Rollen mit Alublechen in einer Lagerhalle
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IHS und WIFO

Ukraine-Krieg bremst Aufschwung

Tourismus und Privatkonsum sind für das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und das Institut für höhere Studien (IHS) heuer die wesentlichen Stützen für die Wirtschaft. Ihre aktuelle Konjunkturprognose für die Jahre 2022 und 2023 ist aber aufgrund des von Russland geführten Krieges in der Ukraine deutlich pessimistischer geworden.

Die damit verbundenen Energiepreisschocks, Produktions- und Lieferprobleme bremsen den zuvor prognostizierten Aufschwung. Das Wachstum wird heuer nur 3,9 (WIFO) bzw. 3,6 Prozent (IHS) ausmachen, erwarten die beiden Institute. Kommendes Jahr dürften nur 2,0 bis 2,3 Prozent reales BIP-Plus erreichbar sein.

Im ersten Quartal dürfte die Wirtschaft noch kräftig gewachsen sein, für das zweite und dritte Quartal erwartet das WIFO aber nur noch ganz geringe Zuwächse gegenüber dem Vorquartal. Das größte Aufholpotenzial sieht das WIFO im Tourismus. Die Hälfte des Wirtschaftswachstums nach der Pandemie dürfte laut dem Institut auf Beherbergung und Gastronomie entfallen. In der Industrie werde die Wertschöpfung nicht wachsen. Die länger hohe Inflation dämpfe die Expansion des Privatkonsums. Der Arbeitsmarkt entwickle sich gut.

Eine Grafik zeigt die Konjunkturprognosen von WIFO und IHS
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: WIFO/IHS

„Stimmung könnte erneut in Krisenmodus wechseln“

Als einen Wachstumstreiber sehen die Wirtschaftsinstitute den Privatkonsum. Durch die Coronavirus-Nachholeffekte wird er zwar stärker als 2021 wachsen, dennoch haben WIFO und IHS ihre Erwartungen wegen der starken Teuerung deutlich gesenkt. Das WIFO sieht die privaten Konsumausgaben heuer real um 3,9 Prozent steigen – sofern gegen die Pandemie gelindere Mittel als Lockdowns eingesetzt werden. Im Dezember rechnete man noch mit einem Plus von 6,3 Prozent. Beim IHS geht man von nur 4,7 statt 5,1 Prozent Zuwachs aus. 2021 gab es wegen der Pandemie nur 3,3 Prozent Anstieg.

Abwärtsrisiken sehen WIFO und IHS, sollten sich der Konsum und die Investitionen aufgrund der großen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheit verringern. „Die Stimmung der heimischen Bevölkerung könnte erneut in eine Art Krisenmodus wechseln“, meint das WIFO, falls kräftige Preisanstiege das Verhalten ändern. Es könnten dann die Ausgaben für nicht unmittelbar lebensnotwendige Güter und Dienstleistungen, etwa Tourismus, sinken und nur die Nachfrage nach Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs steigen.

WIFO veröffentlicht Konjunkturprognose

Das WIFO hat die Konjunkturprognose für 2022 und 2023 veröffentlicht. Noch im Dezember ging man von einem Wachstum von 5,2 Prozent aus, nun rechnet das WIFO nur noch mit einem Wachstum von 3,9 Prozent für 2022. Als große Stütze der heimischen Wirtschaft sehen die Wirschaftsforscher den Tourismus, der sich langsam wieder erholt.

Inflation dürfte deutlich stärker zulegen

Getrieben vom Energiepreisschock dürften die Verbraucherpreise dieses und nächstes Jahr mit 5,5 Prozent bzw. 2,3 Prozent deutlich stärker zulegen als bei der letzten Prognose im Dezember gedacht, erklärte das IHS – das WIFO rechnet sogar mit Inflationsraten von 5,8 und 3,2 Prozent. Eine stärkere Abgeltung der Inflation in der kommenden Lohnrunde könnte laut IHS die Lohnstückkosten und den Preisdruck erhöhen und damit zu einer Lohn-Preis-Spirale führen.

Die heimische Güterproduktion wird heuer stark beeinträchtigt. Das WIFO befürchtet eine Stagnation. Im Dezember glaubte es für heuer noch an 3,2 Prozent Zuwachs nach einer kräftigen Erholung um 8,7 Prozent im vorigen Jahr. Noch stärker beeinträchtigt würde die Industrieproduktion im Fall eines kompletten Wegfalls der russischen Gaslieferungen. Schon eine spürbare Drosselung oder Unterbrechung könnte sich störend auf die Produktion auswirken und damit Erzeuger- und Verbraucherpreise steigen lassen.

Felbermayr warnt vor Rezession

Bei einem Importstopp für russisches Gas und Öl würde Österreich in eine Rezession mit möglicherweise zwei, drei oder vier Prozent Rückgang der Wirtschaftsleistung fallen, warnte WIFO-Chef Gabriel Felbermayr. Die österreichische Gasversorgung hänge zu 80 Prozent von Erdgas aus Russland ab. Ein Gasboykott könnte die Anti-Putin-Allianz in Europa auseinanderdividieren, warnte der Ökonom.

„Kriegen wir kein günstiges russisches Gas mehr, sind ganze Industriezweige infrage gestellt“, verwies Felbermayr etwa auf die in Oberösterreich starke Kunststoffindustrie und andere Sektoren. Das könnte ein halbes BIP-Prozent kosten, deutete er an.

Gabriel Felbermayr (WIFO)
APA/Florian Wieser
WIFO-Chef Felbermayr warnt vor einem Importstopp von russischem Gas

Einbußen im Export erwartet

Lieferengpässe und fehlendes Material führen zu Produktionsproblemen, die sich der Prognose zufolge auch auf die Exporte auswirken werden. 2021 wurde noch ein Exportboom verzeichnet. Neben dem überwiegenden Wegfall Russlands im Außenhandel sind auch andere Warengruppen betroffen, so das WIFO. Der kräftige Lageraufbau von Vorprodukten und Energie stütze die Importdynamik.

Dennoch hat das WIFO seine Erwartungen für den Zuwachs der Warenexporte für heuer gegenüber Dezember von 5,0 auf 3,0 Prozent gesenkt und für die Exporte insgesamt von 8,5 auf 6,1 Prozent real. Durch den vollständigen Ausfall der Exportmärkte Russland, Ukraine und Belarus erwartet das IHS eine Dämpfung der Wertschöpfung um rund ein Prozent.

Rückgang bei Arbeitslosigkeit erwartet

Den Arbeitsmarkt sehen die Institute in einer Hochkonjunkturphase. Sie prognostizieren bis 2023 einen Rückgang der Arbeitslosenquote auch im Zusammenhang mit erwarteter Kurzarbeit in der Industrie. Das IHS rechnet mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit von acht auf 6,5 Prozent. Zudem würden der hohe Arbeitskräftebedarf und die sehr hohe Inflation 2023 zu einem kräftigen Anstieg der Pro-Kopf-Löhne um knapp fünf Prozent führen.

Das Defizit des Gesamtstaates sehen die Fachleute nun höher als zuletzt – das WIFO bei 2,4 bzw. 1,1 Prozent des BIP, das IHS bei 2,3 bzw. 1,7 Prozent. Das IHS verweist auf den langsameren Aufschwung und Mehrausgaben durch den Ukraine-Krieg, das WIFO auf Mehrausgaben aus dem regionalen Klimabonus, der Grundversorgung und Integration der Flüchtlinge, Maßnahmen zur Abfederung der stark gestiegenen Inflation und der Covid-19-Investitionsprämie.