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US-Tech-Giganten

Anti-China-Politik als großer Vorwand

Google, Facebook bzw. der Meta-Konzern, Amazon und Apple verstärken via Thinktanks ihre Mobilisierung gegen China in Washington. Die Anti-China-Politik ist für Google & Co. allerdings ein großer patriotischer Vorwand, um in den USA aktiv gegen Anti-Trust-Gesetze und sonstige unliebsame Regulierungsversuche und Untersuchungen der Tech-Branche ins Feld zu ziehen. Und mit der Anti-China-Politik weiß man sich in Washington mit Demokraten und Republikanern gleichermaßen gut zu stellen.

Nicht dass die Tech-Giganten abseits ihrer geschäftlichen Interessen bereits offiziell groß in die US-Außenpolitik einsteigen wollen. Die Anti-China-Politik zeichnet (noch) ein anderes Bild, wie ein Bericht der „Financial Times“ zeigt. Lobbyiert wird in eigener Sache bereits seit geraumer Zeit. Doch die Klaviatur ist breiter geworden und wird nun derzeit auch auf der innenpolitischen Seite der großen Themen der US-Außenpolitik gespielt: die nationale Sicherheit und die Bedrohung durch China.

Das seien zwei der äußerst wenigen Themen, bei denen zwischen Demokraten und Republikanern noch einigermaßen ein politischer Konsens herrsche, so die „Financial Times“ über das strategische Vorgehen von Google, Facebook, Amazon und Apple.

Das Hauptquartier von Apple in Cupertino
Reuters/Carlos Barria
Eine Luftaufnahme des Apple-Hauptquartiers in Cupertino in Kalifornien

Thinktanks als Einflüsterer

Die weltweit größten Technologieunternehmen stecken immer mehr Geld in die größten US-Thinktanks, die sich mit Außenpolitik beschäftigen. Damit versuchen sie, das Argument bei US-Politikern und -Politikerinnen zu etablieren bzw. zu verstärken, dass strengere Wettbewerbsregeln und etwa auch Kartellbeschränkungen nur China nutzen und stärken würde und nicht etwa US-Bürgerinnen und -Bürgern zugutekäme.

Die vier US-Tech-Giganten haben sich auch vier von Washingtons prestigeträchtigsten Thinktanks für ihre im Laufe der Jahre steigenden Spenden ausgesucht, wie die „Financial Times“ weiter schreibt: das Center for Strategic and International Studies (CSIS), das Center for a New American Security (CNAS), das Brookings Institute und das Hudson Institute.

Das U.S. Kapitol im Winter
AP/Jose Luis Magana
Der US-Kongress – hier wird über Gesetze abgestimmt und hier wollen Lobbyisten besonders ihren Einfluss geltend machen

Öl- und Gas- und Waffenindustrie

So stiegen laut „FT“ die Zuwendungen der vier Konzerne für die vier Thinktanks von rund 625.000 Dollar (555.000 Euro) in 2017/18 auf rund 2,7 Millionen (2,4 Mio. Euro) 2019/20. Zahlen für 2020/21 liegen laut „FT“ noch nicht umfassend vor. Die „FT“ geht jedoch davon aus, dass die Tendenz weiter steigend ist. Die Summen sind für Google und Co. nicht gerade groß, bedenkt man, dass es sich um milliardenschwere Konzerne handelt. Neben der Öl- und Gasindustrie mausert sich derweil die Tech-Industrie zu einem der wichtigsten Finanziers der Denkfabriken. Das laut Eigenangaben unabhängige CSIS etwa soll laut „New York Times“ auch Lobbying für die Waffenindustrie betrieben haben.

Insgesamt stiegen die Zahlungen für Lobbying bei den Technologiekonzernen. So stiegen laut der NGO OpenSecret zwischen 2016 und 2021 die Lobbyingausgaben von rund 60 Millionen Dollar auf 92 Millionen Dollar, so die öffentlich zugänglichen Zahlen. Die Dunkelziffer könnte aber noch höher liegen.

