Athletinnen auf dem Podium
APA/AFP/Noel Celis
Peking

Nur Proteste im „olympischen Geist“ erlaubt

Peking erlaubt bei den Winterspielen nur Proteste, die „im Einklang mit dem olympischen Geist“ sind. Alle, die dem oder den chinesischen Gesetzen widersprechen, könnten bei den Winterspielen von Strafen bedroht sein. Die Spiele finden vom 4. bis 20. Februar statt.

„Jeder Protest, der im Einklang mit dem olympischen Geist ist, ist sicher geschützt“, sagte am Mittwoch Yang Shu, Chef der Abteilung für Internationale Beziehungen der Spiele, bei einem Onlinemedientermin. „Jedes Verhalten oder jede Aussage, die gegen den olympischen Geist, speziell gegen chinesische Gesetze und Vorschriften verstoßen, sind aber von Strafen bedroht.“ Als Folge drohe etwa der Entzug der Akkreditierung, meinte Yang.

Bisher wurden Verstöße gegen die Olympische Charta stets vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) behandelt. Regel 50 der Olympischen Charta besagt, dass „jegliche politische, religiöse oder rassistische Demonstration oder Propaganda“ zu unterlassen ist. Allerdings war die Regel im Vorjahr gelockert worden.

Meinungsfreiheit für Athleten beschränkt

Protest sei erlaubt, solange die olympischen Prinzipien eingehalten werden, er sich „nicht direkt oder indirekt gegen Menschen, Länder, Organisationen und/oder ihre Würde richtet“ und andere Sportler nicht in ihrer Vorbereitung gestört werden. Politische Meinungsäußerungen während Siegerehrungen, der Eröffnungs- oder Schlussfeier blieben aber weiter untersagt.

Yangs Aussagen erfolgten, nachdem am Dienstag Athleten in einem Seminar der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im Sinne ihrer eigenen Sicherheit gewarnt worden waren, sich während der Spiele zur Menschenrechtssituation in China zu äußern. Der Generaldirektor der Athletenvereinigung Global Athlete, Rob Koehler, forderte unterdessen das IOC dazu auf, deutlich zu kommunizieren, wie Athletinnen und Athleten geschützt werden sollen. Anfragen dazu seien in den vergangenen Tagen unbeantwortet geblieben. „Schweigen ist Komplizenschaft“, kritisierte Koehler.

In den Statuten des IOC sei davon die Rede, dass Meinungsäußerungen mit „geltendem Recht“ im Einklang stehen müssten – in China könnten kritische Worte aber schnell zu Straftaten werden. „Die chinesischen Gesetze sind sehr vage“, sagte Human-Rights-Watch-Forscherin Yaqiu Wang. So könnten etwa die Straftatbestände „Provokation von Unruhen“ sowie „Anstiftung zum Umsturz“ auf unliebsame Kritiker angewandt werden.

Die USA würden ihre Olympioniken aufgrund von Sicherheitsbedenken bereits gegen Fragen abschirmen, sagte der amerikanische Skilangläufer Noah Hoffman: „Das macht mich wütend. Ich habe Angst um ihre Sicherheit, wenn sie nach China gehen.“

USA verlangen UNO-Bericht zu Xinjiang

Berichte über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen – insbesondere in der westchinesischen Provinz Xinjiang – sorgen seit Langem für diplomatische Spannungen mit der Regierung in Peking. Unter anderem haben bereits die USA, Großbritannien und Japan einen diplomatischen Boykott der Spiele verkündet. Vonseiten Österreichs werden keine hochrangigen Politiker zu den Winterspielen nach Peking reisen, einen politischen Boykott gibt es aber nicht.

Derweil forderten die USA die UNO-Menschenrechtsbeauftragte Michelle Bachelet auf, vor Beginn der Spiele einen UNO-Bericht zur Lage in der chinesischen Region Xinjiang zu veröffentlichen. Der Bericht müsse noch vor dem Olympiastart am 4. Februar einsehbar sein, erklärte der von den Demokraten geführte Ausschuss zur Beobachtung der Menschenrechtslage in China mit.

Bachelet fordert von Peking seit Jahren einen „ungehinderten Zugang“ zur Region Xinjiang, bisher aber ohne Erfolg. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen verübt Peking in der westchinesischen Provinz Menschenrechtsverletzungen an der überwiegend muslimischen Minderheit der Uiguren. Unter anderem wird China beschuldigt, Hunderttausende Uiguren in Umerziehungslagern zu internieren und zur Zwangsarbeit einzusetzen.

Amnesty warnt vor „Sportswashing“

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete am Mittwoch die Menschenrechtslage in China als „weiterhin katastrophal“. Vor dem sportlichen Großereignis habe die Regierung in Peking Verbesserungen in Bezug auf Medienfreiheit und friedliche Demonstrationen versprochen. In vielen Bereichen habe sich die Lage jedoch gegenüber 2008, als Peking Austragungsort der Olympischen Sommerspiele war, deutlich verschlechtert.

Amnesty appellierte an Regierungsvertreter, in ihren Gesprächen mit den chinesischen Behörden den Menschenrechten oberste Priorität einzuräumen. „Die Olympischen Winterspiele in Peking dürfen nicht zum Sportswashing dienen“, warnte die Stellvertreterin des Generalsekretärs von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow. Mit dem Begriff „Sportswashing“ werden Bemühungen bezeichnet, den Ruf eines Landes durch die Organisation eines sportlichen Großereignisses zu verbessern.

Amnesty forderte die Freilassung von Inhaftierten, die „wegen der Wahrnehmung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit“ oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit in China hinter Gittern säßen. „Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird in China systematisch mit Füßen getreten“, erklärte Duchrow. Wenn Peking die Spiele als Aushängeschild nutzen wolle, dann müsse es all diejenigen aus der Haft entlassen, „die lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Menschenrechte strafverfolgt und inhaftiert sind“.