Illustration des Disney „Storyliving“ Projekts
Disney
Leben im Themenpark

Disney plant Wohnsiedlungen in Kalifornien

Wer Micky, Goofy und Co. als Nachbarn haben möchte, könnte bald auf seine Kosten kommen. Unter dem Motto „Storyliving“ plant der Disney-Konzern eigene Siedlungen und hofft so, einen weiteren lukrativen Geschäftszweig zu erschließen. Wenn man sich für ein Leben bei Disney entscheidet, wird man aber auch selbst Teil der Inszenierung, denn die Siedlungen sollen auch eine Touristenattraktion werden.

Auch das Unterhaltungsimperium Disney ist in den vergangenen zwei Jahren von den Folgen der CoV-Pandemie nicht verschont geblieben. In den USA und Europa mussten die Vergnügungsparks des Konzerns monatelang schließen, Disneyland in Kalifornien durfte seine Tore wegen der hiesigen Auflagen über ein Jahr lang nicht öffnen. Die Folge: 28.000 gestrichene Jobs und Verluste in Milliardenhöhe.

Mittlerweile befinden sich die Umsätze wieder auf Vorkrisenniveau – die Pandemie war dem Unternehmen allerdings eine Lehre. Auf der Suche nach lukrativen und gleichzeitig sicheren Geschäftszweigen ist Disney auf alte Konzepte aus Gründungszeiten gestoßen und möchte diese – unter neuem Titel – künftig neu aufleben lassen.

1.900 Wohneinheiten geplant

Auf rund zehn Hektar sollen in der Stadt Rancho Mirage im kalifornischen Coachella Valley – in dem Walt Disney einst selbst lebte – unter dem Namen Cotino 1.900 Wohneinheiten mit Villen, Eigentumswohnungen und Wohnkomplexen entstehen, in denen „kuratierte Erlebnisse“ wie Liveauftritte und Kochkurse an der Tagesordnung stehen.

„Stellen Sie sich eine lebendige Gemeinschaft mit der Wärme und dem Charme einer Kleinstadt und der Schönheit eines Resorts vor“, so Helen Pak, Geschäftsführerin von Disney Parks, Experiences and Products, in einem Werbevideo. Neben einer „klaren, türkisfarbenen Lagune“ sollen auch Geschäfte, Restaurants und ein Strandclubhaus das Stadtbild prägen. In Letzterem sollen ganzjährig Disney-Programme abgehalten werden.

Beginn der Bauarbeiten noch unklar

Wie die Zeitung „USA Today“ berichtet, soll die Stadt nicht von Disney selbst, sondern dem Unternehmen DMB Development gebaut und konzipiert werden. Wie viel die Unterkünfte kosten und wie sie finanziert werden, ist noch unklar – und auch, wann die Bauarbeiten beginnen und erste Einwohner einziehen dürfen.

Der Disney-Konzern möchte sich vor allem um sein Spezialgebiet, das Branding und die Vermarktung der Siedlungen, kümmern. Ein Teil der Unterkünfte soll laut aktuellem Stand für Bewohnerinnen und Bewohner ab 55 Jahren reserviert werden, Besucherinnen und Besucher sollen Cotino durch Erwerb eines Tagespasses besichtigen können.

Bereits 1966 Disney-Stadt geplant

Es ist nicht das erste Mal, dass Disney derartige Wohnanlagen plant. Die utopische Zukunftsstadt „Experimental Prototype Community of Tomorrow“, kurz EPCOT, gehörte 1966 zu den ambitioniertesten Visionen von Gründervater Walt Disney. Als er wenige Monate den Folgen eines Lungentumors erlag, starb mit ihm auch die Idee der von vielen als überambitioniert und riskant gesehenen EPCOT.

Stadtplan des „EPCOT“ Projekts
Heute existiert EPCOT als einer von vier Themenparks in Florida – die ursprünglichen Pläne von Walt Disney wurden jedoch nie umgesetzt. In Orange sieht man die Pläne aus dem Jahr 1966, in Blau die heutige Umsetzung.

Dreißig Jahre später entstand nahe Orlando die umstrittene Stadt Celebration, eine Art Vollzeitresort ohne eigene Polizei oder kommunaler Befugnisse. Sie existiert auch heute noch – und lockt zum Leidwesen der Bewohner scharenweise Touristen an.

„Es gibt nicht mehr so viel nachbarschaftliches Engagement oder Zusammenhalt“, sagte etwa der langjährige Celebration-Einwohner Jim Siegal im Gespräch mit der Zeitung „Orlando Sentinel“. „Wenn ich es ganz offen sagen darf: Die Stadt wird von Touristen überrannt und von Leuten aus der Umgebung, die eine Beschäftigung suchen.“

Bewohner aktiv in Geschichten einbinden

Wie Disney-Manager Josh D’Amaro in einem Blogbeitrag schreibt, soll es bei den themenbezogenen Wohnanlagen vor allem darum gehen, „das Geschichtenerzählen auf das Geschichtenerleben auszuweiten“. Die Bewohnerinnen und Bewohner, so D’Amaro, werden aktiv an den Geschichten beteiligt sein, deren Darsteller ebenfalls Teil der Gemeinden sind.

Wie genau das „Storyliving“-Motto den Alltag der Bewohnerinnen und Bewohner beeinflussen wird, ist noch offen. In sozialen Netzwerken sorgt das Konzept für gemischte Reaktionen – manche User bezeichnen es gar als „dystopisch“ und verweisen auf die düstere Science-Fiction-Serie „Black Mirror“.

Kritik an Wasserverbrauch

Während der Bürgermeister von Rancho Mirage die hohen Umsätze begrüßt, die das Disney-Projekt der Stadt aller Voraussicht nach bringen wird, kritisieren Umweltschützerinnen und -schützer den Bau einer riesigen Lagune inmitten der kalifornischen Wüstenlandschaft – auch wenn der Konzern versichert, auf Nachhaltigkeit achten zu wollen.

„Ein großer See – zehn Hektar sind groß – in einer sehr heißen Wüste, in einem Staat, in dem wir nicht viel zusätzliches Wasser zur Verfügung haben, macht aus ökologischer Sicht keinen Sinn“, sagte etwa Nicola Ulibarri, die an der University of California, Irvine, über Wassermanagement forscht, im Gespräch mit dem „Guardian“.

Einstieg ins Metaverse in Planung

Finanziell läuft es aktuell jedenfalls gut für Disney: Vergangene Woche gab das Unternehmen bekannt, dass sein Streamingdienst Disney+ in den letzten drei Monaten des Jahres 2021 11,8 Millionen Abonnenten hinzugewonnen hat, womit sich die Gesamtzahl weltweit auf fast 130 Millionen erhöht hat.

Mit Spannung erwartet wird Disneys Einstieg ins Metaverse, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Konzerns laut BBC in einer Mitteilung bereits angekündigt wurde. Die Onlinewelt, in der Menschen in einer virtuellen Umgebung agieren können, wird von einigen Technologieunternehmen als eine Schlüsselentwicklung für die nächste Generation des Internets angepriesen.