Der südkoreanische Präsident Moon Jae-in warf der politisch isolierten Führung in Pjöngjang vor, neue Spannungen auf der koreanischen Halbinsel zu schüren. UNO-Resolutionen verbieten der selbst erklärten Atommacht Nordkorea die Erprobung von ballistischen Raketen. Dabei handelt es sich in aller Regel um Boden-Boden-Raketen, die auch einen nuklearen Sprengkopf tragen können.
Nordkorea sei einen Schritt näher zum vollständigen Bruch seines selbst auferlegten Teststopps für Langstreckenraketen gekommen, wurde Moon von seinem Büro zitiert. Die Reihe von sieben Raketentests allein in diesem Monat erinnere an die erhöhten Spannungen von 2017, sagte Moon bei einer Dringlichkeitssitzung des Nationalen Sicherheitsrates in Seoul. Damals hatte Nordkorea neben Tests von Langstreckenraketen auch seinen sechsten und bisher stärksten Atomversuch unternommen.
Fachleute sehen Zeichen an die USA
Nach Ansicht von Fachleuten dienen die bisherigen Raketentests durch Nordkorea in diesem Jahr nicht nur der Weiterentwicklung der Raketentechnik. Pjöngjang will demnach auch Stärke nach innen und außen demonstrieren und womöglich versuchen, Washington zu konkreten Vorschlägen für Verhandlungen zu bewegen.

Die Verhandlungen der beiden Länder über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm kommen seit gut drei Jahren nicht mehr voran. Nach zuletzt neuen Sanktionen der USA gegen sein Land hatte der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un in diesem Monat angedeutet, wieder Interkontinentalraketen und Atombomben testen zu können.
„Die USA verurteilen diese Aktionen und rufen die Volksrepublik (Nordkorea) dazu auf, von weiteren destabilisierenden Handlungen Abstand zu nehmen“, hieß es in einer Erklärung des Indo-Pazifischen-Kommandos der USA zum jüngsten Raketentest. Dabei habe keine unmittelbare Bedrohung für US-Territorium bestanden.
800 Kilometer in Richtung offenes Meer geflogen
Südkoreas Militär teilte mit, bei seinem jüngsten Waffentest habe Nordkorea Sonntagfrüh (Ortszeit) eine Mittelstreckenrakete von der nördlichen Region Chagang an der Grenze zu China abgeschossen. Sie sei etwa 800 Kilometer in Richtung offenes Meer geflogen und habe eine Flughöhe von 2.000 Kilometern erreicht. Sie sei offensichtlich von einem steilen Winkel abgefeuert worden, wodurch sich die Flugdistanz verkürzt habe. Als Mittelstreckenraketen gelten Raketen mit einer Reichweite von 800 bis 5.500 Kilometern.
Der Flugkörper sei nach einem etwa 30-minütigen Flug ins Japanische Meer (koreanisch: Ostmeer) gestürzt, zitierte die japanische Nachrichtenagentur Kyodo Regierungssprecher Hirokazu Matsuno. Tokio habe gegen den Test Protest eingelegt.

Mit den verstärkten Raketentests wolle Nordkorea dem Westen seine Kampfbereitschaft demonstrieren, sagte der Experte Leif Easley von der Ewha-Universität: „Es will Washington und Seoul daran erinnern, dass es einen zu hohen Preis kosten würde, einen Umsturz in Pjöngjang zu versuchen.“ Gleichzeitig bereitet sich Nordkorea derzeit auf die Feiern zum 80. Geburtstag des verstorbenen Staatschefs Kim Jong-il im Februar und den 110. Geburtstag des Republikgründers Kim Il-sung im April vor.
Auch Marschflugkörper und Hyperschallwaffen erprobt
Vor dem jüngsten Test hatte Nordkorea in diesem Monat nach eigenen Angaben neben Raketen von einem Zug aus auch Marschflugkörper und Hyperschallwaffen erprobt. Im Gegensatz zu ballistischen Raketen verfügen Marschflugkörper über einen permanenten eigenen Antrieb. Hyperschallgleiter können von einer ballistischen Rakete gestartet werden. Hyperschallraketen können wegen ihrer hohen Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit nur schwer abgefangen werden.
Die Führung in Pjöngjang treibt seit Jahren vor allem die Entwicklung von Raketen voran, die mit Atomsprengköpfen ausgerüstet werden könnten. Es ist deswegen harten internationalen Sanktionen unterworfen. Nach eigenen Angaben verfügt das Land auch über Raketen, die US-Festland erreichen. Angesichts der Kritik an seinen Raketentests beansprucht Nordkorea für sich, damit unter anderem sein Recht auf Selbstverteidigung auszuüben. Das Land hat sich selbst zur Atommacht erklärt. Sein Status gilt aber wegen der Verhandlungen mit den USA international als unklar.