Börsenkurz-Anzeige an der Frankfurter Börse
Reuters
Tiefrote Zahlen

Ukraine-Krieg lässt Börsen abstürzen

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die weltweiten Aktienmärkte schwer belastet. Die europäischen Börsen öffneten am Donnerstag mit einem deutlichen Minus, die Moskauer Börse setzte zwischenzeitlich den Handel aus. Angesichts des möglichen Ausfalls russischer Gas- und Ölexporte stiegen die Preise für Energieträger in der Früh stark.

Der Wiener Aktienmarkt öffnete mit tiefroten Zahlen. Der Leitindex ATX sank bis Mittag um 6,60 Prozent auf 3.392,39 Punkte und setzte damit seinen aktuellen Abwärtssog fort. Bereits an den vorangegangenen fünf Handelstagen hatte der ATX wegen Sorgen vor einer Eskalation im Ukraine-Russland-Konflikt jeweils starke Verluste hinnehmen müssen und steht somit bereits vor seinem sechsten Minustag in Folge. Betroffen sind Aktien aus allen Branchen.

Unter den Einzelwerten in Wien brachen die Aktien der in der Ukraine und in Russland tätigen Raiffeisen Bank International (RBI) mit Abschlägen von mehr als zehn Prozent ein. Erste-Group-Aktien rutschten fast acht Prozent ab. OMV und voestalpine sackten jeweils um etwa vier Prozent ab.

Der Euro Stoxx 50 fiel bis 9.30 Uhr auf 3.848,21 Punkte mit Abschlägen von 3,15 Prozent. In Frankfurt büßte der DAX 3,56 Prozent auf 14.110,63 Einheiten ein. Der Londoner FTSE 100 sank um 2,51 Prozent auf 7.310,34 Zähler. Der CAC 40 in Paris verlor 2,88 Prozent auf 6.585,08 Punkte. Der Schweizer Leitindex SMI brach im Eröffnungsgeschäft vorübergehend um 2,8 Prozent ein. Unter die Räder kamen die Grossbanken UBS und Credit Suisse, deren Aktien fünf Prozent verloren. Geldhäuser könnten Sanktionen gegen Russland merklich treffen.

Auch in Asien fielen die Börsenkurse. In Hongkong brach der Hang-Seng-Index um mehr als drei Prozent ein. Tokio vermeldete minus 1,8 Prozent, Schanghai minus 1,4 Prozent.

Extreme Verluste an Moskauer Börse

Beachtliche Verluste wies die Moskauer Börse auf. Der RTS-Index verlor rund die Hälfte seines Wertes und notierte zwischenzeitlich 49,95 Prozent tiefer bei 614 Punkten. Kurzzeitig wurde der Handel ausgesetzt. Binnen sechs Handelstagen summieren sich die Verluste nun auf rund 60 Prozent. Allein am Mittwoch verloren die Aktien des Energieriesen Gasprom gut ein Viertel ihres Werts.

Anleger blicken vor allem auf neue Sanktionen des Westens gegen Russland. Die geplanten Schritte werden nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Zugang russischer Banken zu den europäischen Finanzmärkten stoppen. Zudem sollen russische Vermögenswerte in der EU eingefroren werden, und wichtigen Sektoren der russischen Wirtschaft soll der Zugang zu Schlüsseltechnologien und Märkten verwehrt werden.

Rubel auf Rekordtief

Die russische Zentralbank schaltete sich nach dem Kurssturz der Landeswährung Rubel auf ein Rekordtief infolge des Angriffs auf die Ukraine ein. Sie kündigte am Donnerstag Eingriffe auf dem Devisenmarkt ein, um den Kurs zu stabilisieren. Der Rubel war zuvor auf ein Rekordtief von 89,60 zum Dollar abgestürzt, nachdem Präsident Wladimir Putin einen Angriff auf die Ukraine angeordnet hatte. Geschäftsbanken soll zudem Liquidität bereitgestellt werden, um für finanzielle Stabilität zu sorgen.

