Plüchtlinge am Bahnhof in Przemysl
APA/AFP/Angelos Tzortzinis
„Halten nichts von Quoten“

EU setzt auf freiwillige Flüchtlingsverteilung

Die Europäische Union setzt bei der Verteilung von Millionen Ukraine-Flüchtlingen auf freiwillige Aufnahme. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sprach sich am Rande des Treffens mit seinen EU-Amtskollegen am Montag in Brüssel gegen einen verpflichtenden Verteilungsschlüssel aus. Die EU-Kommission legte indes einen Zehnpunkteplan zur besseren Koordination im Umgang mit Schutzsuchenden vor.

„Es braucht hier klare Zusagen, die gibt es auch (…) wir halten aber nichts von Quoten“, sagte Karner vor dem Treffen. Bei den heutigen Gesprächen war ein verpflichtender Verteilungsschlüssel laut Karner dann auch gar kein Thema. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser hatte jüngst indes gesagt, Ziel müsse eine feste Quote für die Verteilung in Europa sein. Am Montag ruderte nun aber auch Faeser zurück: „Es geht nicht um feste Quoten heute, sondern es geht um ein solidarisches Verteilsystem.“

Der Krieg in der Ukraine sei eine „ganz besondere Herausforderung“, und es bedürfe der Unterstützung europäischer Länder, so Karner, der sich gegenüber ORF.at für eine Unterstützung der Nachbarländer aussprach. Österreich habe bereits die ersten Flugevakuierungen von ukrainischen Schutzsuchenden aus Moldawien durchgeführt und Polen angeboten, Flüchtlinge aufzunehmen. „Das ist das, was jetzt gefragt ist“, betonte der Innenminister. Konkret gehe es dabei vorerst um die Aufnahme 500 Vertriebenen, sagte Karner nach dem Treffen.

„Wenn es funktioniert, wird Angebot erweitert“

Der polnische Vizeinnenminister Bartosz Grodecki bestätigte das Vorhaben. „Ich habe erst den Brief bekommen, vielen Dank“, sagte Grodecki. Nun müssten 500 Schutzsuchende aus der Ukraine gefunden werden, die das Angebot annehmen. „Wenn es funktioniert, wird das Angebot erweitert“, fügte er hinzu. „Mittelfristig könnten es auch mehr sein“, sagte Karner. Vorstellbar wären bis zu 3.000 Personen. Auch Moldawien habe man zugesagt, 2.000 Geflüchtete zu übernehmen, 300 davon seien bereits im Land. Doch all das erfordere eine gute Planung und Organisation.

EU ringt um Flüchtlingsverteilung

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor gut einem Monat sind Millionen Menschen aus dem Land geflüchtet. Viele davon nach Polen – und auch nach Deutschland. Diese beiden Länder haben die anderen Staaten jetzt um Unterstützung gebeten.

Es gehe um Menschen, „die man nicht einfach verfrachten kann“, wie Karner hier anmerkt. Nicht zuletzt deshalb könne eine Quote bei der Verteilung „einfach nicht funktionieren“. Durch die Schutzrichtlinie sei es den Kriegsflüchtlingen erlaubt, sich frei im Schengen-Raum zu bewegen. Viele würden derzeit zwar ohnehin in der Region nahe der Ukraine in Ländern wie Polen bleiben wollen, doch „je länger der Krieg dauert, desto mehr könnten sich auf den Weg machen“.

So rechne man auch in Österreich noch mit deutlich mehr Geflüchteten, als bereits angekommen sind. Was die Frage nach einem eigenen EU-Koordinator für ukrainische Kriegsflüchtlinge betrifft und von Migrationsforschern wie Gerald Knaus gefordert wird, meinte Karner im Gespräch mit ORF.at: „Alles, was hilft, ist gut.“

Bereits 3,8 Millionen aus Ukraine geflohen

Von den mehr als 44 Millionen Ukrainern haben seit Kriegsbeginn nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks bereits mehr als 3,8 Millionen Menschen das Land verlassen. Allein in Polen sind mehr als zwei Millionen Flüchtende angekommen, in Österreich wurden 212.000 Schutzsuchende gezählt, doch reisen immer noch vier Fünftel davon in andere Staaten weiter. In Österreich registriert wurden bisher rund 35.0000 „Vertriebene“, wie sie aufgrund der Diktion in der EU-Richtlinie offiziell genannt werden.

Kommission setzt auf Zehnpunkteplan

Doch wie sollen die Menschen dann verteilt werden? Innenkommissarin Ylva Johansson schlug als Teil eines Zehnpunkteplans für mehr EU-Koordinierung einen Index vor, der die freiwillige Verteilung einfacher machen soll. Dieser soll im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße berücksichtigen, wie viele Flüchtlinge – nicht nur aus der Ukraine – sich derzeit in einem Land aufhalten. Ziel sei, dass EU-Staaten einander anbieten, Menschen aufzunehmen, wenn andere besonders belastet sind.

Auch ein finanzieller Lastenausgleich steht im Raum. Die EU-Kommission bereitet dazu etwas vor, woher das Geld kommen soll, ist aber noch in Verhandlung. Österreich gehört laut Karner zu den betroffenen Ländern. Am stärksten belastet ist nach Angaben der Kommission derzeit Polen, gefolgt von Österreich und Tschechien.

Teil des Zehnpunkteplans der EU-Kommission und der französischen Ratspräsidentschaft ist zudem eine bessere Steuerung des Transports der Flüchtlinge in der EU, mehr Schutz für Kinder und ein EU-weites System zur Registrierung der Menschen.

„Richtige Richtung“

Für Karner geht der Plan „in den wesentlichen Teilen in die richtige Richtung“. Er forderte bereits im Vorfeld mit Blick auf die Registrierung von Flüchtlingen „mittelfristig ein gemeinsames europäisches System, damit diese Daten eingespielt werden können“.

Das Treffen am Montag war bereits die zweite Krisensitzung der Innenminister seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine am 24. Februar. Der ukrainische Innenminister Denis Monastyrski war bei der Sitzung zeitweise per Video zugeschaltet worden. Anfang März entschieden die EU-Staaten, allen Ukrainern schnell und unbürokratisch Schutz zu bieten. Die große Zahl der Flüchtlinge stellt die Staatengemeinschaft jedoch vor Herausforderungen.