Wienschild und Parktafel
ORF
Parken in Wien

Kleines Pickerl, große Aufregung

Ob, wo und wie viel das Parken in Wien kosten soll, beschäftigt die Stadtpolitik seit über zwei Jahrzehnten. Ab Dienstag wird es nun überall ernst: Die Ausweitung der Kurzparkzone sowie ihre Ausnahmebewilligung, das Parkpickerl für Anrainerinnen und Anrainer, kommt für jeden Wiener Gemeindebezirk – freilich nicht ohne Murren der ÖVP und Niederösterreichs.

In Wien will man offiziell des Autoverkehrs – und natürlich auch der Parkplatzprobleme – im großen Stil Herr werden. Als „Meilenstein für den Klimaschutz“ bezeichnet das die Wiener SPÖ. Ausnahmen für die Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung gibt es fast keine mehr. Seit Monaten in Aufregung ist neben anderen die Wiener ÖVP. Die Methodik der SPÖ sei nicht zeitgemäß, beklagt sie.

Es werde „ein Konzept aus den 90er Jahren prolongiert, das aber den unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnissen der Menschen des 21. Jahrhunderts nicht entspricht“, so die ÖVP Wien in einer Aussendung. Der türkisfarbene Gemeinderat Manfred Juraczka kritisierte, dass das System zwar geeignet sei, den Pendlerverkehr zu reduzieren, jedoch bringe es Nachteile für Personen, die in Wien wohnen, sowie kaum Lenkungs- und Steuerungseffekte. Er fordert ein Zonenmodell, das etwa beinhalten soll, dass das Parken in einem Randbezirk nicht gleich viel kostet wie in der Innenstadt.

Geltungsbereich des Parkpickerls in Wien: Der Geltungsbereich ist nicht auf einzelne Bezirke beschränkt, daher gibt es einander überlappende Bereiche. Zum Beispiel gilt das Parkpickerl für den 16. Bezirk auch in genau definierten Bezirksteilen im 14., 15. und 17. Bezirk.

Überhaupt vermisst die Volkspartei eine Staffelung der Gebühr. Pendlerinnen und Pendler, die am Stadtrand parken, hätten davon keine finanziellen Vorteile, da die Tarife überall gleich seien. Somit könnten diese auch gleich weiter in die Innenstadt fahren. Einen Lenkungseffekt gebe es deshalb nicht, so Juraczka.

ÖVP fordert Zonenmodell, mehr Garagen und „Öffis“

Die ÖVP strebt ein Landesgesetz an, das Zonenmodelle ermöglichen würde. Aktuell basiere die Parkraumbewirtschaftung auf der Straßenverkehrsordnung, die keine entsprechende Regelung vorsehe, hieß es. Juraczka erinnerte daran, dass ein solches Gesetz in Gesprächen vor der Wien-Wahl – also als die Grünen noch das Verkehrsressort innehatten – durchaus Thema war.

ÖVP-Verkehrssprecherin Elisabeth Olischar forderte zudem eine Evaluierung der aktuell geplanten Ausnahmegebiete. Es sei nicht immer nachvollziehbar, warum es in einem Straßenzug solche gebe und in einem anderen nicht. Sie forderte zudem ein digitales Parkpickerlsystem und die Errichtung neuer Garagenplätze. Auch die „Öffis“ müssten in den Randbezirken ausgebaut werden, hielt sie fest. Dort seien sie oft keine Alternative zum Auto.

ÖVP Niederösterreich kündigt Maßnahmen an

Doch nicht nur die Wiener ÖVP regt die Reform der Parkraumbewirtschaftung auf. Auch aus Niederösterreich, dem Pendlerbundesland Nummer eins, hagelt es seit Jahren Kritik. „Knapp 150.000 Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher üben in Wien ihren Beruf aus. Rund 20.000 niederösterreichische Pendlerinnen und Pendler sind direkt vom Parkpickerl betroffen und auf der Suche nach Lösungen für ihren täglichen Weg in die Arbeit“, führte Niederösterreichs ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger aus. Sie würden vor den Kopf gestoßen.

