Das Luxushotel Aurelio in Lech am Arlberg
APA/AFP/Alexander Klein
Nur zwei Treffer in Österreich

Mühsame Suche nach Oligarchenvermögen

Österreich und Russlands Oligarchen – eine Geschichte voller Missverständnisse. Waren sie vor wenigen Jahren noch willkommene Immobilienkäufer, sind sie nun auch hierzulande nicht mehr gern gesehen. Durch die internationalen Sanktionen sollen ihre im Westen geparkten Vermögenswerte eingefroren oder beschlagnahmt werden. Doch im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern geht das in Österreich nur schleppend voran.

Die Rechercheplattform Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) sorgte kürzlich mit einem „Russian Asset Tracker“ für Aufsehen. Dabei dokumentieren 27 internationale Medien die Vermögen russischer Oligarchen, seit Montag sind entsprechende Daten online: Sie weisen über 150 Vermögenswerte im Wert von zusammen etwa 17 Milliarden US-Dollar aus. Es geht um Villen in London, Schlösser in Italien, Privatjets, Beteiligungen und freilich zahlreiche Jachten in Europas prächtigsten Häfen.

Vorerst sind da elf Personen mit enormen Vermögen aufgelistet, die zum Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin gezählt werden – darunter Namen, die man auch in Österreich gut kennt.

Oligarchenvermögen in Österreich

Auch in Österreich gibt es Oligarchenvermögen, sie sind aber nicht immer leicht zu finden.

Neben kremlnahen Oligarchen wie Gennadi Timtschenko und Kreml-Sprecher Dmitri Peskow ist etwa auch Oleg Deripaska aufgezählt. Er soll laut geleakten US-Diplomatenakten lange mit Russlands Präsident Wladimir Putin bekannt sein, gern gesehener Begleiter auf Auslandsreisen „und einer der wenigen Oligarchen, mit denen sich Putin regelmäßig getroffen haben soll“, so OCCRP. Die Plattform beziffert sein bekanntes Vermögen mit mindestens 5,7 Milliarden US-Dollar.

Deripaska auf der Liste

Deripaska hatte sich zuletzt mehr oder minder vom Einmarsch Russlands in die Ukraine distanziert und sich auch für Frieden ausgesprochen. Von den internationalen Sanktionen ist er dennoch betroffen. Er hat Liegenschaften und Beteiligungen überall auf der Welt, OCCRP führt etwa eine 31-Mio.-Dollar-Villa an der montenegrinischen Adria-Küste, einen privaten Helikopter um 34 Mio. Dollar und ein Anwesen in London mit einem Wert von 65 Mio. Dollar auf. Drei seiner bzw. seinen Firmen zuzurechende Besitztümer liegen laut OCCRP in Österreich: neben seinen STRABAG-Anteilen noch eine Beteiligungs-AG sowie ein Hotel in Lech.

EU-Sanktionen

Seit dem Ausbruch des Krieges verhängte die EU jede Woche neue Sanktionen gegen Russland, fast 700 Spitzenpolitiker, Geschäftsleute und Militärangehörige wurden auf die schwarze Liste gesetzt. Darunter sind 42 Oligarchen. Ihre Vermögen sollten eingefroren werden, aber bisher ist nur ein kleiner Teil der Gelder erfasst. Vermutet wird ohnehin, dass der Großteil des Vermögens in Offshore-Konstruktionen oder Stiftungen liegt.

Laut „Vorarlberger Nachrichten“ ging das Hotel in Lech kürzlich an die auf Zypern registrierte Dornton Ltd. über, die wiederum zur russischen Hotelgruppe Gost gehört. Ihr Eigentümer ist Deripaskas Cousin Pawel Esubow. Bis zu US-Sanktionen 2018 war Gost Deripaskas eigene Hotelgruppe. Die STRABAG kündigte in der Zwischenzeit den Syndikatsvertrag mit den anderen Großaktionären des Baukonzerns, darunter auch der Gesellschaft Deripaskas.

Dem Oligarchen Roman Abramowitsch, Besitzer des englischen Fußballclubs Chelsea, gehört laut OCCRP ein Haus in Fuschl am See. Mit einem Wert von etwas mehr als 15 Mio. ein Schnäppchen für den auf acht Milliarden geschätzten Abramowitsch. Hinzu kommen einige Verdachtsfälle: Laut Medienberichten soll etwa der russische Ex-Premier Igor Schuwalow das Waldschlössel am Attersee besitzen.

