Wenn die Demonstranten gegen die CoV-Maßnahmen der Regierung nicht nach Hause gingen, würde es „ein immer stärkeres Eingreifen“ der Polizei geben, sagte Trudeau am Freitag in Ottawa und nannte die Blockaden „illegal“. Jede Maßnahme sei möglich, der Einsatz des Militärs allerdings das letzte Mittel. „Ich kann jetzt nicht viel mehr dazu sagen, wann oder wie das genau endet, weil wir wegen Gewalt besorgt sind“, ergänzte Trudeau. An die Demonstranten appellierte er: „Wir haben Euch gehört, es ist Zeit, nach Hause zu gehen.“
Ein kanadischer Richter erklärte unterdessen die Blockade eines wichtigen kanadisch-amerikanischen Handelskorridors per Anordnung für beendet. Geoffrey Morawetz, Richter am Obersten Gericht in Ontario, sagte, die einstweilige Verfügung trete am Freitag um 19.00 Uhr Ortszeit in Kraft. Mehrere Stunden nach Ablauf der Frist befanden sich jedoch weiterhin mehr als 200 Demonstranten auf der Ambassador-Brücke zwischen den USA und Kanada und weigerten sich, den Protest aufzulösen.
Ontario ruft Notstand aus
Die Provinz Ontario hatte zuvor wegen der Blockaden den Notstand ausgerufen. An die Demonstranten richtete die Provinzregierung die Warnung, dass ihnen Gefängnis- und hohe Geldstrafen drohten, sollten sie ihre Aktionen nicht beenden. Außerdem könnten den Lastwagenfahrern die Lizenzen entzogen werden. Einsatzkräfte würden zum Schutz wichtiger Straßen, Flughäfen, Häfen und anderer Infrastruktureinrichtungen abgestellt, sagte Ontarios Ministerpräsident Doug Ford.
Trudeau hatte am Freitag auch mit US-Präsident Joe Biden gesprochen: „Präsident Biden und ich stimmen beide darin überein, dass diese Blockaden aus Gründen der Sicherheit der Menschen und der Wirtschaft nicht fortgesetzt werden können“, so der Regierungschef weiter. Das Weiße Haus äußerte sich ähnlich. Nach Angaben Trudeaus würden die Demonstranten, von denen viele dem rechten Spektrum zugeordnet werden, durch Spenden unterstützt, die zu etwa 50 Prozent aus den USA kämen.
Gegner und Gegnerinnen der Coronavirus-Politik der kanadischen Regierung blockieren seit Montag die Ambassador-Brücke zwischen Ontario und der US-Metropole Detroit. Diese ist eine wichtige Verkehrsader und wird täglich von mehr als 40.000 Berufspendlerinnen und -pendlern sowie Touristinnen und Touristen überquert. Lastwagen transportieren pro Tag Waren im Wert von 323 Millionen Dollar (282,37 Mio. Euro) darüber.
Auswirkungen auf Fabrikproduktion und Umwelt
Auch ein Grenzübergang zwischen der kanadischen Provinz Alberta und den USA wird von Gegnern und Gegnerinnen der CoV-Maßnahmen blockiert, ein dritter Grenzübergang in der Provinz Manitoba wurde am Donnerstag wegen einer Demonstration geschlossen. Wegen des blockierten Lieferverkehrs mussten einige Fabriken auf beiden Seiten der Grenze ihre Produktion drosseln oder ganz herunterfahren – darunter der Autohersteller Ford, Stellantis, General Motors und Toyota. Verkürzte Schichten und weniger Geld sind die Folge für Arbeiterinnen und Arbeiter.
Notstand wegen Trucker-Proteste in Kanada
Der Trucker-Widerstand in Kanada beginnt Ausmaße anzunehmen, die weit über den gängigen Protest gegen CoV-Maßnahmen hinausgehen. Die Blockade der wichtigsten Grenze zum Nachbarland USA wirkt sich langsam aber sicher auch auf Produktion und Handel aus, weshalb der Premierminister der kanadischen Provinz Ontario, Doug Ford, den Notstand ausrief.
Ende Jänner schon fuhren Hunderte Trucks in die Innenstadt der kanadischen Hauptstadt Ottawa, die in Ontario liegt. Zu den Truckern und Truckerinnen gesellten sich dann auch andere wütende Autofahrerinnen und -fahrer. Sie haben sich im Bezirk Byward Market niedergelassen und sorgen durch ihre häufig mit laufendem Motor abgestellten Kraftfahrzeuge für starke Emissions- und Lärmbelastung, wenngleich das Hupen per Gerichtsbeschluss kürzlich untersagt wurde.