Elektronisches Parkpickerl
ORF.at/Christian Öser
Die Kurzparkzonen in Wien werden ab Dienstag auf das ganze Stadtgebiet ausgeweitet

Mit der Stadt Wien habe man diese Thematik leider nicht absprechen können. Das Land und die Gemeinden am Rande Wiens müssten nun Lösungen erarbeiten und umsetzen, „die unseren Landsleuten helfen, mit dieser neuen Situation zurecht zu kommen“, so der Klubobmann. Fünf Maßnahmen setze das Land unmittelbar um: Den Ausbau von Park-and-Ride-Anlagen, ein besseres Bahnangebot, Zusatzbestellungen bei Regionalbussen nach Wien, Pendlergaragen in Wien und die Informationskampagne ‚Wien pendeln?‘. Schneeberger hofft, „dass sich die Stadt Wien an der Errichtung von Park-and-Ride-Anlagen finanziell beteiligt“ – mehr dazu in noe.ORF.at.

Wiener Parkpickerl vs. Niederösterreichs Wahlrecht?

Auch SPÖ-Klubobmann-Stellvertreter Christian Samwald verlangt bessere Verbindungen in die Hauptstadt und mehr Park-and-Ride-Anlagen. Einem „nachbarschaftlichen Bundesländerbashing werden wir uns nicht anschließen“, betonte er jedoch. Niederösterreichs FPÖ-Klubchef Udo Landbauer sprach gar von einer „Kriegserklärung der Wiener Stadtregierung an alle Pendler“: „Ab 1. März haben unsere Pendler den ‚Scherm‘ auf“, die ÖVP habe „völlig verschlafen, Alternativen auszuarbeiten“.

Von einigen wird daher darüber spekuliert, dass die am Donnerstag beschlossene Wahlrechtsreform in Niederösterreich ein nicht ganz so nett gemeinter Gruß in Richtung Hauptstadt sein könnte, da aufgrund der Ausweitung des Parkpickerls mit damit einhergehenden Wohnsitzummeldungen gerechnet wird. Gerade der Zeitpunkt lässt aufhorchen: Bloß sechs Tage vor Inkrafttreten der Wiener Parkreform wurde die Landeswahlreform beschlossen.

Helga Krismer, Fraktionsführerin der niederösterreichischen Grünen, kritisierte die „platt-populistisch“ geführte Diskussion im Landtag. „Parken geht immer, das weiß die ÖVP genau“, so Krismer. Dass in der aktuellen Stunde des Landtages überhaupt das emotional hoch aufgeladene Parkpickerl in Wien gesetzt und heftig gegen die Politik der Bundeshauptstadt polemisiert worden sei, sei „ein Taschenspielertrick: Damit will die Landesregierung von einem anderen, immens wichtigen Thema im Umfeld der niederösterreichischen Wahlrechtsreform ablenken.“

Der Hintergrund: Unter den Nebenwohnsitzerinnen und Nebenwohnsitzern in Niederösterreich befinden sich über 100.000 Wienerinnen und Wiener. Ab Juni sind sie nun nicht mehr wie bisher bei Urnengängen auf Landes- und Gemeindeebene in Niederösterreich stimmberechtigt – mehr dazu in noe.ORF.at.

Gewerkschaft fordert Gratisparken für Lehrpersonal

Noch ein weiteres Thema auf der stadtpolitischen Agenda wird mit dem Parkproblem in Zusammenhang gebracht: Der Lehrermangel an den Wiener Pflichtschulen. Niederösterreichs Bildungsdirektor Johann Heuras spricht von deutlich mehr Anfragen. Auf genaue Zahlen will Heuras sich zwar nicht festlegen, er spricht aber davon, dass die Wechselwilligkeit mit der Einführung des flächendeckenden Parkpickerls in Wien zu tun haben dürfte – mehr dazu in noe.ORF.at.

Derzeit gehe es in sieben von zehn Lehrerberatungsgesprächen um die berufliche Abwanderung aus Wien, bestätigte auch der oberste Wiener Pflichtschullehrergewerkschafter Thomas Krebs von der Fraktion Christlicher Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter (FCG). Er fordert deshalb, Lehrpersonal das Parkpickerl beim Schulstandort als Anreiz zur Verfügung zu stellen.

Ärztekammer fordert dringend Einlenken

Viele weitere Berufsgruppen sind unzufrieden, etwa die Wiener Ärztekammer. „Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte können ihr privates Fahrzeug nicht vor oder in der Nähe der eigenen Ordination parken, sofern der Ordinationsbezirk nicht gleichzeitig auch der Wohnbezirk ist“, heißt es in einer Aussendung. Sie vermisst eine Gleichstellung mit dem Gewerbebetrieb, die Mitglieder der Wirtschaftskammer sind – zum Beispiel Masseurinnen und Fußpflegerinnen – und die Parkpickerlvorteile genießen können.

