Börsenmarkler an der Wall Street
AP/New York Stock Exchange/Courtney Crow
Ukraine-Krise

Börsen im Tief und Ölpreis im Höhenflug

An den Börsen wächst die Furcht vor einer militärischen Eskalation in der Ukraine-Krise. Auf großen europäischen Handelsplätzen gaben die Kurse zum Wochenauftakt deutlich nach, ehe sich die Verluste im Tagesverlauf wieder etwas einbremsten. Weiter nach oben ging es unterdessen bei den Ölpreisen – sie erreichten den höchsten Stand seit 2014.

Die Wiener Börse etwa bestritt ihren ersten Handelstag der neuen Woche mit satten Verlusten: Der heimische Leitindex ATX schloss um 3,16 Prozent tiefer. Dem deutschen DAX ging es nur wenig besser: Er notierte zu Handelsschluss um 2,02 Prozent tiefer. Der Euro-Zone-Leitindex Euro Stoxx 50 beendete den Tag 2,18 Prozent im Minus. Auch die New Yorker Aktienbörsen schlossen mit – allerdings moderaten – Kursverlusten. Der Dow-Jones-Index gab um knapp 0,5 Prozent nach, der S&P-500 um rund 0,4 Prozent. Zwischenzeitlich hatte es noch schlechter ausgesehen, ehe neue Signale von Russlands Präsident Wladimir Putin für eine Fortsetzung der Verhandlungen mit dem Westen in der Ukraine-Krise kamen.

Putin fragte am Montag seinen Außenminister Sergej Lawrow, ob er in den Verhandlungen mit dem Westen überhaupt noch eine Chance sehe. „Es gibt immer eine Chance“, antwortete Lawrow. Allerdings dürften sich die Gespräche nicht endlos hinziehen. Nach Darstellung Lawrows hat Russland nun auch eine zehnseitige Antwort an die NATO und die USA formuliert, nachdem beide Seiten bereits vorher Schriftstücke ausgetauscht hatten. Das Schreiben sei von Präsident Putin auch schon im Grundsatz gebilligt worden.

Russische Panzer während der Übung nahe der ukrainischen Grenze
Reuters/Russisches Verteidigungsministerium
Die Furcht vor einem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat Europas Aktienmärkte zum Wochenstart auf Talfahrt geschickt

Russland hat nach westlichen Angaben in den vergangenen Monaten mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Der Truppenaufmarsch nährt Spekulationen, dass Russland eine Invasion in dem Nachbarland planen könnte. Während Moskau jegliche Angriffspläne bestreitet und anführt, sich von der NATO bedroht zu fühlen, hat die US-Regierung wiederholt gewarnt, Russland könnte das Nachbarland „jederzeit“ angreifen.

„Wellen der Volatilität“ schwappen über Börsen

„Die Aussicht auf einen Krieg ist selten gut für die Aktienmärkte“, kommentierte am Montag Analystin Danni Hewson von AJ Bell. Die Anleger befürchteten einen „physischen Kampf“ zwischen Russland und der Ukraine. „Die Sorgen darüber, dass eine Invasion der Ukraine durch Russland unmittelbar bevorsteht, pumpen Wellen der Volatilität in die Märkte“, sagte auch Analyst Naeem Aslam von AvaTrade. Investoren erwarteten „als Folge des Konflikts höhere Treibstoffpreise und mehr Engpässe in der Lieferkette“.

Die neuen Ängste treffen die Märkte zu einer Zeit, da sie ohnehin besonders empfänglich für Kursverluste scheinen: Die Inflation liegt in den USA auf dem höchsten Stand seit vier Jahrzehnten und auch im Euro-Raum auf einem Rekordniveau. Die hohe Teuerung wird absehbar zu weniger Anleihekäufen wichtiger Notenbanken führen und wohl auch zu Zinserhöhungen, in den USA vermutlich deutlich schneller als in Europa.

Grafik zeigt Ölpreisanstieg
APA/ORF.at

Ölpreis in lange nicht gesehener Höhe

Indessen zogen die Ölpreise, im Zuge der wirtschaftlichen Erholung seit Anfang Dezember ohnehin im Steigflug, weiter an: Sowohl die Nordseesorte Brent als auch die US-Sorte WTI näherten sich am Montag der 100-Dollar-Marke je Fass. Dieses Niveau hatten sie zuletzt im Jahr 2014 gesehen.

Auch dafür sei der schwelende Konflikt zwischen der Ukraine und Russland verantwortlich, sagte Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst der Commerzbank. „Im Falle einer Eskalation dürfte es zu Sanktionen des Westens gegenüber Russland kommen“, so Fritsch. Das würde sich wahrscheinlich negativ auf die Ölexporte des Landes auswirken.

Die Ukraine-Krise ist aber nicht die einzige Erklärung für die derzeit hohen Ölpreise: Die Rohölmärkte reagieren laut Analysten auch deshalb derzeit so sensibel, weil die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) zwar zugesagt hat, mehr Öl zu fördern und auf den Markt zu bringen, diese Länder aber tatsächlich ihr Ziel, die Produktion täglich um 400.000 Barrel zu erhöhen, nicht erreichen, berichtete das deutsche „manager magazin“.

Kluft zwischen Angebot und Nachfrage wächst

Dabei dürfte die weltweite Ölnachfrage in den nächsten Monaten täglich um bis zu vier Millionen Barrel steigen, prognostizierte der Londoner Daten- und Informationsdienst IHS Markit. Nachfrage und Angebot würden also weiter auseinanderdriften, und das dürfte bei einem möglichen Wegfall der russischen Exporte die Preise noch weiter in die Höhe treiben.

Russland exportiert täglich rund fünf Millionen Barrel Rohöl und weitere 2,5 Millionen Barrel Erdölprodukte – das sind jeweils zwölf und zehn Prozent des Welthandels, zitierte das „Wall Street Journal“ Experten der Investmentbank Cowen. Fast zwei Drittel der russischen Ölexporte fließen dabei nach Europa.

Noch bedeutender ist Russland als Gaslieferant. Russland exportiert täglich mehr als 651 Millionen Kubikmeter Gas, was etwa einem Viertel des Welthandels entspricht. 85 Prozent des von Russland gelieferten Gases landen dabei in Speichern in Europa – ein Großteil davon durchläuft laut Cowen ein Pipelinenetz in der Ukraine.

Europa leidet bereits seit Monaten unter steigenden Energiepreisen. Im Falle einer Eskalation zwischen Russland und der Ukraine könnte es weiter steil bergauf gehen. Da die Energiepreise maßgeblich zu den jüngsten Inflationsrekorden beigetragen haben, könnte sich ein weiterer Anstieg auch auf die konjunkturelle Erholung der Wirtschaft von der CoV-Pandemie auswirken. Denn diese sei „fragil“, betonen Fachleute.