Quirinalpalast in Rom
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Präsidentenwahl

Italiens Rennen um Quirinal völlig offen

Mann oder Frau, Politiker oder Rocksängerin? Wer in Zukunft Italiens höchstes Amt bekleiden wird, ist ein spannendes Rennen. Verlässliche Vorhersagen sind so unmöglich wie die Kandidatenliste schillernd. Am Montag beginnt die Abstimmung hinter verschlossenen Türen. Nur für einen scheint der Lebenstraum, in den Quirinalspalast einzuziehen, endgültig geplatzt: Silvio Berlusconi.

Es könnte schnell gehen oder zur tagelangen Hängepartie verkommen: Ab Montag wählt ein 1.009 Köpfe starkes Gremium aus Abgeordneten und Vertreterinnen und Vertreter der Regionen Italiens neues Staatsoberhaupt. Denn Sergio Mattarella will nicht mehr, auch wenn seine Fans „Bis!“ (dt.: „Zugabe“) rufen, wenn er öffentlich auftritt. Der 80-Jährige lehnt eine zweite Amtszeit in Roms Quirinalspalast ab, auch wenn diese zweifellos die einfachste Lösung für alle Beteiligten wäre.

Daher muss das komplizierte Wahlprozedere seine Nachfolge regeln, und es ist völlig offen, wer sie antreten soll. Die Liste der teils prominenten Namen ist lang, ebenso die Liste der unterschiedlichen Interessen. Ein Favorit zeichnet sich nicht ab, ebenso wenig eine Favoritin. Offizielle Kandidatinnen und Kandidaten für die geheime Wahl gibt es nicht, die politischen Lager legen sich aber im Üblichen vorher fest, wen sie unterstützen. Eine Zweidrittelmehrheit der Versammlung ist erforderlich, um das neue Staatsoberhaupt zu wählen.

Vor Präsidentenwahl in Italien

In Italien wird ab Montag gewählt. Das Parlament wählt einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin. Amtsinhaber Sergio Mattarella tritt nicht mehr an. Einer, der es unbedingt werden wollte, warf schon vorher das Handtuch: Silvio Berlusconi.

Nach dem dritten Wahlgang genügt eine absolute Mehrheit – was nicht heißt, dass drei Wahlgänge ausreichen müssen. Im Jahr 1971 dauerte die Wahl Giovanni Leones etwa mehr als zwei Wochen. Leone wurde erst im 23. Durchgang zum Staatsoberhaupt gewählt. So könnte es auch dieses Mal mehrere Tage dauern, bis ein neuer Präsident oder eine Präsidentin gefunden ist.

Der Großvater im Dienst der Republik

Als aussichtsreicher Kandidat für Mattarellas Nachfolge gilt einer, der schon genug zu tun hätte: Ministerpräsident Mario Draghi. Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) hätte die größten Chancen, schon beim ersten Wahlgang gewählt zu werden. Sollte der 74-Jährige ins Präsidentenamt wechseln, müsste jedoch mitten in der Pandemie ein neuer Regierungschef bestimmt oder die Parlamentswahl um ein Jahr vorgezogen werden.

Silvio Berlusconi und Mario Draghi im Jahr 2008
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Berlusconi und Draghi: Für einen ist das Rennen gelaufen, für den anderen offen (Bild von 2008)

Das wollen die Parteien nicht, denn es erscheint durchaus schwierig einen Nachfolger als Regierungschef zu finden, der wie Draghi imstande wäre, eine so heterogene Mehrparteienkoalition zusammenzuhalten. Draghi selbst zierte sich zu sagen, ob er das Amt anstrebt oder nicht. Er sei nur „ein Großvater in Diensten der Institutionen“, so Draghi. Laut „La Repubblica“ ist er aber bereit für den Quirinal. Er sei schon auf der Suche nach einem Nachfolger, der sein Regierungsprogramm fortsetzen könne.

In der italienischen Presse kursieren seit Wochen auch zahlreiche weitere Namen als mögliche Kandidaten. Zu ihnen zählen der derzeitige EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni, der ehemalige christdemokratische Präsident des Abgeordnetenhauses, Pier Ferdinando Casini, sowie der 82-jährige Giuliano Amato, ein überzeugter Europäer und Mitverfasser der Europäischen Verfassung, der bereits als Regierungschef im Amt war.

Zeit für La Presidentessa?

