Nehammer vor Gipfel: „Besonnen und mit Augenmaß agieren“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat sich heute vor dem EU-Gipfel in Brüssel dafür ausgesprochen, hinsichtlich des Ukraine-Kriegs trotz aller Emotionen „besonnen und mit Augenmaß“ zu agieren. Das betreffe etwa die Frage neuer Sanktionen.

„Auf der einen Seite steht die Emotion, die ausgelöst wird durch unglaublich schreckliche Bilder eines Krieges, der vor unserer Haustür stattfindet. Auf der anderen Seite braucht es jetzt aber auch Augenmaß und Klarheit in der Beurteilung der Lage, was das Richtige zu tun ist“, sagte Nehammer.

Ölembargo? USA und Europa „nicht vergleichbar“

So zeigte sich Nehammer neuen Sanktionen gegenüber skeptisch. Es seien bereits „schwerwiegende“ Sanktionen beschlossen worden, nun gehe es darum, diese zu evaluieren und mögliche Lücken zu schließen. Europa dürfe durch weitere Sanktionen nicht geschwächt werden, verwies Nehammer etwa auf die aufrechtzuerhaltende Energieversorgungssicherheit.

In Hinblick auf das US-Ölembargo betonte Nehammer Alternativen, die den USA zur Verfügung stehen würden, und dass die Vergleichbarkeit zwischen den Vereinigten Staaten und Europa folglich nicht gegeben sei. So sagte Nehammer: „Es wird mit uns kein Gasembargo und kein Ölembargo gegenüber der Russischen Föderation geben.“ Auch Deutschland lehnt bisher einen Importstopp etwa von Gas aus Russland ab. Andere EU-Staaten fordern den Stopp, um Russlands Einnahmen während des Krieges zu verkleinern.

Was die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin betrifft, Gas künftig in Rubel abrechnen zu lassen, sagte Nehammer: „Es ist auf jeden Fall ein neues Spielfeld eröffnet, die Frage wird sein, müssen wir uns auf dieses begeben oder nicht.“ Klar sei für Österreich, russisches Gas spiele eine „zentrale Rolle“ anderseits bestehe seitens Moskau „im höchsten Maße“ darin Interesse, dass die Geldmittel weiter fließen.

Gespräch mit Biden über Westbalkan

Mit US-Präsident Joe Biden will Nehammer neben den Unterschieden bei Sanktionen auch die Bedeutung des Westbalkans ansprechen. Es gehe um die klare Botschaft, dass es sowohl vonseiten der Europäischen Union als von den USA jetzt wichtig sei, die Region zu betreuen. „Es braucht uns nach wie vor in der Region, die Wunden des jugoslawischen Bürgerkriegs sind noch nicht verheilt.“

Besonders am Westbalkan bestehe die große Gefahr, dass Russland destabilisierend Einfluss ausübe, etwa in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo oder in Serbien. Nehammer will Biden über seine jüngste Reise in die Region berichten. Er wolle ein klares Bekenntnis dazu abgeben, dass Krieg in Europa keinen Platz habe.

„Wertegemeinschaft für Menschenrechte und Frieden“

Die Allianz zwischen Europa und den USA bezeichnete Nehammer als „wichtig und richtig“, es sei eine „Wertegemeinschaft für Menschenrechte und Frieden“. Und: Gerade jetzt sei es essenziell, Geschlossenheit und Stärke gegenüber Russland zu zeigen.

Zur Frage der Kriegsflüchtlinge betonte Nehammer die Notwendigkeit von solidarischer Hilfe, etwa gegenüber Polen. „Das Gebot der Stunde ist, den Menschen zu helfen.“ Angesichts des ungewissen Ausgangs des Krieges werde die Beurteilung der Situation ein stetig kontinuierlicher Prozess sein.