Ein Mann betankt ein Auto
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Spritpreise

Debatte über Deckelung nimmt Fahrt auf

Die Treibstoffpreise steigen weiter deutlich: Laut ÖAMTC kostete der Liter Diesel am Donnerstag hierzulande im Schnitt 2,056 Euro, Superbenzin kostete durchschnittlich 1,937 Euro. Die Rufe nach einem Eingriff zur Senkung werden lauter: So forderte etwa die SPÖ eine Streichung der Mehrwertsteuer. Auch aus den ÖVP-Ländern Oberösterreich und Tirol wurden Maßnahmen gefordert. Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sagte unterdessen, dass eine Mehrwertsteueränderung EU-rechtlich nicht gehe.

Rendi-Wagner forderte im Ö1-Morgenjournal und in der „Kronen Zeitung“ ein Aussetzen der Steuer bis Jahresende, das würde eine Preissenkung von rund 30 Cent je Liter bringen. Dem Budget würden durch die Steuerstreichung rund 600 Mio. Euro fehlen, sagte die SPÖ-Parteivorsitzende im ORF-Radio. In der „Krone“ sprach Rendi-Wagner von 800 Mio. Euro.

Rendi-Wagner forderte später in einer Pressekonferenz außerdem „rasch und sofort“ die Einführung eines Preisdeckels für Strom und Gas. Bezieher von niedrigen Einkommen sollten bei Strom nicht mehr als 20 Cent pro kWh und bei Gas nicht mehr als sieben Cent pro kWh zahlen, auch das befristet, so SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll.

„Staat muss aktiv gegensteuern“

„Der Staat muss jetzt handeln und aktiv gegensteuern“, so die SPÖ-Chefin. Schließlich seien „sehr viele Menschen auf das Auto angewiesen und haben keine Möglichkeit, einfach auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen“, so Rendi-Wagner.

Auch der oberösterreichiche Landeshauptmann äußerte sich ähnlich. Zur Tageszeitung „Österreich“ sagte Stelzer: „Die stark steigenden Energiepreise werden zu einer zunehmenden Belastung für die Menschen. Ein warmes Zuhause oder die Mobilität dürfen keine Luxusgüter werden. Daher braucht es dringend Lösungen, um die Entwicklung abzufedern und die Landsleute zu entlasten.“ Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) sieht ebenso den Staat gefordert. „Ich würde nicht nur die Mehrwertsteuer diskutieren, sondern auch die Mineralölsteuer.“

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sprach sich dafür aus, „dass Steuern reduziert werden. Dabei meine ich die Mehrwert- und Mineralölsteuer in Zusammenhang mit Treibstoffen und Gas.“ Zudem müsse sich die Bundesregierung überlegen, ob der Zeitpunkt für die Einführung einer CO2-Bepreisung richtig sei, so Platter.

Karner verweist auf „Entlastungspaket“

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) verwies unterdessen auf das EU-Recht: „Die Senkung der MwSt auf Treibstoff ist unionsrechtlich nicht möglich. Das Problem der Teuerung wird von der Bundesregierung ernst genommen und hat für uns oberste Priorität. Wir beobachten die Lage und arbeiten an Lösungen“, so Köstinger gegenüber der APA.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) verwies bei einem gemeinsamen Pressetermin mit Platter auf das „Entlastungspaket“, das die Bundesregierung Ende Jänner präsentiert habe. Es sei aber Aufgabe der Regierung, „wenn sich Situationen verändern, das zu diskutieren und zu besprechen“. Man werde berichten, „wenn entsprechende Maßnahmen gesetzt werden“.

Steuer macht rund Hälfte des Spritpreises aus

Die Kraftstoffpreise an den Zapfsäulen setzen sich aus dem Produktpreis, einem Gewinnaufschlag und zwei Steuern zusammen – der Mineralölsteuer (MöSt) und der Mehrwertsteuer (MwSt). Der Steueranteil lag laut ÖAMTC für Benzin im Jahresschnitt 2021 bei 54 Prozent, für den Liter Diesel waren es rund 49 Prozent. Mit 1. Juli kommt laut Plan noch ein CO2-Malus dazu.

Grafik zeigt die Zusammensetzung des Treibstoffpreises für Diesel und Benzin
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: ÖAMTC

Die Forderung etwa der Wirtschaftskammer (WKO), diese CO2-Bepreisung auszusetzen, führte zuletzt zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen WKO-Chef Harald Mahrer und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Letzterer sprach davon, dass die Wirtschaftskammer dem russischen Staatschef Wladimir Putin einen „roten Teppich mit Schleimspur“ ausgerollt habe. Rendi-Wagner will umweltbezogene Steuern nicht antasten, sagte aber dazu: Niemand wisse, wie sich die Situation auf den Weltmärkten entwickle, daher seien zusätzliche Maßnahmen nicht auszuschließen.

