Eine Familie mit Kindern und einem verletzten Vater auf der Flucht aus der Ukraine
Reuters/Gleb Garanich
Zivile Opfer

EU verurteilt „Kriegsverbrechen“ Russlands

Die Zahl der zivilen Opfer des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine schnellt in die Höhe. Die Europäische Union und die G-7-Staaten verurteilten am Donnerstag die „schweren Verstöße und Kriegsverbrechen“ Russlands. Zuvor hatte US-Präsident Joe Biden Russlands Staatschef Wladimir Putin als „Kriegsverbrecher“ und „mörderischen Diktator“ bezeichnet

Putin sei ein „mörderischer Diktator, ein reiner Verbrecher, der einen unmoralischen Krieg gegen die Menschen in der Ukraine führt“, sagte Biden am Donnerstag. „Putin zahlt einen hohen Preis für seine Aggression“, so der US-Präsident, der Putin am Mittwoch bereits als „Kriegsverbrecher“ bezeichnet hatte. Er sprach von einem „Wendepunkt in der Geschichte“. Das sei nur alle paar Generationen der Fall. „Ich denke, wir befinden uns in einem echten Kampf zwischen Autokratien und Demokratien und der Frage, ob Demokratien erhalten werden können oder nicht.“

Die Regierung in Moskau verwahrte sich prompt gegen den Vorwurf. Das sei eine unverzeihliche Äußerung des Anführers eines Landes, das Zivilisten und Zivilistinnen in Konflikten auf der ganzen Welt getötet habe, erklärte Regierungssprecher Dmitri Peskow. „Unser Präsident ist eine sehr weise, vorausschauende und kultivierte internationale Persönlichkeit und Oberhaupt der Russischen Föderation.“

Biden nennt Putin „mörderischen Diktator“

US-Präsident Joe Biden hat seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin als „mörderischen Diktator“ bezeichnet. Russland wehrte sich umgehend gegen den Vorwurf, auf Zivilisten zu zielen.

„Schändlich, verwerflich und vollkommen inkazeptabel“

Doch auch die Europäische Union sprach von einem Kriegsverbrechen. Gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur seien „schändlich, verwerflich und vollkommen inakzeptabel“, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Russland habe nicht das Recht, einseitig ein anderes Land anzugreifen und trage daher die volle Verantwortung „für diese Akte militärischer Aggression und für all die Zerstörung und den Verlust an Menschenleben, die es verursacht“. Die Täter würden ebenso zur Verantwortung gezogen wie die verantwortlichen Regierungsvertreter und Armeeführer.

Josep Borrell
Reuters/Olivier Douliery
Die Verantwortlichen der Verbrechen würden zur Verantwortung gezogen werden, sagte Borrell

Auch die Außenminister der G-7-Staaten haben die „wahllosen Angriffe auf Zivilisten“ durch russische Truppen in der Ukraine scharf verurteilt. Alle für Kriegsverbrechen Verantwortlichen würden zur Rechenschaft gezogen, warnten sie am Donnerstag nach einer Videokonferenz, an der auch Borrell teilnahm. Wegen des „nicht provozierten und schändlichen Krieges“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin seien Millionen von Menschen zur Flucht gezwungen, hieß es in der Erklärung weiter. Auch die Zerstörung von Infrastruktur, Krankenhäusern, Theatern und Schulen gehe weiter.

Die G-7-Staaten begrüßten in dem Zusammenhang die laufenden Ermittlungs- und Beweiserhebungsarbeiten, auch durch den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs. IStGH-Chefankläger Karim Khan hatte Anfang März Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen nach der russischen Invasion in der Ukraine aufgenommen. Am Mittwoch reiste er in die Ukraine und sprach dabei auch per Videokonferenz mit Präsident Wolodymyr Selenski.

Angriff auf Theater mit Zivilisten

Nach dem russischen Angriff auf ein als Schutzraum für Zivilisten und Zivilistinnen genutztes und deutlich gekennzeichnetes Theater in Mariupol hatte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow die EU zuvor aufgerufen, Putin als „Kriegsverbrecher“ einzustufen und die Waffenlieferungen für sein Land zu verstärken.

Nach ukrainischen Angaben hatte Russland am Mittwoch das Theater in Mariupol bombardiert, obwohl vor beiden Seiten des Gebäudes gut sichtbar das Wort „Kinder“ auf Russisch auf den Boden gemalt war. In dem Theater sollen sich zum Zeitpunkt des Angriffs Hunderte Personen aufgehalten haben. Nach übereinstimmenden Berichten örtlicher Vertreter haben Menschen überlebt, weil der Schutzraum dem Bombardement standgehalten hat. Die Suche nach Zivilisten und Zivilistinnen war am Donnerstag noch nicht abgeschlossen.

Russland hatte den Angriff auf das Theater dementiert. Wie schon nach den Angriffen auf eine Geburtsklinik in Mariupol vergangene Woche erklärte Moskau, die Explosion gehe auf das Konto der nationalistischen ukrainischen Asow-Brigade.

WHO: 43 Angriffe auf medizinische Einrichtungen

Die Vereinten Nationen zeigten sich entsetzt über die Zahl der Todesopfer in der Ukraine. Nach Zählung der UNO sind seit Kriegsbeginn bis zum 15. März in der Ukraine 762 Zivilisten getötet worden. Darunter seien 52 Kinder, teilte der Leiter der UNO-Abteilung für politische Angelegenheiten mit. Die ukrainische Regierung geht von wesentlich größeren Zahlen aus.

„Das Ausmaß der zivilen Opfer und die Zerstörung der zivilen Infrastruktur in der Ukraine können nicht geleugnet werden“, sagte die UNO-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, bei einer Sitzung des UNO-Sicherheitsrates. Das erfordere eine gründliche Untersuchung und Rechenschaftspflicht.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte, es gebe 43 nachgewiesene Fälle von Angriffen auf medizinische Einrichtungen in der Ukraine. Dabei seien zwölf Menschen getötet und mehrere dutzend verletzt worden, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. „In jedem Konflikt stellen Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen eine Verletzung des Völkerrechts dar“, sagte Ghebreyesus.