Nur zwei Personen ausgeforscht

Einige europäische Staaten, darunter Österreich, tun sich aber schwer, den Vermögenswerten nachzuspüren. Die gesetzliche Basis wäre vorhanden, wie Georg Eisenberger, Professor für öffentliches Recht an der Uni Graz, am Donnerstag gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal sagte: Über das Sanktionsgesetz aus dem Jahr 2010 und die EU-Verordnung aus dem Jahr 2014 – erlassen nach der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland – können prinzipiell Vermögenswerte beschlagnahmt werden.

Zuständig für die Ausforschung der Werte ist die neue Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) im Innenministerium. Wie DSN-Vizedirektor David Blum gegenüber Ö1 am Freitag sagte, seien bisher aber nur zwei Personen ausgeforscht worden, die auf der Sanktionsliste stehen. Denn nur diese zwei Namen scheinen auch tatsächlich in Grund- oder Firmenbuch auf. „Wesentliche Herausforderung ist, dass wir sehr häufig auf Umgehungskonstruktionen stoßen, auch Mittelsmänner oder Offshore-Firmen verwendet werden, um die Eigentumsverhältnisse zu verschleiern. Dies bedingt natürlich ordentliche Ermittlungsarbeit“, so Blum.

In Tirol, wo russische Superreiche seit Jahren gern auf Einkaufstour gehen, scheint etwa kein einziger Fall auf, wie das Innenministerium dem ORF Tirol bestätigte. Das ließ zuletzt auch den Unmut im Landtag größer und die Rufe nach Überprüfung lauter werden – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Konstruktionen erschweren Suche

Der Hauptgrund dafür sind freilich Schlupflöcher und Konstruktionen, die es schwermachen, Vermögen zweifelsfrei zuzuordnen. Nach vier Sanktionsrunden arbeitet die EU immer noch daran, Lücken zu schließen, die es den Zielpersonen ermöglichen, Geld über Dritte, Trusts oder Kryptotransaktionen zu verstecken. Oftmals stehen Familienmitglieder im Kaufvertrag, oder Werte wurden in Stiftungen in Steueroasen überführt.

Nachdem die EU-Sanktionen den russischen Milliardär Alexej Mordaschow trafen, übergab er seine Anteile an TUI, dem größten Touristikunternehmen der Welt, schlichtweg an seine Ehefrau. Mitunter werden Anteile auch so lange umgeschichtet, bis sie kaum noch nachverfolgt werden können.

Die Erhebungen zu Firmengeflechten seien tatsächlich aufwendig, so EU-Rechtsexperte Andreas Thomas Müller von der Uni Innsbruck zum ORF Tirol. „Da müssen wirklich mehrere kompetente Leute – und nicht nur ein oder zwei – drangehen, sie müssen auch zusammenarbeiten. Deshalb ist es kein Wunder, dass andere Länder eine Taskforce oder spezielle Einheiten eingerichtet haben. Anders wird das nicht gehen, sonst bleibt das ein reines Lippenbekenntnis.“

Zersplitterte Zuständigkeiten

Tatsächlich gibt es laut Staatsschützer Blum nun eine Taskforce unter Federführung der DSN. So sollen sich die beteiligten Akteure regelmäßig austauschen und ihre Ergebnisse abgleichen können. Erschwerend kommt nämlich dazu, dass in Österreich Zuständigkeiten zersplittert sind. Für das Grundbuch sind Bezirksgerichte und Justiz zuständig, für Flugzeuge das Verkehrsministerium, auch Finanz- und Außenministerium sind tätig.

Für das Einfrieren von Geldvermögen sind hingegen die Banken zuständig. Dem Vernehmen nach soll bisher in Österreich ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag eingefroren sein – an Geld von sanktionierten Personen. Gegenüber Ö1 wollte die Nationalbank aber keinen Betrag nennen.

Eigentümerregister sollte Transparenz bringen

Mit der Taskforce will man wohl auch dem Vorwurf entgegentreten, dass nicht genug getan werde, um verschleierten Vermögen auf die Spur zu kommen. Österreich habe hier nicht das beste Renommee, so Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit zu Ö1. Es mangle auch an Expertise und Ressourcen in den Behörden.

