Deutscher Präsident Frank-Walter Steinmeier
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Von Merkel und Co.

Steinmeier wiedergewählt

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kann für weitere fünf Jahre im Schloss Bellevue bleiben. Er wurde am Sonntag von einer bunten Bundesversammlung mit großer Mehrheit bestätigt. Mit dabei war auch die deutsche Altkanzlerin Angela Merkel, die erstmals seit dem Ende ihrer Amtszeit wieder einen öffentlichen Auftritt absolvierte.

Die Wiederwahl Steinmeiers galt schon im Vorfeld als wahrscheinlich, denn SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU hatten sich für eine zweite Amtszeit ausgesprochen. Zusammen stellten diese Parteien 1.223 der 1.472 Mitglieder der deutschen Bundesversammlung – also weit mehr als die im ersten Wahlgang notwendige absolute Mehrheit.

Steinmeier erhielt von der Versammlung 1.045 der 1.425 gültigen Stimmen für eine zweite Amtszeit. Es gab 86 Enthaltungen, zwölf Stimmen waren ungültig.

Appell an Putin

Steinmeier erklärte im Beisein seiner Frau Elke Büdenbender, dass er die Wahl annehme. In seiner Rede warnte Steinmeier vor der akuten Gefahr eines Kriegs in Europa. „Wir sind inmitten der Gefahr eines militärischen Konflikts, eines Krieges in Osteuropa“, sagte er. „Dafür trägt Russland die Verantwortung“, fügte er hinzu. „Ich appelliere an Präsident (Wladimir, Anm.) Putin: Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine! Und suchen Sie mit uns einen Weg, der Frieden in Europa bewahrt“, sagte Steinmeier. „Ich kann Präsident Putin nur warnen: Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie.“

Versammlung im Paul-Loebe-Haus
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Die Bundesversammlung – wegen der Pandemie heuer im Berliner Paul-Löbe-Haus – wählte erneut Steinmeier

„Russlands Truppenaufmarsch kann man nicht missverstehen“, so Steinmeier weiter. „Das ist eine Bedrohung der Ukraine und soll es ja auch sein.“ Doch die Menschen in der Ukraine hätten „ein Recht auf ein Leben ohne Angst und Bedrohung, auf Selbstbestimmung und Souveränität“. Wer das zu zerstören versuche, „dem werden wir entschlossen antworten!“, sagte Steinmeier.

„Keine Kontroverse scheuen“

Auch auf die Pandemie ging Steinmeier in seiner Rede ein. „Denen, die Wunden aufreißen, die in der Not der Pandemie Hass und Lügen verbreiten, die von ‚Corona-Diktatur‘ fabulieren und sogar vor Bedrohung und Gewalt nicht zurückschrecken, gegen Polizistinnen, Pflegekräfte und Bürgermeister, denen sage ich: Ich bin hier, ich bleibe.“ Er werde als Bundespräsident „keine Kontroverse scheuen, Demokratie braucht Kontroverse. Aber es gibt eine rote Linie, und die verläuft bei Hass und Gewalt. Und diese rote Linie müssen wir halten in diesem Land“, sagte Steinmeier.

Angela Merkel und Olaf Scholz
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Merkel mit ihrem Amtsnachfolger Olaf Scholz (SPD). Es war ihr erster öffentlicher Auftritt nach Ende ihrer Amtszeit.

Er warnte davor, die Herausforderungen für die Demokratie zu unterstützen. „Gegner der Demokratie, von außen und von innen, säen in der Pandemie Zweifel an unserer Handlungsfähigkeit und unseren Institutionen, an der freien Wissenschaft, den freien Medien.“

Steinmeier betonte aber auch: „Die Pandemie hat tiefe Wunden geschlagen in unserer Gesellschaft. Und ich möchte dabei helfen, diese Wunden zu heilen.“ Den Kampf gegen den Klimawandel bezeichnete Steinmeier als „Überlebensfrage der Menschheit“.

Chancenlose Gegenkandidaten

Steinmeiers drei Gegenkandidaten galten von vornherein als relativ chancenlos. Der von der Linken aufgestellte Sozialmediziner Gerhard Trabert bekam 96 Stimmen, die für die Freien Wähler kandidierende Atomphysikerin Stefanie Gebauer erhielt 58 Stimmen, und auf den von der AfD nominierten Ökonomen Max Otte entfielen 140 Stimmen. Die Kandidatur des CDU-Politikers Otte auf einem AfD-Ticket war im Vorfeld stark umstritten. Die CDU entzog ihm deswegen die Mitgliederrechte und leitete ein Parteiausschlussverfahren ein.

Drag Queen Gloria Viagra
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Die Bundesversammlung setzt sich zusammen aus den Abgeordneten und Entsandten der Landtage. Im Bild: Dragqueen Gloria Viagra.

