Der russische Präsident Wladimir Putin
AP/Kreml/Alexei Nikolsky
Ukraine-Konflikt

Auch Putins letzte Freunde wenden sich ab

Die politischen Unterstützer und Unterstützerinnen des russischen Präsidenten Wladimir Putin schwinden außerhalb Russlands fast täglich. Während etwa in Frankreich die Rechtspopulistin Marine Le Pen ihre Wahlkampffolder wegen eines gemeinsamen Fotos mit Putin verbrennen lässt, kommt in Italien der Rechtspopulist Matteo Salvini in Erklärungsnot. Und auch Oligarchen distanzieren sich aus unterschiedlichen Gründen.

Als jüngstes Beispiel des Abrückens gilt Le Pen. Die französische Präsidentschaftskandidatin ließ alle Wahlbroschüren vernichten, in denen sie an der Seite des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu sehen ist. Das Foto zeigt die Chefin der rechten Partei Rassemblement National (RN) bei einem Handschlag mit Putin.

Offiziell sei ein Rechtschreibfehler der Grund, berichtete die Zeitung „Liberation“ am Dienstag. Dieser Fehler sei allerdings nicht zu finden gewesen. Wahrscheinlich sei eher das unter den aktuellen Umständen besonders peinliche Foto mit Putin der Auslöser gewesen. Insgesamt 1,2 Millionen Stück der gedruckten Broschüre würden eingestampft, so die Zeitung weiter.

Die französiche Politikerin der rechtsextremen Partei Rassemblement National bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Vladimir Putin im Kreml im März 2017
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Marine Le Pen bei einem Treffen mit Wladimir Putin im Kreml im März 2017

2017 Krim-Annexion noch verteidigt

Stimmt nicht, heißt es aus der Partei. Auf dpa-Anfrage erklärte RN-Sprecherin Caroline Parmentier, der Zeitungsbericht sei vollkommen falsch, es gebe keine Anweisung zur Vernichtung der Broschüren. „Es hat eine isolierte Initiative eines Abgeordneten gegeben.“ Der Auftrag sei aber, die Broschüren überall weiter zu verteilen. Die Präsidentschaftswahl in Frankreich steht im April an.

Le Pen war vier Wochen vor der letzten Präsidentschaftswahl 2017 von Putin in Moskau empfangen worden. Putin stehe für „eine neue multipolare Vision der Welt“, sagte Le Pen damals. Mit Blick auf die Ukraine teile sie die Ansicht Putins. „Die Krim gehörte niemals zur Ukraine“, hatte Le Pen in einem Interview mit einer russischen Zeitung gesagt.

Neben Le Pen sind auch weitere französische Präsidentschaftskandidaten wegen ihrer Nähe zu Putin in Bedrängnis geraten, insbesondere der rechtsextreme Politiker Eric Zemmour und der linkspopulistische Kandidat Jean-Luc Melenchon.

Lega-Nord-Politiker Matteo Salvini
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Lega-Chef Matteo Salvini bei einer Rede 2020

Salvini in der Bredouille

Auch in Italien sind Rechtspopulisten in der Putin-Falle. Matteo Salvini, Chef der ausländerfeindlichen Regierungspartei Lega galt als Mann mit guten Kontakten zu Moskau. Auch war er einst voll des Lobes für den Kreml-Chef: Putin sei „der fähigste Staatsmann der Welt“, wird er vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zitiert. So stand die Lega etwa auch im Verdacht, vom Kreml illegal finanziert worden zu sein, heißt es in dem Artikel weiter.

Salvini verurteilte zwar den Angriff auf die Ukraine, tat sich allerdings schwer, nun den Anti-Putin-Kurs der italienischen Regierung und der EU mitzutragen. So sprach sich Salvini etwa gegen den SWIFT-Ausschluss Russlands aus und argumentierte damit, dass italienische Interessen in Gefahr sind. „Wenn die Zahlungen zwischen den Banken verhindert werden, haben wir kein Gas mehr“, warnte er laut Medienangaben. Sanktionen seien gut, dürften allerdings nicht selbstzerstörerisch wirken, so der Lega-Chef.

