Flüchtlinge aus der Ukraine vor einem Reisebus
AP/Markus Schreiber
Hilfe für Geflüchtete

„Kein Sprint, sondern ein Marathon“

Mit Geschlossenheit und koordinierter Hilfe will Österreich den Vertriebenen des Krieges Russlands gegen die Ukraine helfen. Das sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Montag bei einer Pressekonferenz mit Diakonie, Volkshilfe, Caritas und Rotem Kreuz. Österreich sei gefordert, man werde einen langen Atem brauchen: „Es ist kein Sprint, es ist ein Marathon“, sagte Caritas-Präsident Michael Landau. Laut Karner haben bisher 45.000 Menschen die Grenze übertreten, drei Viertel wollen weiterreisen.

Karner verwies darauf, dass derzeit die Mehrheit der Ankommenden zu Bekannten, Freunden und Familie in anderen europäischen Ländern weiterreisen will, in denen es teils große ukrainische Gemeinschaften gibt. Es wird aber damit gerechnet, dass zunehmend Menschen auch in Österreich bleiben werden.

Aktuell gelte es vor allem, Quartiere bereitzustellen, Geflüchteten schnell und unbürokratisch temporären Schutz zu gewähren und Hilfslieferungen in die Ukraine durchzuführen, so Karner. Insbesondere Wohnraum sei gefragt. Er verwies erneut darauf, dass die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) die Koordination von Privatquartieren für Kriegsvertriebene durchführt. Bisher hätten 4.500 Menschen Quartiere angeboten. „In Summe können wir allein dadurch 20.000 Plätze anbieten“, berichtete Karner. Er rief dazu auf, sich weiterhin zu melden.

Erich Fenninger (Volkshilfe), Michael Landau (Caritas), Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), Maria Katharina Moser (Diakonie) und Michael Opriesnig (Rotes Kreuz)
APA/Hans Punz
Fenninger (Volkshilfe), Landau (Caritas), Innenminister Karner, Moser (Diakonie) und Opriesnig (Rotes Kreuz) (v. l. n. r.)

Hilfslieferungen in Ukraine ebenfalls zentral

Karner verwies auf die kürzlich beschlossene EU-Richtlinie für vorübergehenden Schutz, die schnelle und unbürokratische Unterstützung für ein Jahr erlaubt und danach verlängert werden kann. Diese muss nun in nationales Recht überführt werden. Wichtig seien auch die laufenden Hilfslieferungen in die Ukraine, denn nicht jeder könne oder wolle das Land verlassen – etwa wegen des Alter oder wegen Gebrechlichkeit. Karner rief aber dazu auf, von privat organisierten Hilfsfahrten in die Ukraine abzusehen und stattdessen Geld zu spenden – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Die aktuellen Bilder seien „dramatisch“, die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa bahne sich an. „Dies fordert uns alle“, so Karner. Er verwies auch auf die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung und die gute Zusammenarbeit der Hilfs- und Zivilorganisationen. „Wer schnell hilft, hilft doppelt, wer unbürokratisch hilft, hilft dreifach“, so Karner.

7.000 Schutzsuchende täglich in Österreich

Bis zu 7.000 Geflüchtete aus der Ukraine kommen jeden Tag über die österreichische Grenze. Die meisten Menschen ziehen in andere Länder weiter.

„Niederlage für die Menschlichkeit“

Von einem „Schulterschluss“ sprach Caritas-Präsident Michael Landau. Der Krieg sei eine „Niederlage für die Menschlichkeit“, nun müsse man weiter helfen. Er berichtete angesichts der Zerstörung und des Beschusses von dramatischen Umständen in der Ukraine, wo die Caritas seit mehr als 30 Jahren tätig ist. Die Versorgung von Binnenflüchtlingen im Westen des Landes sei voll angelaufen, man sorge derzeit für Lebensmittel, medizinische Güter, Hygieneartikel und Trinkwasser und stelle sichere Orte zum Schlafen zur Verfügung. Diese Hilfe müsse man aufrecht halten, derzeit würde die Versorgung aber immer schwieriger.

Die Solidarität sei derzeit beeindruckend, aber die Hilfe sei kein Sprint, sondern ein Marathon. Es gehe auch darum, die EU-Richtlinie schnell in nationales Recht umzusetzen und für dauerhafte Strukturen für Geflüchtete zu sorgen. Landau verwies auf die Themen Arbeit, Schule, Wohnen und Förderung der ukrainischen Muttersprache.

Forderung nach rascher Normalität für Geflüchtete

„Wir haben es mit Menschen zu tun, die zutiefst traumatisiert sind“, sagte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Familien in der Ukraine würden derzeit auseinandergerissen, Existenzen zerstört. Viele Menschen stünden vor einer vollkommen ungewissen Zukunft. Daher sei es wichtig, für Schutzsuchende rasch Normalität herzustellen und keine langen Aufenthalte in Massenunterbringung zu forcieren. Moser verwies auf die Hilfe für Schutzsuchende in Wien, die bereits voll angelaufen ist – mehr dazu in wien.ORF.at.

Situation in einem Ankunftszentrum für Flüchtlinge aus der Ukraine in Wien-Leopoldstadt
APA/Benedikt Loebell
Im Austria Center in Wien gibt es erste Hilfe für Ankommende, medizinische Betreuung und Beratung

Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger dankte für die gute Zusammenarbeit und lobte den EU-Beschluss für schnelle Hilfe. Der Krieg in der Ukraine sei „ein Krieg gegen die Menschheit“, ungeachtet dessen, wie Scheinargumente und Propaganda Kriegsursachen begründen würden. „Wenn Krieg im Nachbarland geführt wird, trifft er auch uns.“ Auch Fenninger verwies darauf, dass die Hilfslieferungen in die Ukraine von größter Relevanz seien, immerhin müssen oder wollen viele Menschen in der Ukraine bleiben. Er versicherte: „Die Hilfslieferungen kommen an.“

„Humanitäre Hilfe muss ermöglicht werden“

Rotkreuz-Generalsekretär Michael Opriesnig berichtete von einer schwierigen Hilfsmission, die „wieder einmal ein Großeinsatz“ für das Rote Kreuz sei. Zwölf Millionen Menschen brauchten Hilfe, auch er verwies auf Alte, Kranke und Gebrechliche. Viele Menschen hätten aufgrund der schweren Kämpfe keinen Zugang zum Notwendigsten mehr. Helferinnen und Helfer würden in dieser schwierigen Situation in Kampfpausen die Menschen mit dem Notwendigsten versorgen.

Man habe zuletzt auch mehrere Experten in das Krisengebiet geschickt, zudem sei ein Hilfsgütertransport im Wert von 2,2 Mio. Euro in Vorbereitung. Eine „Mammutaufgabe“ werde auch der Suchdienst für Familienzusammenführung. Opriesnig betonte, dass auch in der Ukraine die Regeln des humanitären Völkerrechts gelten müssten. Zivilpersonen und zivile Infrastruktur sowie medizinisches Personal müssten geschützt werden: „Unparteiische humanitäre Hilfe muss ermöglicht werden.“