfen dürfte. SPRICH Nittel und Vrabl verhindert werden mussten. Deine Leute sind alle versorgt“, zitierte ZackZack aus der Nachricht.

Sie soll auch auf dem Handy des langjährigen Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller, gelandet sein, den Marek laut ZackZack um Hilfe bat. Kloibmüller soll ZackZack zufolge auch seinen Chef, den heutigen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), aktiviert haben – letztlich erfolglos.

Chats werfen Fragen zu Besetzungen auf

Neu veröffentlichte Chats werfen ein neues Licht auf Postenbesetzungen in der Justiz. Konkret geht es um die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, in welcher der damalige ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter 2014 seine Wunschkandidatin als Chefin installiert haben soll.

Brandstetter weist Absprachen zurück

Marek sagte gegenüber ZackZack, dass sie über Aufforderung Brandstetters für die Leitung der Generalprokuratur zur Verfügung gestanden wäre. Eine Nähe zur ÖVP hat sie in Interviews stets bestritten. Seit 2018 ist sie Vizepräsidentin des OGH. Ihr Nachfolger bei der OStA wurde Johann Fuchs. Gegen ihn laufen aktuell Ermittlungen wegen Geheimnisverrats.

Brandstetter betonte in einem Statement gegenüber Ö1, er sei ein parteifreier Minister gewesen. Er weise entschieden zurück, dass es Absprachen über Besetzungsvorschläge mit ihm gegeben habe. Er habe Marek für fachlich eindeutig bestqualifiziert für die Leitungsfunktion in der OStA gesehen.

ZackZack schreibt im Zusammenhang mit der Besetzung der OStA-Leitung 2014 vom Eingreifen „schwarzer Netzwerke" in der Justiz und im Innenministerium. Die ÖVP hatte in der Vergangenheit mehrfach „rote Netzwerke“ innerhalb der Justiz geortet.

Kloibmüller: Handydaten „gestohlen“

Kloibmüller sagte auf Anfrage der APA, er könne inhaltlich nichts zu den Chats sagen, weil er deren Authentizität nicht prüfen könne. Er betonte aber, dass seine Handydaten „gestohlen“ worden seien. Das Mobiltelefon sei von einer Gruppe von Personen „widerrechtlich erlangt“ und weitergegeben worden. Es gebe dazu auch ein Verfahren, in dem er als Opfer einvernommen worden sei.

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. In der Wohnung eines BVT-IT-Technikers sollen Ermittler mehrere Handys gefunden haben, die teils hochrangigen Innenministeriums- und Kabinettsmitarbeitern gehört haben sollen.

Michael Kloibmüller
ORF.at/Roland Winkler
Kloibmüller (r.): Handydaten wurden „gestohlen“

Kloibmüllers Handys soll bei einem Kabinettsausflug nass geworden und dann dem Spezialisten zur Reparatur übergeben worden sein. Der Mann soll behauptet haben, nichts mehr retten zu können und das Telefon zu vernichten, stattdessen aber die Daten ausgelesen, weitergegeben und verkauft haben, berichtete die „Presse“ Anfang Dezember.

Pilz entgegnete in Ö1 zum Vorwurf, dass die Chats aus einer kriminellen Handlung stammten, es sei „nicht die Aufgabe eines Mediums, das zu beurteilen“. Man habe nicht nur „das Recht, sondern die Pflicht“, solche Informationen zu veröffentlichen. Auch beim „Ibiza-Video“ habe es „im Hintergrund und in der Vorgeschichte wahrscheinlich Straftaten gegeben“, so Pilz weiter.

Opposition: „Schwarze Netzwerke und Seilschaften“

SPÖ und FPÖ griffen die Veröffentlichung im Lichte des nahenden Untersuchungsausschusses zur ÖVP auf und übten heftige Kritik an der Regierungspartei. Die „Enthüllungen“ zeigten einmal mehr, „dass sich die Republik Österreich im Würgegriff schwarzer Netzwerke und Seilschaften befindet“, so FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker. „Die ÖVP ist das Korruptionsproblem der Republik.“ Es sei „undenkbar“, dass Sobotka den U-Ausschuss objektiv leiten könne, deshalb solle dieser den Vorsitz abgeben.

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer hielt die Chats „für erschütternd, aber leider nicht überraschend“. Auch er riet Sobotka, sich den Vorsitz noch einmal zu überlegen. „Das Problem der ÖVP mit Korruption wird immer offensichtlicher. Die ÖVP untergräbt damit den Rechtsstaat und beschädigt die Justiz. Das ist besorgniserregend“, kritisierte auch SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim.

„Die Volkspartei hat hier nicht nur ein bisschen gepackelt und Posten geschachert – was sich hier zeigt, ist nichts anderes als Korruption in der Justiz und im Innenministerium, um sicherzugehen, dass einem nichts passieren kann – egal, was man treibt“, befand NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper.

Verfassungsjurist fordert Konsequenzen

„Im Sinne der Gewaltenteilung muss die Justiz vor politischer Einflussnahme geschützt werden. Politischer Postenschacher und von der Politik abhängige Karrieren sind nichts anderes als ein Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit. Das muss endlich aufhören und im konkreten Fall Konsequenzen haben“, forderte auch Verfassungsjurist Heinz Mayer, Proponent des Antikorruptionsvolksbegehrens.

Hanger: „Ernennung durch Bundespräsidenten“

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger hielt fest, dass der Justizminister lediglich ein Vorschlagsrecht bei der Bestellung von Oberstaatsanwälten habe. „Die Ernennung von Staatsanwälten erfolgt in Österreich durch den Bundespräsidenten, und es wird sogar den Oppositionsparteien schwerfallen, hier eine ÖVP-Nähe zu konstruieren“, so Hanger.

Der ÖVP-Mandatar forderte im Zuge der aktuellen Diskussion erneut alle Beteiligten zu seriöser und objektiver Beurteilung auf. „Es kann nicht sein, dass Personen allein aufgrund ihres Bekenntnisses zu Werten der ÖVP automatisch aus allen Bewerbungsverfahren herausfallen. Es gibt viele hervorragende Persönlichkeiten, die sich eben auch zur ÖVP bekennen. Diese Personen haben das Recht, sich im öffentlichen Bereich um Aufgaben zu bewerben und dürfen von vornherein nicht benachteiligt werden.“