Der ehemalige ÖVP-Kulbobmann August Wöginger
APA/Hans Punz
WKStA-Ermittlungen

Wöginger lässt sich ausliefern

ÖVP-Klubchef August Wöginger macht den Weg für Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen sich frei: Er werde den Immunitätsausschuss des Nationalrates um seine Auslieferung bitten, teilte Wöginger der APA mit. Gleichzeitig möchte Wöginger die Immunität neu definieren.

Es geht um den Verdacht der Anstiftung zum Amtsmissbrauch bei der Bestellung des Vorstands des Finanzamts Braunau im Jahr 2017. „Ich möchte, dass es hier rasch zur Aufklärung kommt, und es wird sich schnell herausstellen, dass an den Vorwürfen nichts dran ist“, so Wöginger. Mit seiner Ankündigung ist die Aufhebung seiner Immunität so gut wie sicher, denn die Opposition hatte sich ohnehin dafür ausgesprochen, und auch die Grünen können nun mitgehen, ohne einen Koalitionsbruch zu riskieren.

Man nehme Wögingers Aussagen „zur Kenntnis“ und werde dem nachkommen, entspreche es doch auch dem Bestreben der Grünen, hier möglichst eine Einigung mit allen Parteien zu erreichen, sagte ein Sprecher des grünen Klubs Montagfrüh. Einen fixen Termin für den Immunitätsausschuss gibt es noch nicht, die Sitzung dürfte aber am Mittwoch stattfinden.

Verdacht auf Einmischung in Finanzamtsbestellung

Die Staatsanwaltschaft will wegen des Verdachts auf „Bestimmung zum Amtsmissbrauch“ gegen Wöginger ermitteln. Es geht um die Bestellung eines oberösterreichischen ÖVP-Bürgermeisters zum Vorstand des Finanzamts für Braunau, Ried und Schärding 2017. Gegen vier Mitglieder der damaligen Begutachtungskommission wird ermittelt, weil sie aus „parteipolitischen und somit sachfremden Motiven“ den Bürgermeister als bestgeeigneten Bewerber gereiht und damit eine andere Bewerberin „aufgrund ihrer Weltanschauung“ diskriminiert haben sollen.

Die unterlegene Kandidatin, die mittlerweile pensionierte Finanzbeamtin Christa Scharf, hatte die Postenvergabe juristisch bekämpft und vom Bundesverwaltungsgericht recht bekommen.

Verdacht: Parteipolitisch motivierter Besetzungswunsch

Wöginger soll laut dem Auslieferungsbegehr der Staatsanwaltschaft als Abgeordneter beim damaligen Kabinettschef des Finanzministeriums, Thomas Schmid, in der Angelegenheit interveniert und „seinem parteipolitisch motivierten Besetzungswunsch Nachdruck“ verliehen haben. So liegen Chats vor, in denen Schmid an Wöginger in der Sache schrieb: „Wir haben es geschafft (…) Der Bürgermeister schuldet dir was!“ Wöginger nannte das „echt super“.

Er habe den Bürgermeister „stets für einen qualifizierten und geeigneten Kandidaten für diese Position gehalten“ und auch „zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die unabhängige Kommission, die entschieden hat, genommen“, wies Wöginger die Vorwürfe zurück.

Wöginger: Bürgeranliegen weiterleiten

„Ich habe meine Arbeit als Abgeordneter stets gewissenhaft gemacht“, schrieb Wöginger nun abermals in einer schriftlichen Stellungnahme. „Im Zuge meiner Sprechstunden bearbeite ich natürlich Bürgeranliegen. Ich bin nicht der Einzige, der solche Anliegen weiterleitet. Das ist Teil unserer politischen Arbeit“, so Wöginger. „Ich stelle mich hier auch vor alle Bürgermeister und Funktionäre, die dies machen.“

Er hoffe, dass der Immunitätsausschuss seiner Auslieferung geschlossen zustimme, schrieb Wöginger. „Es wird sich dann rasch zeigen: An den Vorwürfen ist nichts dran, und es wird auch nichts herauskommen.“

Wöginger für Grundsatzdebatte

Der Fall könnte eine prinzipielle Debatte über die Immunität der Abgeordneten nach sich ziehen. Grundsätzlich dürfen Abgeordnete ohne Zustimmung des Nationalrates wegen einer strafbaren Handlung nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn diese offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des betreffenden Abgeordneten steht.

In der Causa Wöginger merkte die Staatsanwaltschaft selbst an: „Fallbezogen liegen angesichts dieser Rechtslage Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Tat und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten August Wöginger vor, weil Gegenstand des zu prüfenden Verdachts gerade eine politische Intervention ist“, heißt es in dem Auslieferungsersuchen. „Aus Sicht der WKStA kann daher nicht von einem offensichtlich mangelnden Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit gesprochen werden.“

Wöginger will nun offenbar eine Diskussion starten: Es gelte, „die Regeln für die Immunität neu zu denken“, meinte er. Denn politische Tätigkeit alleine reiche offenbar nicht mehr, um die Immunität eines Abgeordneten zu erhalten.

Chats brachten WKStA auf Spur

Auf die Causa Wöginger stieß die WKStA, die in solchen Verdachtsfällen von Amts wegen ermitteln muss, über die mittlerweile legendären Chats des Ex-Kabinettschefs im Finanzministerium und Ex-ÖBAG-Chef Schmid. Diese Chats und folgende belastende Ermittlungen hatten auch den Rücktritt von Sebastian Kurz als Kanzler und dann ÖVP-Chef ausgelöst.

Zuletzt hatten zudem andere Chats – auf einem Handy von Michael Kloibmüller, dem Ex-Kabinettschef des damaligen Innenministers und nunmehrigen Parlamentspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) – für heftige Debatten gesorgt. Die Daten wurden mutmaßlich illegal abgesaugt, nachdem Kloibmüller das Handy bei einem Kanuausflug ins Wasser gefallen war und er es zur Wiederherstellung dem BVT übergeben hatte.

Neben abschätzigen Bemerkungen über den Koalitionspartner SPÖ der damaligen Innenministerin und nunmehrigen niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) finden sich Verweise auf eine offenbar auf Wunsch Sobotkas im Innenministerium systematisch geführte Liste an Interventionen.

Sobotka steht vor dem Anfang März startenden ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss in der Kritik der Opposition. Diese sieht ihn befangen und fordert, dass er seinen Vorsitz beim U-Ausschuss, den laut Geschäftsordnung der Präsident des Nationalrats innehat, abgibt. Sobotka, dessen Vorsitzführung die Opposition bereits im vorhergegangenen U-Ausschuss scharf kritisiert hatte, will sich dagegen nur teilweise zurückziehen.

Einigung bei Parteiengesetz

Aufgrund der zahlreichen Korruptionsermittlungen und Enthüllungen gegen die ÖVP und deren (ehemalige) Spitzenvertreter ist die Kanzlerpartei politisch unter Zugzwang. Am Montag wird von ÖVP und Grünen – wohl auch vor diesem Hintergrund – eine Reform der Parteienfinanzierung präsentiert, die sich bisher verzögert hatte.