„WP“: Mehrere hundert Mio. Dollar Schaden pro Tag
Dabei hatte die Provinz Ontario erst kurz zuvor die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gelockert. Mittlerweile sei bereits ein Schaden von mehreren hundert Millionen Dollar pro Tag angerichtet worden, schrieb die „Washington Post“ („WP“) am Freitag. Denn nicht nur Kanadas grenzübergreifende Handel sei beeinträchtigt, sondern auch örtliche Geschäfte in Ottawas Innenstadt.
Die Stadtverwaltung von Ottawa rief wegen der Straßenblockaden mit teils riesigen Sattelschleppern schon früher als die Provinz den Ausnahmezustand aus. Medienberichten zufolge befinden sich teils auch Kinder in den Fahrzeugen, was offenbar zur Zurückhaltung der Polizei dienen sollte. Eine am Montag von CTV News veröffentlichte Umfrage ergab, dass die meisten Menschen in Ottawa des Protests überdrüssig sind. Neun von zehn sind der Meinung, es sei Zeit, dass die Demonstrierenden gehen sollten. Zwei Drittel lehnen die Aktion insgesamt ab.
Trudeau: Die meisten Trucker sind geimpft
Trudeau sagte, dass die meisten Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer, die regelmäßig über die Grenze müssten, bereits vollständig geimpft sind. Die Canadian Trucking Alliance schätzt, dass bloß zehn Prozent der Lkw-Fahrer und -Fahrerinnen des Landes nicht geimpft sind. Ende Jänner erklärte die Regierung, es gebe „keinerlei Anzeichen“ dafür, dass die kürzlich eingeführte Vorschrift den grenzüberschreitenden Verkehr verringert habe – abgesehen natürlich von den Protesten, die diesen nun blockieren.
Impfpflichtprotest ausgeartet
Der „Freiheitskonvoi“ jener Lkw-Fahrer und -Fahrerinnen, die die Blockade als solchen bezeichnen, begann aus Protest gegen die Impfpflicht bei Grenzübertritten, die Mitte Jänner von Kanada und den USA eingeführt worden war. Ungeimpfte kanadische Lkw-Fahrer und -Fahrerinnen müssen bei der Rückkehr aus den USA in eine 14-tägige Quarantäne. US-Fahrer und -Fahrerinnen ohne Impfung dürfen gar nicht ins Land.
Doch bald weitete sich der Protest aus und richtete sich nicht nur gegen die Pandemiemaßnahmen, sondern auch gegen Trudeau selbst. Die Demonstrierenden fordern seinen Rücktritt oder gar, die frei gewählte Regierung zu stürzen. Dazu ist zu bemerken, dass es wohl auch Trudeaus strenge CoV-Maßnahmen waren, die zu einer der niedrigsten CoV-Todesraten der Welt beitrugen. Eine im vergangenen Monat von Maru Public Opinion durchgeführte Umfrage ergab, dass weniger als drei von zehn Kanadierinnen und Kanadiern gegen die Impfpflicht bei Grenzübertritten sind.
Die Proteste der Trucker und Truckerinnen in Kanada stiften zudem Gegnerinnen und Gegner der CoV-Maßnahmen weltweit an, für gleiches Chaos auch in anderen Ländern zu sorgen. Die „WP“ berichtete davon, dass sie insbesondere die politisch Rechten aufhetzen würden. Der ehemalige Präsident Donald Trump lobte die Trucker und Truckerinnen etwa als „friedlichen Protest gegen die harte Politik des linksextremen Irren Justin Trudeau“. Er begrüße die Protestierenden „mit offenen Armen, um frei zu kommunizieren“, so Trump.
Konvois vielerorts verboten
In Neuseeland, wo sich seit drei Tagen Impfgegner und -gegnerinnen in der Nähe des Parlaments in Wellington versammelt haben, kam es am Donnerstag zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und den Demonstrierenden. Mehr als 120 Personen wurden festgenommen. In Frankreich wollten Tausende Demonstrierende am Freitagabend nach Paris kommen, einige wollten auch weiter nach Brüssel ziehen.
Die Pariser Polizei versucht, die Demonstration zu verhindern, indem sie die Konvois verbot und ein scharfes Vorgehen gegen Straßenblockaden mit Haft- und Geldstrafen ankündigte. Die belgischen Behörden kündigten ähnliche Maßnahmen an. Auch Vorbild des untersagten Wiener Protestkorsos am Freitag waren offenbar die kanadischen Trucker-Proteste.