D: Probleme für Linke und AfD

Die deutsche Linken-Politikern Sahra Wagenknecht musste sich von der eigenen Partei einen Rüffel holen. Nach der russischen Invasion in die Ukraine ringt die Linke-Fraktion im deutschen Bundestag um eine klare Position gegenüber Russland. Außenpolitiker Gregor Gysi warf einer Gruppe um Sahra Wagenknecht mangelnde Empathie gegenüber der Ukraine vor und rüffelte Wagenknecht. Gysis Ausführungen grenzten an „Rufmord“, so Wagenknechts Antwort. Am Dienstag schlug sie dann Verhandlungen mit Putin vor.

Die Alternative für Deutschland (AfD) trifft diese Krise an ihrer Achillesferse. Denn die Partei tritt seit Jahren für ein enges Verhältnis zu Russland ein. Der Partei- und Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla traf Russlands Außenminister Sergej Lawrow und trat im Juni 2021 bei einer Konferenz des russischen Verteidigungsministeriums auf. Interne Uneinigkeit und Streitigkeiten sind die Folge. Die AfD kämpft um ihre Ausrichtung gegenüber Putin und Russland.

Der russische Präsident Wladimir Putin telefoniert
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Putin bei einem Telefonat Ende 2021

Orban rückt von Putin ab

Der ungarische Ministerpräsident Victor Orban rückte ebenfalls von Putin ab. In den Jahren seit seinem Amtsantritt 2010 entwickelte der rechtsnationale Politiker ein freundschaftliches Verhältnis zu dem Kreml-Chef. Orban trug in der EU die Sanktionsbeschlüsse gegen Russland sowie die Entscheidung, die Ukraine mit Waffen zu unterstützen, mit. Waffenlieferungen über Ungarn erteilte er allerdings eine Abfuhr. Zugleich verurteilte er den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eher halbherzig.

Erdogan auf der Seite Kiews

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan distanzierte sich. Erdogan wurde bisher ein gutes Verhältnis zu Putin nachgesagt. Trotz unterschiedlicher Positionen unter anderem im Syrien-Konflikt stärkten Ankara und Moskau in den vergangenen Jahren ihre Handels- und Verteidigungsbeziehungen. Der Kauf des russischen Flugabwehrraketensystems S-400 durch die Türkei sorgte für Unmut bei den NATO-Partnern.

Der russische Präsident Wladimir Putin bei einer Feier in Moskau Ende Februar
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Putin bei einer Feierlichkeit zum Tag der Verteidiger des Vaterlandes in Moskau Ende Februar

Erdogan stellte sich allerdings gleich nach Beginn der Invasion deutlich auf die Seite Kiews. „Wir lehnen Russlands Militäreinsatz ab“, sagte Erdogan vergangene Woche. Die Invasion sei ein „schwerer Schlag für den Frieden und die Stabilität in der Region“.

Das NATO-Mitglied Türkei hatte in den vergangenen Jahren immer wieder die engen Beziehungen zur Ukraine hervorgehoben. Die russische Annexion der Krim im Jahr 2014 hatte Erdogan – auch wegen der historischen Präsenz ethnisch-türkischer Tataren auf der Halbinsel – scharf angeprangert. Den Zorn Moskaus zog die Türkei auf sich, als sie Kampfdrohnen an die Ukraine verkaufte.

Bolsonaro verurteilt Invasion nicht

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro lehnte es am Montag nach einem Gespräch mit Putin ab, den Einmarsch Russlands in der Ukraine zu verurteilen. „Wir werden nicht Partei ergreifen, wir werden weiterhin neutral bleiben und mit allem, was möglich ist, helfen“, sagte Bolsonaro auf einer Pressekonferenz. Er habe am Sonntag zwei Stunden lang mit Putin gesprochen. Bolsonaro war auch Mitte Februar bei Putin zu Gesprächen im Kreml.

