Schallenberg: 1938-Sager „Missverständnis“

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat heute Stellung zu seinem in die Kritik geratenen Vergleich der Ukraine 2022 und Österreich im Jahr 1938 genommen. Er sprach von einem „Missverständnis“. Wörtlich sagte Schallenberg gestern in der ZIB2: „Wir haben doch 1938 am eigenen Leib erlebt, wie es ist, wenn man alleine gelassen wird.“

In sozialen Netzwerken wurde Schallenberg daraufhin Geschichtsvergessenheit sowie die Bestätigung des Opfermythos vorgeworfen. Dieser besagt, dass Österreich das erste „Opfer“ des Nationalsozialismus geworden sei.

Ausbleibende „internationale Solidarität“ gemeint

Am Rande des EU-Außenministertreffens in Brüssel sagte Schallenberg heute, er glaube, es handle sich bei der Auffassung seiner Aussage um ein Missverständnis. „Was ich gemeint habe, ist natürlich überhaupt nicht den Opfermythos Österreichs, ganz im Gegenteil. Es gab viel zu viele Menschen am Heldenplatz, die gejubelt haben damals.“

Vielmehr habe er die „massiven Anstrengungen“ Ende 1937, Anfang 1938 gemeint, die sich „um eine internationale Reaktion, internationale Solidarität“ bemühten und etwa von der österreichischen Präsidentschaftskanzlei ausgingen und dem Generalsekretär des Außenministeriums, Theodor Hornbostel.

„Ganz andere Debatte“

Letztlich habe einzig Mexiko reagiert, das damals im Völkerbund schriftlich gegen den „Anschluss“ von Österreichs protestiert habe. „Das ist eine ganz andere Debatte, was Heldenplatz betrifft und was Völkerrecht betrifft“, so Schallenberg.

Die Ukraine könne jedenfalls mit „unserer Solidarität“ rechnen. Aber „gerade wir Österreicher müssen aufgrund unserer Geschichte doch ein gewisses Verständnis haben, wie es sich anfühlt, wenn ein Land einem potenziellen Aggressor gegenübersteht und in Wirklichkeit nur noch das Völkerrecht auf seiner Seite hat“, sagte Schallenberg abschließend.

„Bedenkliches Geschichtsbild“ der ÖVP

Nicht in Ordnung ist die Aussage jedenfalls für SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Schallenbergs Vergleich sei „ein inakzeptabler Geschichtsrevisionismus, eine Verharmlosung des Schuschnigg-Regimes und ein Rückfall in den falschen Mythos von Österreich als erstem Opfer Hitlers", stellte er in einer Aussendung fest. Die ÖVP zeige immer wieder ein bedenkliches Geschichtsbild, so Leichtfried, der unter anderem auf das Dollfuß-Museum in Texingtal – wo Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) Bürgermeister war – Bezug nahm.

Die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, Sabine Schatz, verurteilte das Statement und forderte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in einer Aussendung auf, Stellung dagegen zu beziehen.

Auf Twitter warf NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter Schallenberg Geschichtsrevisionismus vor, der grüne Wiener Gemeinderat Martin Margulies nahm auf die Neuausschreibung des Botschafterpostens in Berlin Bezug und meinte, auch der Job des Außenministers müsse neu ausgeschrieben werden. Der Wiener FPÖ-Gemeinderat Leo Kohlbauer twitterte, Schallenberg dürfe „keine Minute länger Außenminister eines neutralen Landes sein“.