Justizminsterin Alma Zadic beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 30.03.2022
ORF.at/Peter Pfeiffer
Zadic im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss

„Abstoßende Chats“ und ein Versprechen

Im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss ist am Mittwoch Justizministerin Alma Zadic (Grüne) befragt worden. Zentral ging es um den Vorwurf, wonach Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) justizintern permanent torpediert worden seien. Die Opposition bemängelte, das Justizressort habe dagegen lange nichts unternommen und tue noch immer zu wenig – was Zadic im Ausschuss vehement zurückwies. Wohl in der Absicht, der Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen, kündigte sie ein Reformprogramm an.

Die veröffentlichten Chats, die viele Versuche der Einflussnahme auf die Arbeit der Justiz vermuten lassen, seien für viele Menschen „abstoßend“ und offenbarten „ein Sittenbild“, sagte Zadic gleich eingangs. Sie hätten gezeigt, dass „Veränderungen richtig und wichtig“ gewesen seien. Wenn Chats aufgetaucht seien, habe sie „immer gleich prüfen lassen“, so die Ministerin, Fehler aus der Vergangenheit habe sie korrigiert.

Doch auch für die Zukunft wolle sie Strukturen stärken, wie die Ministerin angesichts der bereits im Vorfeld erwarteten Kritik der Opposition ankündigte: Bis zum Sommer solle das Reformprogramm „Justiz 2030“ ins Leben gerufen werden. Die Justiz solle dadurch „modern, inklusiv und in ihrer Unabhängigkeit weiter gestärkt“ werden, versprach die Ministerin.

Justizminsterin Alma Zadic beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 30.03.2022
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Zadic wurde von der Opposition vorgehalten, zu spät gegen Störungen der Ermittlungsarbeit zum „Ibiza“-Komplex reagiert zu haben

Sie habe das Thema, den justizinternen Konflikt, zu ihrem Amtsantritt von ihren Vorgängern „vererbt“ bekommen, so Zadic auf Fragen von Verfahrensrichterin Christa Edwards, die den erkrankten Wolfgang Pöschl vertrat. Sogleich habe sie Sektionen neu organisiert und die Struktur der Aufsicht der WKStA zu den „Ibiza“-Ermittlungen verändert, so sei etwa der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Johann Fuchs, nicht mehr dafür zuständig, das habe „Ruhe reingebracht“.

„Störfeuer“-Vorwurf brachte Stein ins Rollen

Zur Erinnerung: Medienwirksam aufgeschlagen war der Justizstreit durch den „Störfeuer“-Vorwurf der WKStA, wonach seitens des mittlerweile suspendierten Justizsektionschef Christian Pilnacek sowie des OStA-Leiters Fuchs entgegengearbeitet worden sei. Zuletzt waren via neue Chats gar Informationen aufgetaucht, die nahelegen, dass Pilnacek und Fuchs WKStA-Ermittler im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht observieren lassen wollten.

Und während für Pilnacek und Fuchs die Unschuldsvermutung gilt, sorgten die Pläne bei der WKStA für Entsetzen. So wandte sich Oberstaatsanwalt Bernhard Weratschnig (er war zuletzt geladen) in seiner Rolle als Personalvertreter in einem offenen Brief an Zadic und nahm die zuständige Ministerin in die Pflicht. Für ihn sei es schwer verständlich, dass es zu keinen Konsequenzen komme, wie es sonst üblich sei, monierte Weratschnig bei seiner Befragung. Auf diesen Tenor stimmte sich am Mittwoch auch die Opposition ein.

NEOS: „Wieso wird Fuchs nicht einstweilig suspendiert?“

Sie hielt Zadic vor, sich gegen das „schwarze Netzwerk“ nicht durchsetzen zu können – die WKStA sei durch „ÖVP-Netzwerke“ in ihrer Arbeit behindert worden, hieß es von FPÖ und SPÖ ähnlich lautend. Zwar wolle man ihr keine schlechten Absichten unterstellen, doch hätte „sie zeitnah reagieren müssen“, so der Vorwurf von NEOS („Vieles liegt noch im Argen“). Die Entmachtung Pilnaceks sei „zu spät“ gekommen – die Streichung von Kompetenzen für Fuchs sei eine „halbe Lösung“.

Stephanie Krisper (NEOS)
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Krisper im ÖVP-U-Ausschuss: „Vieles liegt noch im Argen“

Zadic: Vorhabensbericht zu Fuchs lag im Ministerium

Entsprechend fragte NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper, wieso Fuchs angesichts der Chats nicht einstweilig suspendiert werde. Sie habe die Chats den Zuständigen angezeigt und „es wurde auch geprüft“, verteidigte sich Zadic. Doch gäbe es „einen gesetzlichen Rahmen, damit man Personen suspendieren kann“. Sie habe die Suspendierung angeregt, der Oberste Gerichtshof habe dagegen entschieden. Das ließ Krisper nicht gelten, schließlich seien neue Sachverhalte dazugekommen. Diese würden geprüft, so Zadic.

