Panzer bei russisch-belarussichen Militärübungen
AP/Russian Defense Ministry Press Service
Ukraine-Krise

Russland und Belarus starten Militärübungen

Inmitten der Ukraine-Krise haben Russland und Belarus am Donnerstag ein gemeinsames Militärmanöver begonnen. Ziel der Übungen auf belarussischem Staatsgebiet sei, die Streitkräfte darauf vorzubereiten, „externe Aggressionen im Rahmen eines Verteidigungseinsatzes zu stoppen und abzuwehren“, erklärte das russische Verteidigungsministerium am Donnerstag. Unterdessen lässt Großbritannien mit Insiderinformationen aufhorchen.

Das Manöver soll zehn Tage dauern. Im Westen sorgen die gemeinsamen Militärübungen wegen der schwelenden Ukraine-Krise für Aufregung. Moskau hat nach westlichen Angaben mehr als 100.000 Soldaten und Soldatinnen an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Das schürt die Furcht vor einem möglichen Großangriff Russlands auf das Nachbarland.

Es wird erwartet, dass etwa 30.000 russische Soldaten und Soldatinnen an den Übungen mit Belarus teilnehmen werden, wobei Russland keine Zahl bekanntgab. Die Übungen finden den Angaben zufolge auf fünf Militärgeländen, vier Luftwaffenstützpunkten sowie an „verschiedenen“ weiteren Orten in Belarus statt. Einen Schwerpunkt bildet dabei die im Grenzgebiet zur Ukraine gelegene Region Brest.

Luftaufnahme eines russisches Militärcamp in Belarus
Reuters/Maxar Technologies
Russland verstärkte seine Truppen an der Grenze zur Ukraine enorm

Russland hatte in den vergangenen Wochen schweres Militärgerät nach Belarus verlegt – darunter Luftabwehrsysteme vom Typ S-400. Zudem wurden laut Angaben aus Moskau Kampfflugzeuge des Typs Suchoi Su-25SM über 7.000 Kilometer aus der Region Primorje am Japanischen Meer auf Militärflugplätze im Gebiet von Brest nahe der polnischen Grenze gebracht. Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte ein Video, das viele Panzer zeigte, mit Tannenzweigen zur Tarnung. Zu sehen und hören war, wie scharf geschossen wurde.

Ungarn wünscht keine NATO-Truppen auf seinem Boden

Die NATO stockte deshalb ihre Truppenkontingente in den östlichen Mitgliedsstaaten auf. Die USA und weitere Verbündete lieferten zudem Waffen an Kiew. Russland weist jegliche Angriffspläne zurück. Zugleich führte der Kreml ins Feld, sich von der NATO bedroht zu fühlen. Nach Angaben der NATO handelt es sich bei den gemeinsamen Übungen um den größten Einsatz Russlands im ehemaligen Sowjetland Belarus seit dem Kalten Krieg.

Das EU- und NATO-Land Ungarn wünscht allerdings keine NATO-Truppen auf seinem Boden. „Wir brauchen keine zusätzlichen Truppen auf dem Staatsgebiet Ungarns“, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto am Mittwochabend dem europäischen Nachrichtensender Euronews. Ungarn grenzt im Osten unmittelbar an die Ukraine.

Einer Verlegung von NATO-Truppen nach Ungarn stimme sein Land nicht zu, führte Szijjarto weiter aus. Grund dafür sei, dass „es bereits NATO-Truppen in dem Land gibt, nämlich die ungarische Armee“. Diese sei „in der geeigneten Verfassung“, um die Sicherheit des Landes zu garantieren. Der Außenminister sprach sich zudem gegen weitere Sanktionen gegen Russland aus, weil diese „nicht wirken“ würden. Ungarns rechtsnationaler Ministerpräsident Viktor Orban pflegt ein freundschaftliches Verhältnis zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin.

Ukraine reagiert mit eigenem Manöver

Als Reaktion will das ukrainische Militär noch am Donnerstag mit einem eigenen zehntägigen Manöver beginnen. Unter anderem soll der Umgang mit Drohnen geprobt werden sowie mit Raketen und Panzerabwehrwaffen, die von ausländischen Partnern geliefert wurden, wie Verteidigungsminister Oleksij Resnikow vor wenigen Tagen mitteilte. Wie viele Soldaten und Soldatinnen beteiligt sind, ist nicht bekannt.

Ukrainischer Soldat in Donetsk
AP/Vadim Ghirda
Die Ukraine startet am Donnerstag ebenfalls ein Militärmanöver

USA: „Eskalierende Aktion“

Ein Sprecher des Kremls bezeichnete die gemeinsamen Übungen zwischen Russland und Belarus als ernsthaft und sagte, die beiden Länder seien „mit noch nie da gewesenen Bedrohungen konfrontiert“. Von dem Militärbündnis sowie von den USA fordert Russlands Staatschef Wladimir Putin umfassende Sicherheitsgarantien – vor allem den Stopp der Gespräche über eine mögliche NATO-Osterweiterung.

