Positiver Coronatest
APA/Roland Schlager
Neuer Höchstwert

Fast 60.000 Fälle in 24 Stunden gemeldet

Die Zahl der täglichen Neuinfektionen in Österreich hat einen neuen Höchstwert erreicht. Am Mittwoch meldeten das Innen- und das Gesundheitsministerium fast 60.000 neue Fälle binnen 24 Stunden. Auch in den Spitälern steigen die Zahlen.

Die Ministerien verzeichneten exakt 58.583 neue Fälle in einem Tag. Das ist – elf Tage nach dem Aus fast aller Coronavirus-Schutzmaßnahmen und der Aussetzung der Impfpflicht – mit Abstand der höchste Wert seit Ausbruch der Pandemie.

Die Zahl der CoV-Kranken in den Krankenhäusern nahm um 46 Personen auf 3.033 zu. Davon wurden am Mittwoch 221 auf Intensivstationen (ICU) betreut – um zwei mehr als am Vortag. Binnen einer Woche stieg die Anzahl der schwer kranken ICU-Patientinnen und -Patienten um 39.

Im Siebentageschnitt sterben inzwischen pro Tag 25,1 Menschen an Covid-19. In den vergangenen sieben Tagen wurden 176 Todesfälle registriert. Insgesamt hat die CoV-Pandemie seit Ausbruch den Zahlen der Ministerien zufolge in Österreich 15.289 Menschenleben gefordert. Pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner starben bereits 170,3 Menschen an oder mit Covid-19.

Impftempo weiter gering

Das Impfen gegen SARS-CoV-2 stößt zunehmend auf weniger Interesse. 3.404 Personen ließen sich am Dienstag gegen Covid-19 schützen. Das waren um 1.000 weniger als am vorangegangenen Dienstag. Von den Geimpften waren 269 Erststiche, 804 Zweitstiche und 2.331 Drittstiche.

Insgesamt haben laut den Daten des E-Impfpasses 6.809.394 Personen bereits zumindest eine Impfung erhalten. 6.227.130 Menschen und somit 69,3 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher verfügen über einen gültigen Impfschutz.

Gratistestangebot wird zurückgefahren

Der neue Höchstwert kommt einen Tag nach Bekanntgabe der Eckpunkte der neuen Teststrategie. Ende März läuft die Finanzierung der flächendeckenden Gratistests aus. Nach Angaben des Finanzministeriums haben sie bisher mehr als drei Mrd. Euro gekostet. Ab 1. April sollen pro Person und Monat jeweils fünf PCR- und fünf Antigen-Tests gratis zur Verfügung stehen, wie Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Dienstag bekanntgab.

Zusätzliche Tests soll es laut Rauch für Menschen mit Symptomen und in besonders heiklen Settings wie Alters- und Pflegeheimen geben. Rauch: „Wer einen kostenlosen Test braucht, erhält ihn auch.“ Derzeit sei nicht die Zeit, das Pandemiemanagement „in Bausch und Bogen“ über Bord zu werfen. Darüber hinaus soll das Pandemiegeschehen verstärkt über das Abwassermonitoring beobachtet werden.

Keine Angaben konnte Rauch machen, wie viel welcher Test wo kosten werde. Es bleibe aber den Ländern unbenommen, etwa für Arbeitgeber Zuschussmodelle für ein breiteres Testangebot mitzufinanzieren. Für die Fortsetzung der Teststrategie im Schulbereich verwies Rauch auf ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek. Dieser arbeite derzeit in Abstimmung mit den Bildungsdirektionen der Länder einen Plan aus.

Neue Teststrategie präsentiert

Am Dienstag hat Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) die neue CoV-Teststrategie verkündet. Mit April werden die Gratistests auf fünf PCR- und fünf Antigen-Tests pro Monat eingeschränkt und die Quarantäneregeln gelockert.

Keine neuen Maßnahmen

Trotz der extrem hohen Infektionszahlen will Rauch an den Maßnahmen wie bisher festhalten und nicht erneut etwa die Maskenpflicht einführen – auch wenn die „nächsten Tage, auch was die Infektionszahlen betrifft, eine Belastung sein werden“, sagte er am Dienstag bei der Pressekonferenz zum Testregime.

Rauch rechnet damit, dass die Wirkungen erst dann einsetzen würden, wenn der Höhepunkt dieser Welle bereits erreicht sei. Zudem gebe es verfassungsrechtlich klare Schranken, nach denen ein Gesundheitsminister Verordnungen erlassen dürfe: „Die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein.“

Ungeschützte Kontaktpersonen dürfen arbeiten gehen

Rauch kündigte am Dienstag zudem die Lockerung der Regeln für Kontaktpersonen von Infizierten an. Bisher mussten nicht vollständig gegen das Coronavirus geschützte Personen nach einem Kontakt für zehn Tage in Quarantäne. Das soll nun durch eine Verkehrsbeschränkung ersetzt werden. Das bedeutet: Ungeschützte Kontaktpersonen – also weder geimpft noch genesen – dürfen mit Maske arbeiten gehen, einkaufen und ins Freie. Weiterhin nicht erlaubt ist der Besuch von Veranstaltungen und Lokalen.