FPÖ will Mehrwertsteuer halbieren, NEOS für Gipfel

Angesichts der hohen Energie- und Spritpreise forderte auch die FPÖ Maßnahmen. Parteichef Herbert Kickl verlangte eine Halbierung der Mehrwertsteuer in zahlreichen Bereichen von derzeit 20 auf zehn Prozent. Zusätzlich will Kickl auch eine Reduzierung der Mineralölsteuer, die CO2-Abgabe soll gestrichen werden.

NEOS forderte erneut einen „Entlastungsgipfel“. „Mit populistischen Schnellschüssen ist niemandem geholfen, wir brauchen Maßnahmen, die Österreich auch dauerhaft stemmen kann und die nicht wieder wild mit der Gießkanne verteilt werden“, so deren Wirtschaftssprecher Gerald Loacker.

WIFO: MwSt-Streichung begünstigt höhere Einkommen

Das WIFO sprach sich unterdessen gegen eine generelle Steuersenkung auf Energie und für ein Beibehalten der CO2-Bepreisung aus. Von einer Senkung der Steuerbelastung würden vor allem Bezieher höherer Einkommen profitieren sowie bei Sprit auch nicht unerheblich ausländische Unternehmen durch den Tanktourismus, sagte das WIFO.

Aktuelle Preise an einer österreichischen Tankstelle
ORF
Die Preise – hier am Mittwoch in Eisenstadt – steigen enorm

An Haushalte und Unternehmen sollten jedoch die von den Energiepreissteigerungen verursachten zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen zeitnah in Form von Entlastungsmaßnahmen zurückgegeben werden. Außerdem könnten mit einem Teil der Mittel öffentliche Investitionen zur Erleichterung des Umstiegs auf emissionsfreie Energiequellen finanziert werden.

WIFO verweist auf Herausforderungen durch Klimakrise

Falls politisch eine Senkung der Mehrwertsteuer nicht vermeidbar sei, sollte sie auf Strom erfolgen, nicht aber auf Erdgas und Erdöl. Denn nur so könne man die Anreize für eine ökologischere Gestaltung des Energiemix steigern. Als strukturpolitische Maßnahme wäre ein solcher Schritt für das WIFO sogar „dauerhaft sinnvoll“. Bei temporärer Senkung bestehe die Gefahr eines zusätzlichen Inflationsdrucks bei der Rückkehr zum regulären Satz.

An der geplanten Einführung der CO2-Bepreisung für den Nicht-Emissionshandelssektor sollte festgehalten werden, so das WIFO. Sie sei Teil der ökosozialen Steuerreform, die als Kompensation die Rückverteilung der Einnahmen an die Haushalte über den regional differenzierten Klimabonus vorsehe. Trotz Energiepreisanstieges blieben die Herausforderungen für die Bekämpfung des Klimawandels bestehen, eine weitere Verzögerung klimapolitischer Anstrengungen sollte vermieden werden.

CO2-Bepreisung für Ölexperten zweischneidiges Schwert

Für den Ölexperten Johannes Benigni vom Energieberatungsunternehmen JBC Energy hat der hohe Tankstellenpreis global betrachtet mehrere Gründe. Hohe Rohölpreise bei gleichzeitig hohem Dollar-Kurs und steuerlichen Lenkungseffekten im Zuge der Bekämpfung des Klimawandels hätten zu diesem Anstieg geführt, so Benigni.

Die CO2-Bepreisung sieht er als zweischneidiges Schwert: Würde in Kombination mit den hohen Marktpreisen der Betrieb eines Verbrennerautos für einkommensschwache Haushalte zum Problem, ein E-Auto aber nicht erschwinglich, „dann bleiben sie übrig“, so Begnigni zur APA. E-Autos würden zu 80 Prozent von Firmen erworben – vor allem wegen steuerlicher Vorteile, so Benigni.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte unterdessen „den Versuch von Benzinlobby und WKO, die akute Krise zu nutzen, um wichtige Klimaschutzmaßnahmen aufzuweichen“. Der VCÖ wiederum plädierte für ein Maßnahmenpaket zur Reduktion der Erdölabhängigkeit des Verkehrs.

Tanktourismus hinter österreichischer Grenze

Die hohen Spritpreise haben in Grenzregionen unterdessen offenbar zu vermehrtem Tanktourismus geführt. In Ungarn ist etwa eine Tankfüllung von 60 Liter um bis zu 40 Euro billiger, was viele Burgenländerinnen und Burgenländer dazu veranlasst hat, hinter der Grenze zu tanken. Der Andrang auf ungarische Tankstellen hat jedoch Folgen: Einige Tankstellen haben den Treibstoff rationiert, manchen Anbietern ist der Diesel sogar ausgegangen – mehr dazu in burgenland.ORF.at.