Demonstranten vor dem Weißen Haus
APA/AFP/Alastair Pike
Antichinesische Proteste wegen der chinesischen Hongkong-Politik vor dem Weißen Haus im Jahr 2019

Debatte über Beschneidung von Marktmacht

Über Jahre hinweg bauten Google, Facebook, Apple, Amazon und Co. ihr Lobbyingsystem in Washington aus, um jedweder Regulierungstendenz gleich etwas entgegensetzen zu können, von Datenschutz, Privatsphäre bis hin zu geforderten Moderationen in Sozialen Netzwerken. Ähnliche Lobbyinganstrengungen gibt es etwa auch in der EU, in Brüssel. Der Versuch, auf die wichtigsten US-Außenpolitiker und -politikerinnen beider Parteien in Washington Einfluss zu nehmen, kommt zu einer Zeit, in der heftig diskutiert wird, die Marktmacht der großen Technologiekonzerne zu beschneiden. Die Botschaft von Facebook, Amazon, Apple und Google in Washington: Mit der Regulierung in den USA steige das Risiko, dass die chinesischen Pendants immer mächtiger werden.

Mit diesen Argumenten wurde etwa erst kürzlich versucht, ein neues Gesetz, das Onlineagenden regulieren soll und vom zuständigen Senatskomitees auch abgesegnet wurde, zum Kippen zu bringen – noch ohne Erfolg. Das Gesetz würde die Praxis beenden, dass etwa Amazon seine eigenen Produkte auf seiner Verkaufsplattform bevorzugen darf.

Leon Panetta bei einer Rede
AP/CQ Roll Call/Bill Clark
Der ehemalige US-Verteidigungsminister Leon Panetta (hier auf einem Bild von 2016) setzt sich gegen die Regulierung von Tech-Giganten ein

Ex-Politiker als lautstarke Verteidigung

Laut „FT“ wurden unlängst einige Experten und Expertinnen, die mit den „Denkfabriken“ in Verbindung stehen, zu lautstarken Verteidigern und Verteidigerinnen der Tech-Giganten, darunter zwölf ehemalige hohe Beamte im Bereich der nationalen Sicherheit. Sie schrieben im September laut „FT“ einen Brief und forderten den Kongress auf, die Arbeit an verschärften Kartellgesetzen einzustellen.

Darunter fanden sich etwa der ehemalige Direktor der nationalen Nachrichtendienste, Daniel Coats, der sein Amt unter US-Präsident Donald Trump innehatte, sowie der ehemalige Stabschef im Weißen Haus, Ex-CIA-Direktor und Ex-Verteidigungsminister Leon Panetta, der auch unter den demokratischen US-Präsidenten Bill Clinton und Barack Obama diente.

Gleiches Vokabular soll helfen

Die ehemaligen Spitzenbeamten und Regierungsmitglieder argumentierten, dass durch derartige Gesetze chinesische Technologiekonzerne wie etwa Huawei und Tencent „in eine bessere Position für eine globale Vormachtstellung“ gebracht würden. Der Brief verwendet ein sehr ähnliches Vokabular wie ein fast gleichzeitig veröffentlichtes Paper des US-Verbandes der Computer- und Kommunikationsindustrie. Auch diese Stellungnahme warnte vor den Risiken einer strengen Regulierung.

Auch bei privaten Treffen zwischen Mitarbeitern der Regierung von US-Präsident Joe Biden und Lobbyisten sollen laut „FT“ dieselben Argumente gebraucht worden sein. Die Tech-Industrie werfe einfach argumentative Spaghetti an die Wand und schaue, welche kleben blieben, so ein nicht namentlich genannter Demokrat zur „FT“. Derzeit glaube man, dass man mit den Argumenten der nationalen Sicherheit am meisten erreichen könne.

„Gegenleistungen“ werden erwartet

Bei einem Rundruf der „FT“ an die entsprechenden Thinktanks gaben diese an, in ihren Forschungsarbeiten und Studien bzw. bei öffentlichen Äußerungen nicht durch die Spenden der Tech-Industrie beeinflusst zu sein. Bruce Freed, Chef und Gründer des in Washington beheimateten Center for Political Accountability (Zentrum für politische Rechenschaftspflicht) sieht das allerdings anders.

Thinktanks zu gründen sei ein großartiger Weg, um Experten zu beeinflussen, und helfe, die politische Kommunikation in die Richtung zu drängen, die einem dann selbst helfe, so Freed, der sich für strengere Regulierungen ausspricht. Das sei jetzt kein klassisches Lobbying, die Firmen versuchten die politische Kommunikation und damit das politische Klima zu beeinflussen. Und wenn diese Konzerne spendeten, dann „erwarten sie auch Gegenleistungen“.