Der Gesundheitsminister begründete diesen Schritt damit, dass Erkrankungen mit Omikron milder verlaufen und es derzeit Personalengpässe in Schulen und Krankenhäusern gebe.

Entscheidung als „Kompromiss“

Rauch bezeichnete diese Entscheidungen zu den Tests und der Lockerung der Quarantäneregeln als „Kompromiss zwischen zwei unterschiedlichen Positionen (innerhalb der Regierung, Anm.) und zwischen den Bundesländern“, die unterschiedliche Wege gegangen seien. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) war schon am Montag mit der Abschaffung der Quarantäneregeln vorgeprescht: Dass man symptomlose Infizierte „fünf bis zehn Tage wegsperrt, ist nicht nachvollziehbar“, so Stelzer – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Kritik an neuen Testregeln

Die Änderung des Testsystems stieß auf Kritik. Der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, sprach von „Entscheidungen“, die „politisch getroffen“ worden seien. Foitik ist Mitglied der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (GECKO). „In GECKO – zumindest dort, wo ich dabei bin – wurden diese Punkte nicht diskutiert und (daher) auch nicht empfohlen“, twitterte Foitik.

Der ÖGB bezeichnete den Kurs der Regierung als „unverantwortlich“. SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher sprach von einem „Chaos-Kurs“ der Regierung. Wieder einmal würden funktionierende Strukturen (der Tests, Anm.) zerstört. Unzufrieden zeigte man sich auch in Wien. „Keine gute Vorbereitung für die Zeit im Herbst“ sah etwa der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Die Stadt argumentiert, dass der Nutzen der Tests den hohen finanziellen Aufwand rechtfertige. Untermauert sieht die Stadtregierung ihre Annahme durch eine aktuelle Studie – mehr dazu in wien.ORF.at.

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner forderte die Wiedereinführung von Maßnahmen. So sollte eine Maskenpflicht in Innenräumen sofort wieder eingeführt werden, die 2-G-Regel in der Gastronomie zurückkehren, das gut ausgebaute Testsystem bestehen bleiben und die Durchimpfungsrate gesteigert werden, so Rendi-Wagner. An der Regierung übte sie scharf Kritik: Diese habe „komplett die Kontrolle“ über die Ausbreitung des Virus verloren.

NEOS vermisst Strategie

NEOS vermisst eine Strategie und sprach von „blindem Weiterwurschteln“. Gesundheitssprecher Gerald Loacker missfiel die „sehr großzügige“ Regelung für Gratistests für alle. Es sei „ein Hohn“, dass Ungeimpfte nicht einmal einen Kostenbeitrag leisten müssten. FPÖ-Chef Herbert Kickl wiederum befürchtete, dass sich Rauch die Tür für ein „weiteres Beschränkungsregime gegen die Österreicher“ offen gelassen habe. Allerdings sei die beschränkte Aufrechterhaltung von Gratistests und ein Testangebot für besonders gefährdete Gruppen „durchaus positiv zu sehen“.

Die Wirtschaftskammer zeigte sich zufrieden mit den neuen Regeln. Angesichts der teils schon bedenklich hohen Personalausfälle sei die Lockerung der Quarantänebestimmungen positiv – und mit der Maskenpflicht für Kontaktpersonen sieht die WKÖ „für größtmögliche Sicherheit gesorgt“. Was die Tests betrifft, gehe man davon aus, dass dort, wo solche als Zutritt zum Arbeitsplatz vorgeschrieben sind, diese auch weiterhin gefördert werden, hieß es aus der WKÖ.

Ärztekammer warnt vor Kollaps des Gesundheitssystems

Die Reduktion der Gratistests und die gelockerten Quarantänebestimmungen stoßen auch bei der Ärztekammer (ÖÄK) auf scharfe Kritik. „Wenn man ganz offensichtlich eine mögliche Herdenimmunität erreichen und das Virus durchrauschen lassen will, dann sollte man das auch genauso kommunizieren“, sagte ÖÄK-Vizepräsident Harald Mayer.

Auch solle man dieses Ziel „nicht in ein neues Verordnungschaos verpacken, das niemand versteht“, so Mayer. Mit diesem Schritt seien sehr hohe Neuinfektionszahlen in Österreich weiter garantiert. „So werden die Zahlen kaum nach unten gehen, was unsere Gesundheitsversorgung an den Rand des Kollaps bringen wird“, so der Vizepräsident. In der Steiermark müssen wegen der hohen Zahl von Krankenständen unter den Spitalsbeschäftigten bereits Operationen verschoben werden – mehr dazu in steiermark.ORF.at.