Auskunftsperson Bernhard Weratschnig
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ÖVP-U-Ausschuss

Neue Details zu Druck auf WKStA

Seit Beginn der „Ibiza“-Affäre ist von „Störfeuern“ gegen die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die Rede. Im ÖVP-U-Ausschuss kritisierte am Mittwoch Oberstaatsanwalt Bernhard Weratschnig mangelnde Konsequenzen nach den publik gewordenen Chats. Auch neue Details zum Druck auf die WKStA waren Thema – und die späte Aktenlieferung des Finanzministeriums ist um eine Facette reicher.

Weratschnig ist nicht nur Gruppenleiter in der WKStA, sondern seit 2014 auch Personalvertreter. Dementsprechend offen kommunizierte er Unverständnis über Vorgänge, die sich in den vergangenen Jahren abgespielt hätten. Im Zentrum der Befragung standen etwa Chats zwischen dem mittlerweile suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek und dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Johann Fuchs. Letzterer musste die Fachaufsicht über die WKStA an einen Oberstaatsanwalt der OStA Innsbruck abgeben.

Vor der Befragung hatte die Wochenzeitung „Falter“ Korrespondenzen zwischen Fuchs und Pilnacek veröffentlicht – auch ORF.at liegen die Protokolle vor. Darin wird etwa der Leiter der „Soko Tape“, Andreas Holzer, gebeten, die WKStA sinngemäß im Auge zu behalten. Anlass dafür waren Leaks über die mögliche Befangenheit eines „Soko“-Beamten. Fuchs und Pilnacek gingen davon aus, dass der Leak aus der WKStA stammt: „Wir müssen koordinieren; meine Idee ist, dass StA Wien (…) mit Soko das Leak ermittelt“, schrieb Pilnacek an Fuchs.

Auskunftsperson Bernhard Weratschnig
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WKStA-Gruppenleiter und Personalvertreter Weratschnig kritisierte die Chats zwischen Fuchs und Pilnacek

Weratschnig nimmt Justizministerin in die Pflicht

Weratschnig kritisierte die in den Chats dargestellte Vorgehensweise. Eine Sonderkommission, die dem Bundeskriminalamt zugeteilt ist, sei für solche Ermittlungen nicht zuständig. Zudem sei die „Soko Tape“ selbst als „Leaker“ in Verdacht gestanden. Dass eine Polizei nicht nur für eine Staatsanwaltschaft ermittelt, sondern auch gegen sie, sei „einzigartig“. Die Sprache in den Chats würden eine Befangenheit von Fuchs und Pilnacek offenbaren. Beide wiesen in der Vergangenheit jegliche Vorwürfe zurück. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.

Diesbezüglich nahm Weratschnig Justizministerin Alma Zadic (Grüne) in die Pflicht. Als Personalvertreter habe er sich bereits mit einem offenen Brief an die zuständige Ressortchefin gewandt. Für ihn sei es schwer verständlich, dass es zu keinen Konsequenzen komme, wie es sonst üblich sei. Zwar sei Pilnacek suspendiert worden, aber OStA-Wien-Leiter „Fuchs ist noch immer leitender Oberstaatsanwalt“. Er als Personalvertreter sieht in dieser Causa dringenden Handlungsbedarf. Auf die Ermittlungen der OStA Innsbruck gegen Fuchs und Pilnacek wollte er nicht näher eingehen.

Christian Stocker (ÖVP)
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ÖVP-Mandatar Christian Stocker wollte wissen, ob es eine politische Einflussnahme auf die Verfahren gegeben hat

„Pilnacek war ein Vorbild für mich“

Die ÖVP wollte von Weratschnig anschließend wissen, ob er politische Interventionen auf die Causa-Casinos-Ermittlungen wahrgenommen habe. Der Gruppenleiter verneinte die Frage. Die Auswertung der Chats würden zeigen, dass vieles nicht über offizielle Kanäle stattfindet, sondern über private Korrespondenzen. Ähnliches hatte Weratschnig auch im „Ibiza“-U-Ausschuss gesagt. Maßnahmen der Fachaufsicht hätten zu Verzögerungen geführt, führte er aus.

Über ein „System Pilnacek“ könne er nichts sagen, da er kein Sachbearbeiter ist. Er kenne Pilnacek schon lange. Im Justizministerium war er als Sektionschef der direkte Vorgesetzte der Auskunftsperson. „Pilnacek war ein Vorbild für mich“, sagte Weratschnig, er habe ihn „immer sehr geschätzt“. Der WKStA-Gruppenleiter könne sich nicht erklären, wie es zu den Vorfällen gekommen ist. Er würde aus Befangenheitsgründen kein Verfahren gegen den suspendierten Beamten führen. Fuchs kennt Weratschnig seit 2011. Er habe ihn bei der WKStA kennen und schätzen gelernt, wie die Auskunftsperson sagte. Fuchs war selbst als Staatsanwalt bei der WKStA tätig.

„Kulturwandel“ bei Berichtspflichten

Auf die NEOS-Frage, wie die Auskunftsperson die Chats von Ex-WKStA-Staatsanwältin Linda Poppenwimmer an OStA-Leiter Fuchs wahrgenommen habe, sagte dieser, dass die frühere Kollegin den Dienstweg einhalten hätte sollen. Probleme bespreche man intern und leite sie nicht mit Fotos von Kalendereinträgen an die Fachaufsicht weiter. Die frühere Staatsanwältin, die demzufolge Interna an Fuchs weitergab, wechselte – unter Begleitung medialer Berichterstattung – zur Anwaltskanzlei Ainedter, die zwei Beschuldigte in der Causa Casinos vertritt.