Viele Anlegerinnen und Anleger flüchten aktuell in vermeintlich sichere Werte wie Gold, dessen Preis den höchsten Stand seit Beginn 2021 erreichte. Der Schweizer Franken stieg gegenüber dem Euro auf ein Fünfjahreshoch, der Dollar stieg um sechs Prozent gegenüber dem Rubel.

Ölpreis steigt weiter

Der Preis für ein Barrel Rohöl stieg erstmals seit mehr als sieben Jahren auf über 100 Dollar (88 Euro). Der Preis für ein Fass (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent erhöhte sich auf dem Weltmarkt um 5,5 Prozent auf 102,20 Dollar. Das war der höchste Stand seit September 2014. Damit summiert sich das Plus heuer bereits auf rund 30 Prozent, nachdem sich der Preis 2021 verdoppelt hatte.

Russland ist ein wichtiger Exporteur von Metallen, dementsprechend gingen auch die Preise für das im Auto- und Flugzeugbau eingesetzte Aluminium und das in Lebensmitteldosen verwendete Zinn auf ein Rekordhoch. Nickel, das zur Stahlherstellung benötigt wird, war am Donnerstag so teuer wie zuletzt vor elf Jahren. Metallverarbeiter könnten wegen steigender Energiekosten gezwungen sein, ihre Produktion zu drosseln, fürchten Analystinnen und Analysten.

Aus Furcht vor Versorgungsengpässen decken sich Anlegerinnen und Anleger auch mit Palmöl ein. Der Terminkontrakt auf das als Lebensmittel und Treibstoff genutzte Pflanzenfett stieg in Kuala Lumpur um 7,7 Prozent auf ein Rekordhoch. Wegen des Ukraine-Konflikts drohen Lieferausfälle bei Sonnenblumenöl aus der Schwarzmeer-Region.

Solange es dort keine Entspannung gebe, müsse mit einer Fortsetzung der Palmölrekordjagd gerechnet werden. Die Angebotsengpässe könnten sich demnächst noch verschärfen, wenn russische Exporte wegen westlicher Sanktionen gegen Russland vom Weltmarkt verschwänden.

Auch Kryptowährungen abgestürzt

Digitalwährungen wie Bitcoin reagierten am Donnerstag mit deutlichen Kursverlusten auf den Angriff Russlands auf die Ukraine. In der Früh fiel der Kurs der ältesten und nach Marktwert größten Kryptowährung Bitcoin um rund acht Prozent auf unter 35.000 US-Dollar. Die nach Marktwert zweitgrößte Internetdevise Ether gab um zwölf Prozent auf rund 2.300 Dollar nach. Andere Digitalwerte wie Cardano und Dogecoin brachen noch stärker ein.

Kryptowährungen wie Bitcoin gelten unter Fachleuten als besonders riskante Anlagen, weshalb sie von der hohen Unsicherheit aufgrund des russischen Angriffs besonders betroffen sind. „Einmal mehr beweisen Kryptoassets, dass das Narrativ des vermeintlich sicheren Hafens ein Mythos ist“, sagte der Experte Timo Emden von Emden Research. Einige Kryptoanleger meinen, Digitalanlagen besäßen trotz hoher Kursschwankungen eine Schutzfunktion gegen besonders unsichere Zeiten, ähnlich wie Gold.

„Schlimmste Befürchtungen wahr geworden“

„Die schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden. Es herrscht Krieg in Europa“, sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann von QC Partners in Frankfurt. Dabei treffe die russische Invasion die Börsen zwar nicht unvorbereitet, „trotzdem laufen Schockwellen durch die Kapitalmärkte“.

Das Geschehen sei in den Krisenmodus gewechselt, schrieben auch die Analysten der Helaba. „Die Hoffnungen der Marktteilnehmer darauf, dass sich Putin mit den Separatistengebieten zufriedengibt und keine weitere Invasion plant, haben sich zerschlagen“, so die Marktexperten. „Ohne wirtschaftliche Folgen bleibt der Konflikt wegen Unsicherheiten und steigender Energiepreise nicht.“