„Ein großer Teil der ukrainischen Bevölkerung spricht Russisch“, so Bolsonaro am Sonntag. Russland und die Ukraine seien „praktisch verbrüderte Nationen“. Damit stellte sich der Rechtspopulist gegen den Resolutionsentwurf des UNO-Sicherheitsrats zur Verurteilung der russischen Invasion in der Ukraine, obwohl Brasilien am Freitag dafür gestimmt hatte. In Südamerika bleiben die Staatsoberhäupter von Kuba, Venezuela und Nicaragua weiter auf der Seite Putins.

Trumps Nähe zu Putin

Auch in den USA ist die Beziehung zu Putin ein großes Thema: Kritiker hatten dem Rechtspopulisten Donald Trump während seiner Amtszeit eine zu große Nähe zu Putin vorgeworfen. In der gleichen Zeit verweigerte Trump der mit Washington verbündeten Ukraine wichtige Militärhilfe, während er erfolglos versuchte, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski unter Druck zu setzen, damit er vor der Wahl 2020 politische Argumente gegen die Familie Biden ausgräbt.

Trump lobte dann auch am Wochenende Putin erneut als „schlau“, allerdings distanzierte er sich erstmals von dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Mit ihm als US-Präsidenten wäre es nie so weit gekommen, sagte Trump am Samstag unter frenetischem Applaus seiner Fans auf der Konferenz der US-Konservativen (CPAC). Trumps Masche kommt bei seinen Anhängern und Anhängerinnen offenbar gut an. Sie forderten den 75-Jährigen auf, bei der Präsidentschaftswahl 2024 erneut zu kandidieren.

Nun Selenski für Trump „mutiger Mann“

Trump bezeichnete den russischen Großangriff auf die Ukraine als „schreckliche Katastrophe“, machte aber vor allem die NATO und seinen Nachfolger Joe Biden für die Lage mitverantwortlich. „Das Problem ist nicht, dass Putin schlau ist, denn natürlich ist er schlau“, sagte Trump. „Das eigentliche Problem ist, dass unsere Anführer so dumm sind.“

Nur wenige Tage zuvor hatte Trump Putins Vorgehen in der Ukraine-Krise noch als „genial“ und „smart“ bezeichnet. Dass er den autoritär regierenden Staatschef inmitten einer gravierenden Krise lobte, hatte in den Onlinenetzwerken rasch fassungslose Kommentare zur Folge. Nun nannte Trump Selenski einen „mutigen Mann“.

Sanktionen als Grund zum Distanzieren

Nicht nur der Einmarsch in die Ukraine, sondern auch die Sanktionen sind ein Grund, sich von Putin zu distanzieren.
So wiesen die russischen Milliardäre Michail Fridman und Pjotr Awen die gegen sie verhängten EU-Sanktionen als unberechtigt zurück und gingen auf Distanz zur russischen Politik und Putin. Sie wollen die Maßnahmen wie das Einfrieren von Vermögenswerten oder Einreiseverbot in die Europäische Union anfechten. Auch der russische Großaktionär des deutschen TUI-Konzern, Alexej Mordaschow, will einer Sprecherin zufolge Optionen mit Blick auf die Sanktionen prüfen. Er habe keine Nähe zur Politik, hieß es auch in einer von seinem Unternehmen Severstal verbreiteten Stellungnahme.

Die EU hatte Awen als „einen der engsten Oligarchen von Wladimir Putin“ bezeichnet. Fridman wurde als ein „führender russischer Finanzier und Förderer von Putins innerem Kreis bezeichnet“. Fridman wies die Vorwürfe zurück. Es sei unwahr, dass er „enge Beziehungen“ zur Regierung Präsident Putins gepflegt habe. Beide Milliardäre bezeichneten es auch als nicht richtig, dass sie „inoffizielle Abgesandte der russischen Regierung“ seien.