Eindrücke vom ÖVP-Untersuchungsausschuss
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Den Vorsitz führte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl beriet ihn dabei

Den Wechsel zur Kanzlei hatte die frühere Ermittlerin in einer Aussendung mit einem „vergifteten Klima“ und „Freund/Feind-Denken“ argumentiert. Poppenwimmer sei für ein Jahr karenziert, hätte also ein Rückkehrrecht zur WKStA. Ob sie von ihrem Recht Gebrauch mache, wisse die Auskunftsperson nicht. Weratschnig vermutet, dass durch Dienstzuteilungen – etwa durch Christine Jilek – eine Kompensation vorgenommen werden könnte. Jilek hatte im Frühjahr 2021 für Aufsehen gesorgt, weil sie im „Ibiza“-U-Ausschuss öffentlich das „System“ im Justizministerium kritisiert. Später trat sie als Proponentin des Antikorruptionsvolksbegehren auf.

In den vergangenen Monaten habe sich aber auch einiges geändert, wie Weratschnig betonte. So sei es durch den Wegfall der Dreitagesberichtspflicht zu einem „Kulturwandel“ gekommen. Auch Berichtspflichten über Medienberichterstattung seien weggefallen. Es sei „offenbar“ der politische Wille vorhanden, die Berichtspflichten der Staatsanwaltschaften ganzheitlich zu ändern.

Stephanie Krisper (NEOS)
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Großes Interesse an den Chats zwischen Fuchs und Pilnacek hatte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper

Späte Aktenlieferung um eine Facette reicher

Weratschnig führte in der Befragung auf Frage der Grünen näher aus, dass ein Vorhabensbericht gegen den Präsidenten der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, vorliege. Peschorn soll im Zuge der verspäteten Aktenlieferung aus dem Finanzministerium an den „Ibiza“-U-Ausschuss Beitragstäterschaft vorgeworfen werden. Der Finanzprokuratur-Präsident habe inzwischen in einer Dienstaufsichtsbeschwerde bestimmte Verfahrensschritte bemängelt. Der Vorhabensbericht liege derzeit beim Justizministerium, so Weratschnig.

Kurz waren auch die Umfragen von Sabine Beinschab Thema. Der Vorwurf lautet, dass die ÖVP von mit Steuergeldern finanzierten Studien, die vom Finanzministerium in Auftrag gegeben wurden, profitierte. Ein Revisionsbericht des Ressorts wurde auf Bitten des Finanzministeriums von der Akteneinsicht ausgenommen, sagte Weratschnig, an die Begründung könne er sich nicht mehr erinnern. Die Auskunftsperson glaubt allerdings, dass das Ersuchen von Peschorn gekommen sei. Später wurde diese Ausnahme von der Akteneinsicht aufgehoben.

Norbert Hofer
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Auch der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) hatte am Mittwoch einen Auftritt: Als Vorsitzender nach Sobotka

Im U-Ausschuss stellte der WKStA-Gruppenleiter auch klar, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft die Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher nicht angezeigt hat. Ihm ist auch kein Verfahren gegen die Juristin bekannt. Aicher hatte die WKStA im Zuge der ÖVP-Inseratenaffäre (Stichwort Beinschab) in einer Presseaussendung scharf kritisiert. Laut Berichten wurde die Aussendung mit Unterstützung der Kanzlei Ainedter erstellt.

Kloibmüller-Chats werden gesichtet: Disput

Abseits der Befragung sorgte die Zulassung von Chats als Beweismittel für einen Disput. Vergangene Woche hatte der frühere Abgeordnete und nunmehrige ZackZack-Herausgeber Peter Pilz als Auskunftsperson dem Ausschuss Dutzende Seiten an Chats aus dem Handy des ehemaligen Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller, mitgebracht. Trotz Widerstands der ÖVP wurden sie zugelassen. Darin fanden sich auch Nachrichten von Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka (beide ÖVP). Wie Weratschnig mitteilte, schaut sich auch die WKStA die Korrespondenzen an.

Peter Pilz
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Pilz hatte Chats in den U-Ausschuss mitgebracht – diese wurden als Beweismittel zugelassen

ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger kritisierte am Mittwoch das Vorgehen der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), die am Donnerstag den Vorsitz geführt hatte. Bures halte sich nicht an die Geschäftsordnung, indem sie „nicht rechtmäßig erlangte Beweismittel zugelassen“ habe. Auch habe sie dabei über die Klassifizierung eines Dokuments abstimmen lassen, dessen Inhalt weitgehend unbekannt war.

Aus dem Büro von Bures hieß es daraufhin, „wesentliche Leitlinie der Zweiten Nationalratspräsidentin“ sei es, in der U-Ausschuss-Vorsitzführung strikt nach Gesetz und Verfahrensordnung vorzugehen. Für parteipolitische Auseinandersetzungen stehe die Zweite Nationalratspräsidentin in ihrer Funktion als U-Ausschuss-Vorsitzende daher nicht zur Verfügung.