Viele Italienerinnen und Italiener wollen aber jetzt eine Präsidentin. Dafür hatten sich auch Intellektuelle, Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in einer Petition ausgesprochen. Marta Cartabia etwa gilt als aussichtsreich: Der parteiunabhängigen Justizministerin und früheren Präsidentin des Verfassungsgerichts werden Chancen eingeräumt, als erste Frau in das höchste Amt der italienischen Republik aufzurücken. Die 58-jährige Mailänderin war Professorin für Verfassungsrecht an der Mailänder Universität Bicocca und hat an verschiedenen Universitäten in Italien und im Ausland gelehrt. Im Sommer 2019, kurz vor dem Amtsantritt der zweiten Regierung unter Giuseppe Conte, war Cartabia auch als mögliche Regierungschefin im Gespräch.

Auch Maria Elisabetta Alberti Casellati wird genannt, die 75-jährige Senatspräsidentin aus den Reihen der Berlusconi-Partei Forza Italia wurde 2018 zur ersten Senatspräsidentin gewählt.

Die italienische Justizministern Marta Cartabia
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Justizministerin Marta Cartabia werden schon länger Chancen auf die Präsidentschaft zugeschrieben

Sich selbst ins Spiel gebracht hat sich die Italo-Rockerin Gianna Nannini. Die Sängerin („Bello e impossibile“) postete ihre Kandidatur kürzlich auf Instagram. „Ich ergreife die Gelegenheit und kandidiere offiziell für das Amt des Präsidenten der italienischen Republik“, so Nannini in dem Video, das sie im Auto aufnahm. Anwärterinnen und Anwärter auf die Präsidentschaft Italiens müssen zuvor nicht politisch aktiv gewesen sein.

Nicht minder schillernd ist freilich noch immer der Name Berlusconi. Der 85-jährige Ex-Premier und Medienzar strebte lange Zeit das höchste Amt im Staat an, er soll einst sogar seiner inzwischen verstorbenen Mutter versprochen haben, dereinst Staatspräsident zu werden.

Daraus wird nun nichts: All seine Bemühungen in den vergangenen Wochen, das Amt zu erreichen, waren umsonst. Bis zuletzt hatte Berlusconi versucht, genug Wahlleute von sich zu überzeugen – offenkundig erfolglos. Am Samstag schied er aus dem Rennen: „Ich habe entschieden, einen anderen Pfad einzuschlagen auf dem Weg der nationalen Verantwortung und bitte darum, darauf zu verzichten, meinen Namen als Präsident der Republik vorzuschlagen“, teilte Berlusconi mit. „Ich werde meinem Land auf andere Art dienen.“

Skandale und Gesundheitsprobleme

Die Absage dürfte Berlusconi aus dem Spital heraus formuliert haben. Seit Donnerstag soll er sich wieder in medizinischer Behandlung befinden. In den vergangenen Jahren kämpfte Berlusconi wiederholt mit gesundheitlichen Problemen. 2016 unterzog er sich einer Herzoperation, auch eine Krebserkrankung und eine CoV-Infektion überwand er.

In seiner Erklärung behauptete Berlusconi, auf die Kandidatur zu verzichten, obwohl er sich die nötige Stimmenanzahl gesichert habe. Fachleute gingen hingegen davon aus, dass Berlusconi noch bis zu 100 Wahlleute gefehlt hätten. Hinzu kommt, dass Berlusconi rechtskräftig wegen Steuerbetrugs verurteilt und noch immer in Prozesse verwickelt ist, die mit seinen früheren „Bunga Bunga“-Partys zu tun haben.

Suche nach Stabilität

Für viele wäre Berlusconi als Präsident ohnehin schlicht undenkbar. Als Staatsoberhaupt müsste er als eine Art Schiedsrichter fungieren – eine Rolle, die besonders in Krisenzeiten wichtig ist. Die stärkste Einzelpartei im Parlament, die Fünf-Sterne-Bewegung, macht sich daher für den Verbleib Mattarellas im Amt stark. In einem Aufruf plädierte sie für eine zweite Amtszeit, um Chaos zu verhindern. Angesichts der Pandemie sei politische Stabilität notwendig, so die Fünf Sterne.

Die einzige Lösung für Stabilität sei, Draghi als Premier und Mattarella als Präsident im Amt zu belassen. Mattarella hat aber längst abgewunken. Er könnte sich am Ende aber doch in sein Schicksal fügen – ein Schicksal, das er mit seinem Vorgänger teilt: Giorgio Napolitano hatte 2013 als bisher einziger italienischer Präsident eingewilligt, über die siebenjährige Amtszeit hinaus im Amt zu bleiben. Die Abgeordneten und Regionalvertreter hatten sich einfach nicht auf die Nachfolge einigen können.