Im Verlauf der Sitzung wurde Zadic auch von SPÖ-Mandatarin Julia Herr nach dem Status in der disziplinarrechtlichen Untersuchung gegen Fuchs gefragt. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt gegen Fuchs wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses, es gilt die Unschuldsvermutung. Ein Vorhabensbericht zur Causa sei im Ministerium gelegen, mehr könne sie medienöffentlich nicht sagen, so Zadic. Dem medienöffentlichen Befragungsteil folgte dazu eine vertrauliche Sitzung.

„Es hat sich einiges geändert“

Die SPÖ hielt auch den Vorwurf des späten Reagierens aufrecht: SPÖ-Mandatarin Herr zitierte bei ihrer Befragung aus einem Schreiben von WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda an die Ministerin von Mai 2020, in dem etwa von „schikanösem Verhalten“ gegenüber der WKStA die Rede ist. Zadic wies darauf hin, dass das jetzt alles schon geändert sei; damals habe sie ein Gespräch mit Vrabl-Sanda geführt, die Unterlagen seien geprüft bzw. die Sektionen (Strafsachen und Legistik) getrennt worden. Es habe sich „also einiges geändert“ seit dem Schreiben.

Herr fragte Zadic im Dezember zum Vorschlag der neuen Justizsektionschefin für Einzelstrafsachen, Barbara Göth-Flemmich, Fuchs die Fach- und Dienstaufsicht über die WKStA zu entziehen und wollte wissen, wann Zadic davon erfahren habe. Die Ministerin beschrieb eine „unerträgliche“ Situation, weswegen der Vorschlag Göth-Flemmichs im März umgesetzt worden sei. Herr entgegnete, es habe über ein Jahr gedauert, bis sich etwas geändert habe. Zadic verwies auf eine „intensive Zeit“, dennoch habe sich viel verändert.

Justizminsterin Alma Zadic beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 30.03.2022
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Szene aus dem U-Ausschusslokal unmittelbar vor Beginn der Befragung

ÖVP: „Wer ermittelt im ‚Ibiza‘-Verfahren?“

ÖVP-Mandatar Christian Stocker erfragte, ob es außerhalb der Dienst- und Fachaufsicht Einflussnahme auf das „Ibiza“-Verfahren gegeben habe. „Bei mir hat keiner versucht, die Verfahren zu beeinflussen, mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen“, so Zadic. Stocker wollte zudem wissen, wer im „Ibiza“-Komplex derzeit ermittle. Den Vorhalt, Zadic wisse nicht, wer die Ermittlungen führe, wies die Ministerin zurück. Das Verfahren führe die WKStA, sie könne auch selber ermitteln, bei Zwangshandlungen brauche es die Polizei. Derzeit würden Gespräche dazu geführt, welche Einheit das übernehmen könne, derzeit seien die „Ermittlungen jedenfalls nicht gefährdet“, so Zadic.

„Ich lese keine Chats“

Stocker erkundigte sich auch zum Oberstaatsanwalt aus Innsbruck, der jetzt ja die Dienst- und Fachaufsicht über die WKStA ausübt. Der berichte ans Ministerium, das schicke Vorschläge an den Weisungsrat, gebe Empfehlungen ab und der Erledigungsvorschlag der Sektion gehe dann an die Ministerin. Der jeweilige Akt werde nicht mitgeschickt – deswegen könne sie Fragen nach Zahlen zum Umfang des Akts nicht sagen. „Ich als Ministerin habe nicht in den Akten herumzustöbern“, sagte Zadic („Ich lese keine Chats“).

Kein „Einmischen“ bei Rechtsschutzbeauftragter

Auch der Fall um die Rechtsschutzbeauftragte des OGH, Gabriele Aicher, wurde aufgebracht – unter anderen von den Grünen. Hintergrund: Aicher hatte mit Ermittlungen in der Inseratenaffäre u. a. gegen Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Zusammenhang stehende Razzien der WKStA stark kritisiert, später wurde allerdings bekannt, dass sie sich bezüglich des damaligen Statements von der Rechtsanwaltskanzlei Ainedter & Ainedter beraten hatte lassen, die einen Beschuldigten in der Inseratenaffäre vertritt.

