NATO-Soldaten in Osteueuropa
AP/Roman Koksarov
Ukraine-Krise

NATO verstärkt Präsenz in Osteuropa

Die NATO-Mitgliedsstaaten wollen angesichts der Spannungen zwischen der Ukraine und Russland ihre Militärpräsenz in Osteuropa stärken. Die Truppen der NATO-Staaten würden in Bereitschaft versetzt, und man entsende weitere Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in den Osten, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag.

„Die NATO wird alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um unsere Verbündeten zu schützen und zu verteidigen. Das schließt auch die Verstärkung des östlichen Teils unserer Allianz mit ein“, sagte Stoltenberg. Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied, aber mehrere ihrer westlichen Nachbarländer sind es.

Einem Bericht der „New York Times“ zufolge hat auch US-Präsident Joe Biden erwogen, die Präsenz von US-Truppen in den osteuropäischen NATO-Staaten zu erhöhen. Russland reagierte mit einer Warnung: Man werde „angemessen reagieren“, sagte Andrej Kartapolow, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im russischen Parlament.

EU will Diplomaten nicht aus Ukraine abziehen

Die EU wird Familienangehörige von Diplomatinnen und Diplomaten in der Ukraine nicht anweisen, aus der Ukraine auszureisen. Dazu gebe es derzeit keinen konkreten Anlass, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor dem Treffen der Außenministerinnen und Außenminister der Union.

US-Anordnung sorgt für Nervosität

Das US-Außenministerium hat unterdessen Familienangehörige von US-Botschaftspersonal in Kiew zum Verlassen des Landes aufgefordert. Auch Großbritannien will seine diplomatische Präsenz in der Ukraine reduzieren. Die US-Ankündigung sorgte für Nervosität. Die ukrainische Regierung sprach am Montag von „übertriebener Vorsicht“ Washingtons.

Die Sicherheitslage habe sich „nicht grundlegend verändert“, hieß es aus Kiew. Die Bedrohung durch Russland sei bereits seit 2014 konstant, russische Truppen nahe der Staatsgrenze seien bereits im April 2021 aufmarschiert.

US-Botschaft in Kiew
Reuters/Gleb Garanich
Die USA reduzieren die Präsenz in ihrer Botschaft in Kiew

Brüssel sieht anders als die USA momentan keinen Grund, diplomatisches Personal zur Ausreise aus der Ukraine aufzufordern. „Ich glaube nicht, dass wir dramatisieren müssen“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Rande des Treffens der EU-Außenministerinnen und -Außenminister. Solange noch Verhandlungen mit Russland liefen, glaube er nicht, dass man die Ukraine verlassen müsse. Allerdings räumte Borrell ein, dass sich die Einschätzung der Lage ändern könne.

Schallenberg: „Drohkulisse leider sehr real“

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) warnte indes vor einer weiteren Eskalation. „Die Drohkulisse ist leider sehr real und in einer Art und Weise sehr erschreckend“, sagte Schallenberg zu Ö1. Pläne, Botschaftspersonal aus Kiew abzuziehen, gebe es, momentan sei es aber wichtig, „unsere Augen und Ohren genau jetzt in dieser Phase so stark präsent zu haben wie möglich“. Falls sich die Gefahrensituation ändern sollte, werde man „natürlich die entsprechenden Schritte in Gange“ setzen, so Schallenberg.

Derzeit liegen in Brüssel neue Wirtschaftssanktionen auf dem Tisch. Schallenberg zeigte sich überzeugt, dass es auch Strafmaßnahmen gegen Russland geben könnte, ohne dass die Energiesicherheit Europas gefährdet wäre. Eine „gewisse Abhängigkeit“ sei aber da, räumte der Außenminister ein. „Fakt ist einfach, dass 40 Prozent des Gases aus Russland kommt.“

„Alles am Tisch“ bei Sanktionen

„Was Finanzsanktionen und Warenverkehr betrifft, liegt alles am Tisch“, sagte der Außenminister zu möglichen Sanktionen. Er warnte davor, sich grundsätzlich bei Strafmaßnahmen auf einzelne Stichworte wie die Gaspipeline „Nord Stream 2“ oder das Finanzsystem SWIFT festzulegen. Er sei der Meinung, dass etwas, das noch nicht im Betrieb und genehmigt sei, ein „nicht nennenswerter Teil einer Drohkulisse“ gegen Moskau sei.

Man werde sich „je nach Abstufung“ der Aggression seitens Russlands entsprechende Maßnahmen überlegen, betonte Schallenberg. „Es ist aber sicher nicht so, dass wir nur reagieren, wenn Panzer die Grenze überschreiten, das muss auch Moskau klar sein.“

Nehammer sichert Unterstützung zu

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sicherte dem ukrainischen Premier Denys Schmyhal indes in einem Telefonat die Unterstützung Österreichs zu. Österreich sei ein „Freund und Partner“ der Ukraine. „Die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine darf von Russland keinesfalls verletzt werden. Sollte es trotzdem dazu kommen, so wird es eine klare europäische Antwort geben“, so Nehammer.

EU will Hilfe aufstocken

Vor dem Hintergrund der Spannungen mit Russland will die EU-Kommission der Ukraine kurzfristig weitere Milliardenhilfen bereitstellen. „Wie immer steht die EU der Ukraine in dieser schwierigen Situation bei“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag in Brüssel. Sie schlug unter anderem ein Nothilfekreditpaket in Höhe von 1,2 Milliarden Euro vor. Man zähle darauf, dass der Rat der EU-Staaten und das Europaparlament so bald wie möglich grünes Licht dafür geben.

Von der Leyen zufolge wird die EU-Kommission zudem bald an langfristigerer Hilfe für die Modernisierung der Ukraine arbeiten. Auch wolle die Behörde die Summe an Zuschüssen für das Land in diesem Jahr um 120 Millionen Euro erhöhen und damit fast verdoppeln. Insgesamt hätten die EU und ihre Finanzinstitutionen dem Land seit 2014 mehr als 17 Milliarden Euro in Krediten und Zuschüssen zur Verfügung gestellt. Von der Leyen bekräftigte, dass die Ukraine ein freies und souveränes Land sei, das seine eigenen Entscheidungen treffe.