David Hockney

Der Jahrhundertmaler mit dem iPad

Die Karriere von David Hockney, dem teuersten lebenden Künstler, dauert bereits sechs Jahrzehnte. Berühmt geworden mit seinen „Pool Paintings“ in den 1960ern, die das hedonistische Leben des Jetsets unter der kalifornischen Sonne zelebrieren, blieb Hockney den Leitlinien seiner klassischen Ausbildung stets treu. Dass der Medienenthusiast sich dabei bis ins hohe Alter ständig weiterentwickelt und mühelos beweist, was sich mit brillanter Technik auf einem iPad malen lässt, zeigt aktuell eine umfangreiche Retrospektive im Bank Austria Kunstforum.

Denkt man an berühmte britische Gegenwartskünstler, fällt einem wohl als Erstes der Name des Kassenschlagers Damien Hirst ein. Während das Enfant terrible zuletzt dadurch von sich reden machte, dass der Kollege Joe Machine ihm im „Guardian“ vorwarf, seine Kirschblütengemälde plagiiert zu haben – Vorwürfe des Ideenklaus begleiten Hirst seit Jahren –, ist es Hockney, ein weitaus stillerer Künstler, der auf der Insel als Maler der Herzen gilt.

Der bald 85-Jährige ist wandlungsfähig und einflussreich wie nur wenige große Namen der Gegenwart – und seit der Versteigerung von „Portrait of an Artist (Pool with Two Figures)“ (1972) für 90 Millionen Dollar (rund 78 Mio. Euro) im Jahr 2018 ist er der teuerste lebende Künstler. Nicht umsonst besitzt die „Tate“, die zentrale Sammlung britischer Kunst, über 180 Werke Hockneys. Auf dieser Sammlung aufbauend – sie aber durch Leihgaben aus aller Welt ergänzend –, zeigt das Bank Austria Kunstforum aktuell einen umfangreichen Querschnitt durch Hockneys Schaffen.

Fotostrecke mit 6 Bildern

Zwei Männer im Pool, Gemälde
David Hockney
Die Kunst der Oberfläche: „Two Boys in a Pool, Hollywood“, 1965, Acryl auf Leinwand, 152,4 x 152,4 cm
Abstraktes Gemälde
David Hockney
Hockney als Eklektizist zwischen allen Stilen: „The First Marriage (A Marriage of Styles I)“, 1962, Öl auf Leinwand 182,9 x 214 cm
Altes Paar beim Sitzen, Gemälde
David Hockney
Die Eltern im Doppelporträt: „My Parents“, 1977, Öl auf Leinwand, 183 x 183 cm
Junges paar mit Katze vor einem Balkon, Gemälde
David Hockney
Rollentausch auf den Spuren von Thomas Gainsboroughs „Mr and Mrs Andrews“ (1749): „Mr and Mrs Clark and Percy“, 1970/71, Acryl auf Leinwand, 213,4 x 304,8 cm
Abgeholzte Bäume im Wald, Gemälde
David Hockney
Landschaft als psychologische Projektionsfläche: „Felled Trees on Woldgate“, 2008, Öl auf zwei Leinwänden, 158,5 x 250 cm
Weg im Wald im Frühling, Gemälde
David Hockney
Vom iPad auf die Leinwand: „The Arrival of Spring in Woldgate ,East Yorkshire in 2011“, iPad-Zeichnung, gedruckt auf Papier, kaschiert auf Dibond, 245 x 186 cm

Viel mehr als „Pool Paintings“

Darunter sind im ersten Raum versammelte Beispiele der „Pool Paintings“ und „Shower Paintings“ – zwischen abstrakten Flächen und kecken nackten jungen Männern changierende farbenfrohe Acrylgemälde, auf denen Hockney gekonnt mit seiner Homosexualität spielte und durch die außergewöhnliche Darstellung der Wasseroberflächen und Raumsituationen hervorstach. Doch diese Klassiker bilden noch bei Weitem nicht das Highlight der Schau.

Von frühen Druckgrafiken und intimen Skizzen über bunte Anleihen an Picasso bis zu jüngster Landschaftsmalerei auf dem iPad und einer Videoinstallation auf 18 Screens reicht der Rundumblick in rund 125 Arbeiten, der dem Titel „David Hockey: Insights. Reflecting the Tate Collection“ alle Ehre macht.

Die Leichtigkeit der Medien

Bettina M. Busse, mit Veronika Rudorfer und Helen Little Teil des Kuratorinnenteams, zeigt sich im Gespräch mit ORF.at beeindruckt von Hockneys Medieneinsatz. Früher habe er auf Faxpapier gemalt, heute vermailt er iPad-Zeichnungen. „David Hockney ist sehr an technischen Errungenschaften interessiert, ihm geht es um die niedrigschwellige Verbreitung seiner Werke, und er sieht Medien dafür als positiv an.“

Ausstellungshinweis

„David Hockney: Insights. Reflecting the Tate Collection“ ist bis zum 19. Juni 2022 im Bank Austria Kunstforum Wien täglich von 10.00 bis 19.00 Uhr, freitags bis 21.00 Uhr zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.

