Leere Strand Road Yangon
AP
Myanmar

Stiller Protest zum Jahrestag des Putsches

Vor einem Jahr haben die Generäle in Myanmar gegen die Regierung der faktischen Machthaberin Aung Suu Kyi geputscht. Trotz Warnungen der Junta protestierten zahlreiche Menschen am Dienstag gegen die Unterdrückung des Volkes durch die Junta. In einigen Städten gab es zum Jahrestag kleinere Demonstrationen, wie lokale Medien berichteten. Viele reagierten mit einem „stillen Streik“ auf die Machthaber.

Hatten in den ersten Wochen nach dem Putsch im Februar vergangenen Jahres noch Großkundgebungen aus Protest gegen das Militär stattgefunden, waren es nun nur kleinere Proteste, bei denen die Menschen mit Slogans und Plakaten Freiheit und Demokratie forderten. Die Angst vor Repressionen des Militärs ist groß. Viele blieben daher aus Protest der Arbeit fern, ohne auch auf die Straße zu gehen. Geschäfte blieben geschlossen, Straßen auch in der größten Stadt Yangon blieben zum Teil verwaist.

Aber auch diese Form des Protests war mit Angst verbunden. Denn die Junta hatte erst vor wenigen Tagen angekündigt, selbst diejenigen festzunehmen, die sich an dem „stillen Streik“ beteiligen. Teilnehmer von offenen Protesten und jene, die „Propaganda“ verbreiten, können auf Grundlage der Anti-Terror-Gesetzgebung vor Gericht gestellt werden. „Wir könnten verhaftet werden und unser Leben im Gefängnis verbringen, wenn wir Glück haben. Wenn wir Pech haben, werden wir gefoltert und getötet“, sagte die Jugendaktivistin Nan Lin gegenüber Reuters.

Leerer Fleisch- und Fischmarkt in Botahtaung
AP
Dieser Fleisch- und Fischmarkt in Botahtaung blieb am Dienstag aus Protest leer

Dutzende Personen im Vorfeld verhaftet

Schon in den vergangenen Tagen versuchten die Militärbehörden alles zu unternehmen, um die Proteste zu verhindern. 70 Personen wurden seit dem Wochenende verhaftet, die in sozialen Netzwerken für den stillen Streik geworben hatten, berichtete die staatliche Zeitung „Myanmar Alin“.

Geschäftsinhabern wurde gedroht, dass ihr Eigentum beschlagnahmt werden könnte, wenn sie sich an dem Streik beteiligen. Dennoch wurden aus einigen Städten in sozialen Netzwerken Fotos von menschenleeren Straßen gezeigt. An einigen Orten wurden auch Pro-Militär-Kundgebungen abgehalten.

„Stiller Streik“ in Myanmar

Am ersten Jahrestag des Militärputsches in Myanmar haben zahlreiche Bewohner der größten Stadt Yangon an einem „stillen Streik“ teilgenommen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer blieben zu Hause, statt zur Arbeit zu gehen. Märkte und Geschäfte blieben geschlossen, die Straßen waren teilweise verwaist. Die Militärführung drohte damit, Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses „stillen Streiks“ festzunehmen.

Ermittlungen zu „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“

Die Machtübernahme durch die Junta hat das Land stark getroffen. UNO-Ermittler untersuchen, ob die nach ihren Angaben mehr als 1.000 Tötungen durch die Einsatzkräfte als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ oder „Kriegsverbrechen“ eingestuft werden, hieß es am Dienstag vom Chefermittler des Unabhängigen Untersuchungsmechanismus für Myanmar (IIMM), Nicholas Koumjian.

Gegen die Militärs gebe es unter anderem glaubhafte Vorwürfe willkürlicher Festnahmen, Folter und sexueller Gewalt. Auch seien wohl Zivilisten in der Haft ermordet worden. Der IIMM bemühe sich darum, die Vorwürfe zu verifizieren und zu dokumentieren, damit die Verantwortlichen eines Tages zur Rechenschaft gezogen werden könnten, so Koumjian.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres forderte die Junta auf, einen besseren Zugang zu humanitärer Hilfe zu ermöglichen. Die Junta will sich dem internationalen Druck nicht beugen – trotz eines Rückzugs von Unternehmen aus Myanmar. Sie warf den Vereinten Nationen Voreingenommenheit und Einmischung vor.