Steinmeier ist erst der fünfte Bundespräsident seit Gründung der Bundesrepublik 1949, der für eine zweite Amtszeit gewählt wird. Und er ist der erste aus der SPD stammende Bundespräsident, der im Amt bestätigt wird. Die bisherigen sozialdemokratischen Bundespräsidenten Johannes Rau und Gustav Heinemann waren nach Ablauf ihrer ersten Amtszeit nicht mehr angetreten. Steinmeier, der seine Parteizugehörigkeit als Staatsoberhaupt ruhen lässt, ist seit 2017 Bundespräsident. Zuvor war er von 2005 bis 2009 und dann wieder von 2013 bis 2017 Außenminister. Bei der Bundestagswahl 2009 scheiterte er als SPD-Kanzlerkandidat.

Steinmeier bleibt deutscher Bundespräsident

Frank-Walter Steinmeier bleibt deutscher Bundespräsident. Er wurde von der Bundesversammlung gleich im ersten Wahlgang mit großer Mehrheit bestätigt.

Prominentes Gremium

Die Bundesversammlung ist das größte parlamentarische Gremium in Deutschland. Seine einzige Aufgabe ist die Wahl des Staatsoberhaupts alle fünf Jahre. Die Versammlung setzt sich zusammen aus den Abgeordneten des deutschen Bundestags und einer gleich großen Zahl von Mitgliedern, die die 16 Landtage entsenden.

Heuer war die Versammlung eine bunte Mischung: Auf der Liste der Wahlleute standen etwa der deutsche Bundestrainer Hansi Flick, Fußballer Leon Goretzka und Wissenschaftler wie der Astronaut Alexander Gerst, Virologe Christian Drosten und die Biontech-Mitgründerin und Impfstoffentwicklerin Özlem Türeci. Auch Kunstschaffende wie Musiker Roland Kaiser und Rapperin Lady Bitch Ray wählten mit. Außerdem dabei war am Sonntag auch Ex-Kanzlerin Merkel, die vor der Wahl langen Applaus erhielt.

Rapper Reyham Sahin „Lady Bitch Ray“
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Rapperin Lady Bitch Ray war ebenso zur Stimmabgabe geladen

Gratulationen kamen am Sonntag unter anderem aus Österreich. Bundespräsident Alexander Van der Bellen beglückwünschte seinen deutschen Amtskollegen zur Wiederwahl. „Ich freue mich, die freundschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit fortzusetzen“, so Van der Bellen auf Twitter. Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gratulierte zur Wiederwahl und freute sich „auf eine gute Zusammenarbeit“ mit Steinmeier. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gratulierte ebenfalls und lobte Steinmeier, der seine Parteizugehörigkeit zur SPD als Staatsoberhaupt ruhen lässt, das stehe „für Demokratie, das Miteinander und den Zusammenhalt“.

ORF-Korrespondentin Gleitsmann zur deutschen Präsidentenwahl

ORF-Korrespondentin Verena Gleitsmann berichtet über die Wiederwahl Frank-Walter Steinmeiers zum deutschen Bundespräsidenten.

Wirbel um CoV-Tests in der AfD

Aufregung gab es in der Bundesversammlung am Sonntag rund um CoV-Tests. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alexander Gauland, konnte hat nach Angaben seiner Fraktion nicht an der Wahl teilnehmen. Bei Gauland und vier weiteren AfD-Bundestagsabgeordneten seien CoV-Testnachweise nicht anerkannt worden, teilte ein Sprecher mit. Sie hätten sich einem Spucktest unterzogen. Dieser sei unter Aufsicht von Fraktionsmitglied Christina Baum, einer Zahnärztin, vorgenommen worden. Fünf weitere Fraktionsmitglieder, die seinen Angaben zufolge ebenfalls von Baum auf die gleiche Weise getestet wurden, seien dagegen zur Bundesversammlung zugelassen worden, sagte der Sprecher.

„Die willkürliche Anerkennung beziehungsweise Ablehnung negativer Testergebnisse, die unter identischen Bedingungen von derselben Ärztin erstellt wurden, ist skandalös“, sagte Gauland. Aus der Bundestagsverwaltung hieß es, Gaulands Test sei nicht anerkannt worden. Es sei ihm jedoch angeboten worden, sich ohne Wartezeit von der Parlamentsärztin testen zu lassen.

Der Fraktionssprecher bestätigte, dass Abgeordneten, deren Testnachweise nicht anerkannt wurden, eine Testmöglichkeit an Ort und Stelle angeboten worden sei. Er könne aber nicht sagen, wer von dieser Möglichkeit letztlich Gebrauch gemacht habe. Fest stehe, dass am Ende insgesamt 133 AfD-Mitglieder und von ihnen eingeladene Prominente an der Bundesversammlung teilgenommen hätten, sagte er.