Der Regierungschef von Nordirland, Paul Givan
APA/AFP/Paul Faith
Nordirland

Regierungschef will zurücktreten

Aus Protest gegen vereinbarte Brexit-Regeln für Nordirland will der Regierungschef der britischen Provinz Medien zufolge zurücktreten. Noch am Donnerstag wolle Paul Givan von der unionistischen Partei DUP sein Amt zur Verfügung stellen, berichteten die BBC, die Zeitung „Belfast Telegraph“ und die Nachrichtenagentur PA übereinstimmend.

Das würde bedeuten, dass auch die gleichberechtigte Vizeregierungschefin Michelle O’Neill von der republikanischen Partei Sinn Fein zurücktreten müsste. Die fragile Einheitsregierung aus DUP und Sinn Fein wäre damit wenige Monate vor der Regionalwahl so gut wie am Ende.

Der Streit über das Nordirland-Protokoll, das die britische Regierung im Zuge des Brexits mit der EU ausgehandelt hatte, war Mittwochabend eskaliert. Der nordirische Agrarminister Edwin Poots von der DUP kündigte im Alleingang an, die mit der EU vereinbarten Zollkontrollen auf britische Importe zu stoppen.

Grenze zu Nordirland
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Die irische Grenze zu Nordirland

DUP-Chef droht seit Monaten

Die britische Regierung stellte sich hinter den Schritt. Die EU-Kommission, Sinn Fein und das benachbarte EU-Mitglied Irland kritisierten die Ankündigung hingegen scharf als gesetzwidrig. Regierungschef Givan war erst im Juni nach einem heftigen Machtkampf innerhalb der DUP ins Amt gelangt. Parteichef Jeffrey Donaldson droht seit Monaten damit, seine Minister aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll aus der Einheitsregierung abzuziehen.

Das Dokument sieht vor, dass die britische Provinz weiterhin den Regeln des EU-Binnenmarkts und der Zollunion folgt. Damit wird eine harte Grenze zu Irland vermieden, durch die es zu neuen Spannungen im früheren Bürgerkriegsgebiet käme. Allerdings ist dadurch eine innerbritische Zollgrenze entstanden. Die britische Regierung, die das Protokoll selbst ausgehandelt hat, sowie die DUP wollen die Regelung deshalb über den Haufen werfen.

Die irische EU-Kommissarin Mairead McGuinness
Reuters/Yves Herman
Die irische EU-Kommissarin Mairead McGuinness

EU-Kommission: Klarer Bruch von internationalem Recht

Das angekündigte Ende von Brexit-Kontrollen für britische Importe in Nordirland sorgt bei der EU-Kommission für Empörung. „Das ist ein klarer Bruch von internationalem Recht“, sagte die irische EU-Kommissarin Mairead McGuinness am Donnerstag dem irischen Sender RTE. „Diese Ankündigung hat für Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit und keinesfalls für Stabilität gesorgt, deshalb verstehe ich den Sinn dieses Schritts nicht“, sagte McGuinness.

„Diese Nachricht zu einem Zeitpunkt, wenn wir auf unserer Seite alle möglichen Anstrengungen unternehmen, ist überhaupt nicht hilfreich“, sagte EU-Finanzkommissarin McGuinness. „Wir arbeiten unermüdlich daran, mit dem Vereinigten Königreich gemeinsam Lösungen für konkrete Probleme zu finden, und haben schon sehr konkrete Details vorgelegt.“ Die EU-Kommission rief die britische Regierung auf, die eingegangenen internationalen Verpflichtungen einzuhalten.

Auch die Vorsitzende des Binnenmarkausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini, sagte: „Die britische Regierung muss reagieren und kann das nicht durchgehen lassen.“ Sollte sie das nicht machen, müsse das Konsequenzen haben. Das Vorgehen stelle die Integrität des EU-Binnenmarktes infrage. Zudem sagte die Grünen-Politikerin, der Schritt sei ein reines Wahlkampfmanöver der DUP.