Auf dem iPad bediene er sich natürlich professioneller Software, mit der er seine Strichtechnik setzen könne, so die Kuratorin, die eventuell kindliche Anmutung der so entstandenen digitalen Gemälde störe ihn aber nicht. „Ich glaube, das ist etwas, wo er angstbefreit ist, weil es ihm darum geht, dass seine Arbeiten für viele Menschen zugänglich sind.“

Genau das macht Hockneys Wirkung aus – er verbindet humorvolle Leichtigkeit mit kunstgeschichtlichem Anspielungsreichtum, der niemals Ballast ist. Hockney hat die Summe seiner Recherchen in seinem Buch „Geheimes Wissen. Verlorene Techniken der Alten Meister wiederentdeckt“ (2001) dargelegt – er ist auf der Höhe der Darstellungskunst der europäischen Maltradition, ohne dabei seine Poppigkeit und Leichtigkeit zu verlieren.

Auf der Höhe der Tradition

Das vermitteln die Werke der Retrospektive auf großartige Weise, etwa bei dem 21 Quadratmeter füllenden „In the Studio, December 2017“, in dem sich Hockney auf aufkaschierten Tintenstrahldrucken in verzerrten Perspektiven mit vielen seiner jüngsten Werke selbst zeigt. In der Mitte am oberen Rand findet sich eine Version von Fra Angelicos Fresko „Verkündigung Mariä“ (ca. 1426), das ganze Arrangement erinnert an die Darstellungen von Fürstengalerien im niederländischen 17. Jahrhundert.

Die Ausstellung von David Hockney
David Hockney
Ein großes Spiel mit der Kunstgeschichte: Hockney zeigt sich perspektivisch anspruchsvoll mit eigenen Werken auf 2,78 x 7,6 Metern („In the Studio, December 2017“)

Die Verbindung von substantiellem Tiefgang unter einer verführerischen, bunten Oberfläche, das ist eine Mischung, die Hockney, 1937 in Bradford in eine Arbeiterfamilie geboren, nicht unbedingt in die Wiege gelegt wurde. Gegenüber der legendären BBC-4-Radiosendung „Desert Island Discs“ erklärte er 1972, schon mit zehn Jahren habe er Künstler werden wollen. Beim Aufnahmegespräch an der Kunstschule in seiner Heimatstadt habe man ihn gefragt, ob er denn über ein „privates Einkommen“ verfüge, um sich eine Existenz als Künstler leisten zu können. Glücklicherweise ignorierte er derlei Provokationen. Seine Aufnahme für die einsame Insel war übrigens Wagners „Tristan und Isolde“.

Psychologie und Landschaft

Im Kunstforum zeigt sich, wie experimentierfreudig der Künstler bis heute mit Materialien und Formen umgeht und dabei die Leitlinien seiner klassischen Ausbildung nie verlassen hat. Auf der Kunstschule galten Akte, Porträts und Landschaftsdarstellungen als Genres, die umzusetzen man lernen musste. Zu den Landschaftsdarstellungen hat er wieder zurückgefunden, setzt sie aber in rezenteren Arbeiten wie dem Ölgemälde „Felled Trees on Woldgate“ (2008) emotional und individuell um, gerade was die Farbgebung betrifft.

„Hockney malt die Landschaften, wie er sie sieht, wie er sie empfindet“, sagt Busse gegenüber ORF.at. „Er setzt sie, beispielsweise wenn er Baumstämme lila malt, sehr psychologisch ein.“ Psychologie darf überhaupt als Schlagwort der Ausstellung gelten, gibt es doch einige von Hockneys bekannten Doppelporträts zu sehen.

Etwa „Mr and Mrs Clark and Percy“ (1970/71), angelehnt an Thomas Gainsboroughs Hochzeitbild „Mr and Mrs Andrews“ (1749), auf dem Hockney aber die klassischen Rollenbilder des Vorgängers vertauscht – Mr. Clark sitzt in sich gekehrt mit der Katze Percy auf einem Sessel, während die Modedesignerin Celia Clark in dominanter Pose das Zentrum des Werkes einnimmt.

Grafiken und eine späte Installation

Celia Clark ist auch, ganz in der multiperspektivischen Manier Picassos, auf der dreiteiligen Lithografie-Serie „An Image of Celia“ (1981/86) zu sehen. Neben großformatigen Gemälden legt „Insights“ auch einen Fokus auf das grafische Werk Hockneys. So sieht man die beiden wichtigsten Zyklen „A Rake’s Progress“ (1961–1963) und „Illustrations for Fourteen Poems from C. P. Cavafy“ (1966).

Ein Highlight ist die auf 18 Bildschirmen gezeigte meisterhafte Installation „Seven Yorkshire Landscapes“, für die Hockney in der Nachfolge seiner fotografischen Montagen wie etwa „Billy + Audrey Wilder, Los Angeles, April 1982“ Naturausschnitte abgefilmt und in verschobenen Einstellungen angeordnet hat.