„Österreich hat ich in den letzten Jahren nicht unbedingt den Ruf international erworben, besonders hart gegen Geldwäsche vorzugehen oder besonders genau hinzuschauen, wenn es um Gelder insbesondere aus Osteuropa geht, die vielleicht einen nicht ganz sauberen Hintergrund haben.“ Über das wirtschaftliche Eigentümerregister, das es seit zwei Jahren gibt, sollten die Strukturen hinter Firmenkonstruktionen aber eigentlich nachvollziehbar sein, also „wem Firmen ultimativ gehören und wer sie kontrolliert“, so Huter.

„Per Gesetz gibt es schon durchaus hohe Geldstrafen, wenn in diesem Register nicht korrekt offengelegt wird, wer die wirklichen Eigentümer oder begünstigten Personen hinter einer Firma sind. Und das Finanzministerium hat auch das Mandat, hier zu ermitteln. Aber ob das wirklich gemacht wird, das ist nicht öffentlich nachvollziehbar.“ Auch die NGO ATTAC forderte kürzlich ein härteres Durchgreifen und mehr Transparenz – angesichts der engen Verknüpfungen zwischen den russischen Vermögen und Österreich.

Schweigsames Deutschland

Wenig erfährt man auch in Deutschland: Wie die „Tagesschau“ berichtete, gibt die Deutsche Bundesbank, der alle eingefrorenen Gelder von Kreditinstituten gemeldet werden müssen, auf Anfrage keine Auskünfte an Dritte. Informationen würden an das Wirtschaftsministerium weitergeleitet, dieses wiederum verwies zurück an die Bundesbank. Gegenüber Reuters sagte das Ministerium, man erwarte, in ein bis zwei Wochen über Fortschritte berichten zu können.

In anderen Ländern ist man da taten- und redefreudiger. Frankreich ließ etwa laut Angaben des Finanzministeriums rund 850 Mio. Euro an Vermögenswerten von Personen auf der schwarzen Liste einfrieren, darunter Immobilien und Jachten. Belgien fror Bankkonten im Wert von 2,7 Mrd. Euro und Transaktionen im Wert von 7,3 Mrd. Euro ein.

Segelyacht von Andrey Melnichenko
APA/AFP/Jure Makovec
Jachten als Grundausstattung – hier die größte Segeljacht der Welt, die dem Milliardär Andrej Melnitschenko zugerechnet wird

Andere Länder greifen durch, selbst die Schweiz

In Italien sorgt die mächtige und 60.000 Personen starke Finanzpolizei für Beschlagnahmungen. Bisher wurden Jachten und Villen im Wert von etwa 800 Mio. Euro einkassiert, darunter die größte Segeljacht der Welt mit einem geschätzten Wert von 530 Millionen Euro. Möglich macht das hier die Erfahrung mit mafiosen Strukturen seit den 1980er Jahren. Sie ließ Italien 2007 etwa ein Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung verabschieden – heute auch das Instrument, um Vermögen einzufrieren. Sogar im diskreten Bankenstandort Schweiz wurden bereits 6,2 Mrd. Dollar an sanktionierten russischen Vermögenswerten eingefroren.

Die Europäische Kommission richtete inzwischen selbst eine „Taskforce zum Einfrieren und Beschlagnahmen“ ein, um Sanktionen gegen Oligarchen einheitlichen durchsetzen zu können. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, Maßnahmen zur Umsetzung der Sanktionen zu melden. Auch hier werden erste Ergebnisse aber erst in ein, zwei Wochen erwartet. Doch selbst wenn die EU-Sanktionen in vollem Umfang angewendet werden, können sie in manchen Ländern nicht über das Einfrieren von Vermögenswerten hinausgehen.

In den meisten Mitgliedsstaaten bedeutet das, dass die Vermögenswerte nicht verkauft, aber immer noch genutzt werden können. Ein Oligarch könnte so theoretisch in einer „eingefrorenen“ Villa leben. In manchen Ländern ist zudem eine strafrechtliche Verurteilung notwendig, um Vermögenswerte zu beschlagnahmen.