Experte: Putin will EU-Annäherung des Westbalkans stören

Im Konflikt mit Russland bereitet der EU derzeit auch der Einfluss Moskaus auf dem Westbalkan zunehmend Sorgen. Russland versuche bereits seit Jahren den Prozess der EU-Annäherung und Demokratisierung des Westbalkans nachhaltig zu stören und werde von diesem Ziel nun auch nicht abrücken, sagt der Balkan-Eperte Vedran Dzihic. Angesichts der „volatilen“ Situation in der Region sei ein neues Engagement des Westens in der Region dringend nötig, fordert er.

Es sei schwer vorherzusehen, was Russland tue, „aber es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass (Russlands Präsident Wladimir, Anm.) Putin auch am Balkan versucht, die Lage zu eskalieren“, so der am Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip) forschende Politikwissenschaftler.

Dass es zu einem großflächigen neuen Krieg kommen wird, glaubt Dzihic nicht, „das heißt aber nicht, dass es nicht die Perspektiven gibt für niederschwellige Konflikte, für eine Blockade der Staatlichkeit und eine ganze Reihe von Problemen, die sich auf vielen Ebene zeigen“.

„Hohes Destabilisierungspotenzial“

Die größte Gefahr sieht der Experte für Bosnien-Herzegowina, wo der serbische Landesteil – die Republika Srpska – unter Milorad Dodik die separatistischen Bemühungen vorantreibt und seit Monaten den Gesamtstaat blockiert. „Die Angriffe Dodiks auf den Zentralstaat werden maßgeblich von Russland unterstützt“, sagt Dzihic.

Alle Schritte Dodiks würden offensichtlich mit dem russischen Botschafter abgesprochen. Moskaus „Interesse ist, dass Bosnien-Herzegowina destabilisiert wird und zu einem Konflikt-Nebenschauplatz neben der Ukraine wird“. Aber auch in Montenegro, Serbien und im Norden des Kosovo sieht Dzihic „ein hohes Destabilisierungspotenzial“.

Nehammer: EU-Beitrittsprozess in Serbien beschleunigen

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) fordert wegen der befürchteten Destabilisierung des Westbalkans durch Russland eine Beschleunigung des EU-Beitrittsprozesses für die Region. „Wir können sie nicht jemand anders überlassen“, sagte er bei einem Besuch in Serbien mit Blick auf Russland und China.

Die serbische Regierungschefin Ana Brnabic bemühte sich, Sorgen vor neuen Spannungen in der Region zu zerstreuen. Seine Haltung zu Moskau will Belgrad nicht ändern.

„Serbien wird am Balkan weiter die Rolle als Stabilitätsfaktor und Exporteur für den Frieden haben“, so Brnabic bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nehammer in Belgrad. Die EU könne vollständig mit Serbien rechnen: „Wir werden nicht zulassen, dass irgendeine Instabilität in der Region passiert.“

Dass sich Serbien den Sanktionen gegen Russland nicht angeschlossen hat, begründete die serbische Regierungschefin damit, dass Serbien 1999 einen NATO-Angriff erlebt und selbst unter Sanktionen gelitten habe. „Wir sehen Sanktionen nicht als Lösung in dem Konflikt.“

Bei den Beitrittsverhandlungen müsse auch die EU ihre „Hausaufgaben machen, damit der Prozess beschleunigt wird“, so der Kanzler. Aus Sicht Österreichs sei es wichtig, „dass wir an der Seite Serbiens stehen als Brückenbauer in die Europäische Union hinein, weil Serbien ein wichtiger geostrategischer und geopolitischer Partner ist“.