Russland startet Militärmanöver

Vorwürfe des Westens, Russland plane einen Angriff auf die Ukraine, weist Moskau weiter zurück.

Westliche Vertreterinnen und Vertreter forderten zuletzt immer wieder einen Abzug der russischen Truppen aus dem ukrainischen Grenzgebiet sowie aus Belarus. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte zur aktuellen Situation: „Wenn wir uns die Vorbereitungen für diese Militärübungen ansehen, dann sehen wir dies sicherlich eher als eine eskalierende und nicht als eine deeskalierende Aktion.“

Russischer EU-Botschafter glaubt an Deeskalation

Der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow erklärte stattdessen gegenüber der BBC, sein Land glaube nach wie vor, Diplomatie könne zur Deeskalation der Krise in der Ukraine beitragen. Er sagte, die derzeit in Belarus stationierten russischen Truppen würden nach den Übungen zu ihren ständigen Stützpunkten zurückkehren.

Soldaten bei russisch-belarussichen Militärübungen
AP/Russian Defense Ministry Press Service
Schon im Februar gab es Militärübungen in Belarus

Putin ist der wichtigste Verbündete des international weitgehend isolierten belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko. Der Kreml unterstützte Lukaschenko, als 2020 in Belarus große Proteste ausbrachen. Die meisten westlichen Länder hingegen verhängten Sanktionen und weigerten sich, die Wahlergebnisse anzuerkennen, von denen weitgehend angenommen wird, dass sie zugunsten Lukaschenkos manipuliert worden waren.

GB: Russland plant „nukleare strategische Übung“

Unterdessen reist der britische Premierminister Boris Johnson am Donnerstag nach Brüssel und Warschau, um die NATO-Verbündeten zu unterstützen. Aufhorchen ließ auch der britische Verteidigungsminister Ben Wallace. Ihm zufolge plant Russland in Kürze eine „nukleare strategische Übung“.

Details nannte er nicht, ergänzte aber im Radiosender BBC unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse, dass Russland neben Cyberangriffen und anderen destabilisierenden Aktivitäten auch Täuschungsmanöver plane, um einen Vorwand für eine Invasion der Ukraine zu schaffen. Trotz „des Geredes“ sei die Fahrtrichtung falsch, kritisiert Wallace mit Blick auf die diplomatischen Bemühungen zur Beilegung des Konflikts.

Großbritannien vermittelt in Ukraine-Krise

Johnson und sein Außenminister schalten sich in die Krisendiplomatie aufgrund des Truppenaufmarschs Russlands an der Grenze zur Ukraine ein.

Beratungen in Berlin

In Berlin findet inzwischen eine zweite Gesprächsrunde im Normandie-Format statt. Wie Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin sagte, handelt es sich bei dem Treffen von außenpolitischen Beraterinnen und Beratern aus Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine um eine Fortsetzung der Gespräche vom 26. Jänner in Paris.

Ziel sei es, „Meinungsverschiedenheiten zu verringern“ und eine Deeskalation im Ukraine-Konflikt herbeizuführen. Macron sagte am Mittwoch vor Medien, Putin habe ihm versichert, dass die russischen Streitkräfte die Krise nicht verschärfen würden, doch Russland habe keine solche Garantie gegeben. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian äußerte die Hoffnung auf ein Signal Russlands zur Bereitschaft, diplomatische Gespräche aufrecht zu halten. Das wäre ein positives Signal, sagt er dem Radiosender France Inter. Indes trifft der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag in Berlin mit den baltischen Staats- und Regierungschefs zusammen.

Russische Militärübungen auch im Schwarzen Meer

Das Normandie-Format war 2014 zur Befriedung des Konflikts in der Ostukraine aus der Taufe gehoben worden. Davor annektierte Russland die südliche ukrainische Halbinsel Krim. Seitdem herrscht in der Ostukraine ein lang anhaltender Konflikt, in dem von Russland unterstützte Separatisten weite Teile des Landes kontrollieren und mindestens 14.000 Menschen getötet wurden. Die Vermittlung zwischen Russland und der Ukraine durch Berlin und Paris führte zum Minsker Abkommen von 2015. Kiew und Moskau werfen sich allerdings gegenseitig regelmäßig Verstöße gegen das Abkommen vor.

Auch am Donnerstag trafen sechs russische Kriegsschiffe örtlichen Medienberichten zufolge in der Nähe der Krim ein. Vorgesehen seien Militärübungen im Schwarzen Meer, meldete die Nachrichtenagentur Interfax. Russland hatte im vergangenen Monat umfangreiche Marineübungen vom Pazifik bis zum Atlantik im Jänner und Februar angekündigt.