Mandatar David Stögmüller wollte von seiner Parteikollegin wissen, ob so ein Vorgang üblich sei. Nein, sei es nicht, so Zadic sinngemäß – sie habe so etwas noch nicht gesehen. Zadic verwies auf ein Gespräch mit der Rechtsschutzbeauftragten – wenngleich sie sich nicht in ihre Arbeit „einmischen“ dürfe. Doch habe sie Aicher darauf hingewiesen, dass ein solches Vorgehen dem Bild der Justiz nicht zuträglich sei, wie Zadic sinngemäß sagte. Die WKStA forderte zuletzt den Abzug Aichers, es entstehe der Eindruck, ihre Kritik an der WKStA sei „Teil der Litigation-PR“ des Beschuldigten.

Ausschusscoachings für Justiz

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker brachte ein anderes Thema auf. Er fragte Zadic zu Coachings für Justizmitarbeiter in der Vorbereitung für den U-Ausschuss. Laut den Angaben des FPÖ-Mandatars seien zwei Firmen mit den Coachings beauftragt worden, die auch Litigation-PR, also strategische Kommunikation in Rechtsfragen, anbieten würden. Laut Unterlagen, auf die sich Hafenecker bezieht, kostete das Coaching das Justizministerium 24.000 Euro.

Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten solche Coachings in Anspruch nehmen, die Aussage in einem U-Ausschuss sei ja keine alltägliche Sache, so Zadic. Sie selbst habe für diesen U-Ausschuss kein solches Coaching gemacht. Die Öffentlichkeitsabteilung des Ministeriums könne solche Beratungen jedenfalls nicht machen, sie sei zu klein, man bemühe sich aber stets um mehr Mittel dafür.

Hafenecker wies auf die Gefahr hin, wonach es wohl Informationsrückflüsse an die Agentur geben könnte. Darüber hinaus wollte er wissen, warum das Justizministerium „eine rote“ Agentur beauftragt habe und im Falle von Fuchs – und laut Hafenecker ausschließlich für ihn – eine „schwarze“ Agentur aktiv geworden sei. Zadic konnte dazu nichts sagen, die vorgelegte Unterlage sei ihr bisher nicht bekannt gewesen.

Verweis auf neue Posten für WKStA

Auch das Personalproblem bei der WKStA war Thema: Zadic verwies auf die Aufstockung der Planstellen um zehn Prozent, Ausschreibungen freier Planstellen, Zuteilungen oder die Einrichtung einer dritten Planstelle für die erste Stellvertreterin der WKStA-Leiterin.

Justizminsterin Alma Zadic beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 30.03.2022
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Zadic: „Vorkommnisse der Vergangenheit haben unser Bild von der Justiz zum Teil auf eine harte Probe gestellt“

Auch Christina Jilek (Zadic nannte sie nicht namentlich – Jilek war es, die den „Störfeuer“-Vorwurf damals im „Ibiza“-U-Ausschuss vorgebracht hatte) sei schließlich wieder zugeteilt worden (sie hatte die Behörde vorübergehend aus Frust angesichts der inkriminierten Zustände ja verlassen). Zudem bekomme die WKStA eine Mediensprecherin, so Zadic. Ob eine solche Sprecherin künftig ausschließlich für Medienarbeit zuständig sein soll, blieb aber offen.

Zadic im U-Ausschuss

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hat am Mittwoch im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss angekündigt, bis zum Sommer das Reformprogramm „Justiz 2030“ ins Leben rufen zu wollen. Seit ihrem Amtsantritt habe sie bereits tiefgreifende Änderungen in der Aufsicht, insbesondere der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vorgenommen, unterstrich sie.

Keine Weisungen in Causa Hessenthaler bekannt

Auch kurz Thema war die Frage (seitens der Grünen), ob Zadic die Kritik an der U-Haft für den mutmaßlichen „Ibiza“-Drahtzieher Julian Hessenthaler bekannt sei. Sie habe die Berichterstattung dazu gelesen, so Zadic, aber „es ist ein Akt der Gerichtsbarkeit“, weswegen sie nichts dazu sagen wollte. Weisungen der Staatsanwaltschaft Wien in der Causa seien ihr nicht bekannt, so Zadic. Rund eine Stunde nach der Erörterung im U-Ausschuss wurde Hessenthaler beim Prozess in St. Pölten nicht rechtskräftig wegen Kokainhandels zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Was sagt Vrabl-Sanda?

Nach Zadic wird wohl auch WKStA-Leiterin Vrabl-Sanda zu den neuesten Entwicklungen in der Justiz befragt werden. Auch wird sie von den Abgeordneten wohl mit Zadics Aussagen im Ausschuss konfrontiert werden. Ferner wird sie vermutlich zu den zuletzt gesetzten Schritten ausführen und einen Einblick in die derzeitige Arbeitssituation bei ihrer Behörde geben. Auch wird sie – wie zuvor bereits Zadic – zu aktuellen Zwischenständen bei den Ermittlungssträngen gefragt werden.