General Min Aung Hlaing
Reuters
Die Militärjunta unter Min Aung Hlaing führt das Land mit Drohungen und Gewalt

Nach Angaben der Gefangenenhilfsorganisation Assistance Association of Political Prisoners (AAPP) wurden sogar mehr als 1.500 Menschen seit dem Putsch getötet und fast 12.000 festgenommen. Hunderttausende leben als Vertriebene im eigenen Land, viele weitere sind in Nachbarländer wie Thailand und Indien geflohen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach am Dienstag von einer „humanitären Katastrophe“. Nach wie vor gebe es seitens des Militärs „wahllose Luftangriffe“, bei denen Zivilisten und Zivilistinnen getötet würden. Zudem blockiere die Junta die Vergabe lebensrettender Hilfsgüter.

Junta will bis August 2023 wählen lassen

Die Generäle begründeten den Umsturz mit angeblichem Wahlbetrug bei der Parlamentswahl im November 2020, die Suu Kyi klar gewonnen hatte – Beweise dafür legten sie nicht vor. Unabhängige Wahlbeobachter bezeichneten die Wahl als weitgehend frei und fair. Die Militärjunta stellte die Friedensnobelpreisträgerin dennoch unter Hausarrest und regierte hart. Gegen die 76-Jährige laufen zahlreiche Gerichtsverfahren, inzwischen wurde sie bereits zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Aung San Suu Kyi
APA/AFP
Suu Kyi wurde in mehreren Verfahren zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt

Sie wurde etwa der angeblichen illegalen Einfuhr von Funkgeräten, Verstößen gegen die CoV-Regeln und der Aufstachelung gegen das Militär beschuldigt. Erst am Montag wurde sie offiziell der angeblichen Wahlmanipulation bezichtigt. Sie soll wegen der Beeinflussung von Mitgliedern der Wahlkommission nach der Parlamentswahl 2020 vor Gericht gestellt werden. Ähnliche Vorwürfe wurden auch gegen den Suu-Kyi-Vertrauten und früheren Präsidenten Win Myint erhoben.

Die Junta kündigte Wahlen bis spätestens August 2023 an – sollte die Ordnung im Land bis dahin wiederhergestellt sein. Derzeit gibt es aber heftige Kämpfe zwischen dem Militär und Widerstandsgruppen, die sich nach der harten Reaktion auf die Proteste gebildet hatten. Eine baldige Normalisierung scheint nicht in Sicht. Militärherrscher Min Aung Hlaing verlängerte am Montag den Ausnahmezustand um weitere sechs Monate, angesichts der Bedrohung durch „interne und externe Saboteure“.

USA verhängen Sanktionen, EU nicht

Die USA verhängten zum Jahrestag des Putsches neue Sanktionen gegen Angehörige der Justiz und Unterstützer der Militärführung. Betroffen seien sieben Personen und zwei Einrichtungen, so das US-Finanzministerium am Montag. Darunter seien zwei hochrangige Mitglieder des Justizsystems, die die Strafverfolgung gegen Suu Kyi und andere vorangetrieben hätten.

Mögliches Vermögen der Betroffenen in den USA wird eingefroren, Geschäfte mit ihnen sind für US-Bürger verboten. US-Präsident Joe Biden sprach von „unsäglicher Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, darunter auch Kinder“. Er forderte die Freilassung aller, die zu Unrecht inhaftiert sind.

Auch die britische Regierung, die sich nach eigenen Angaben mit den USA und Kanada abgestimmt hat, kündigte zum Jahrestag neue Sanktionen gegen drei Angehörige der Militärführung an. Dazu gehören neben dem Einfrieren von möglichen Vermögen auch Reisesperren. Die EU berichtete in einer Mitteilung von „Armut, Nahrungsmittelknappheit, Vertreibung und Gewalt“ im Zuge des Putsches. Neue Sanktionen kündigte die EU aber nicht an.