Angeboten für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte wird nur ein eingeschränktes Parkpickerl für die Ordination mit einer Parkdauer von einer Stunde über den Ordinationszeiten. Das sei zu wenig, so die Ärztekammer Wien: „Die Parkmöglichkeit in der Nähe der Ordination ist für einen einfacheren und vor allem schnelleren Ablauf von Hausbesuchen bei den Patientinnen und Patienten dringend notwendig.“ Die Kammer fordert daher ein Einlenken der Stadt.

Auch Burgenland stark betroffen

Eine riesige Herausforderung ist die neue Parkregelung in Wien auch für Tausende Burgenländerinnen und Burgenländer, die in die Hauptstadt zur Arbeit pendeln. Die Gesamtverkehrskoordination des Landes geht von rund 25.000 Wien-Tagespendlerinnen und -pendlern im Burgenland aus – nur rund ein Fünftel davon setzt auf den öffentlichen Verkehr.

Jenen, die mit dem Auto zur Arbeit fahren wollen oder auch müssen, werde nun jegliche kostenlose Abstellmöglichkeit genommen, sagte der Obmann des Pendlerforums Burgenland, Wolfgang Sodl. Er forderte Ausnahmebestimmungen für Pendlerinnen und Pendler, die auf das Auto angewiesen sind. Darauf habe sich das Pendlerforum mit der Arbeiterkammer und den Gewerkschaften verständigt.

Ein Lösungsansatz für Burgenländerinnen und Burgenländer wird angeboten. 500 Garagenabstellplätze, verteilt über ganz Wien, sind eigens für burgenländische Pendlerinnen und Pendler reserviert. 400 freie Plätze seien noch vorhanden, sagte der Gesamtverkehrskoordinator des Landes, Peter Zinggl. Es gebe die Möglichkeit, jederzeit aufzustocken. Das Land habe die Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs in den vergangenen Jahren intensiviert und das Budget stark aufgestockt. Es werde jetzt jährlich Verbesserungen geben, so Zinggl – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

ÖAMTC rechnet mit mehr Kontrollen und Strafen

Der ÖAMTC schätzt unterdessen, dass künftig mehr Personen, die ihr Fahrzeug nicht ordnungsgemäß im Stadtgebiet abstellen, Strafe zahlen müssen. Denn mit der Ausweitung der Kurzparkzonen würde auch in den betreffenden Gebieten mehr kontrolliert.

Zur Kasse würden dann nicht nur jene gebeten werden, die keinen Parkschein oder kein Pickerl haben, sondern auch Menschen, die ihr Fahrzeug schlicht vorschriftswidrig abgestellt haben. Denn viele Straßenzüge am Stadtrand seien schmal – mitunter zu schmal für das Parken eines Kfz. Der ÖAMTC rät dazu, beim Parken nun besser aufzupassen. Auch forderte er die Stadt auf, durch Bodenmarkierungen gegebenenfalls Abstellplätze zu „legalisieren“.

Dauerparken nur noch für Anrainerinnen und Anrainer

Beantragen können Wienerinnen und Wiener die Plakette für den entsprechenden Wohnbezirk online und mit Termin im jeweiligen Bezirksamt. Wer sein Auto nicht im entsprechenden Wiener Gemeindebezirk angemeldet hat, aber auf den Straßen der Hauptstadt parken will, braucht Parkscheine. Diese kann man wie gewohnt etwa in Trafiken, aber auch via Handy-App online kaufen. Die Höchstparkdauer wird vereinheitlicht auf zwei Stunden zwischen 9.00 und 22.00 Uhr.

Wienerinnen und Wiener, die kein eigenes Gefährt besitzen und etwa Carsharing-Modelle bzw. Leihfahrzeuge nutzen, bleiben davon ausgenommen. Zwischen den Bezirken gibt es auch Überlappungsgebiete. Einige wenige Straßenzüge, etwa in Industriegebieten, werden nicht zur Kurzparkzone.

Um die neuen Gebiete der erweiterten Parkraumbewirtschaftung auch betreuen zu können, stellt die Stadt rund 250 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Derzeit sind 600 Parkraumüberwachungsorgane im Einsatz. Die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung fließen, so wird betont, direkt in den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel.