Helge Schneider
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Helge Schneider

„Mozart ist der aus der Konditorei“

Wenn Helge Schneider als „Mann mit seiner Gitarre“ durch Österreich tourt, darf man gewarnt sein. Lieblingsort seiner Improvisationen ist das Klavier. Oder auch die Trompete. Oder das Tamburin. „Mozart kennst Du, Bodo?“, fragt Schneider auf der Bühne der Wiener Stadthalle: „Amadeus Amadeus? Die Mozartkugeln? Die Konditorei? Das ist der!“

Helge Schneider braucht keine Band, so scheint es, denn er spielt ohnehin alle Instrumente selbst, manchmal sogar gleichzeitig. Das zeigte er am Freitag an einem seiner zwei Wiener Konzertabende in der Stadthalle. Während er die Trompete bläst, schlägt er mit dem Fuß das Tamburin. Für die musikalisch solide Basis des Konzerts sorgt der Gitarrist Sandro Giamierti, den Schneider zu Beginn mit dem Taktstock (scheinbar) dirigiert.

Dabei verbiegt er sich in körperlicher Durchlässigkeit, dieser Allrounder der Improvisationskunst, der Jazzmusik und des anarchischen Witzes. Schneiders Nonsens ist alles andere als sinnentleerte Unterhaltung, eher subversive Kunst. Sein Motto: „Meine Texte sollen auch berühren. Ich mahne. Aber im Hintergrund, vor allem im Hintergrund.“

Helge Schneider quer durch Österreich

Helge Schneider sieht sich selbst als Musikclown. Viele andere bezeichnen ihn aber eher als einen der größten deutschen Entertainer. Er startete seine Österreich-Tour in der Dogana in Innsbruck.

„Seien Sie wieder Du selbst“

Neben dem Gitarristen begleitet der Assistent Bodo Oesterling Schneiders Auftritte. Schneider kommandiert ihn herum, bestellt Pfefferminztee, erzählt absurde Geschichten rund um dessen Erfindung, um am Ende des Konzertabends „echtes Wasser“ zu preisen. Nach „30 Jahren Probezeit“ soll Bodo nun zur Zwischenprüfung antreten, ihm die Gitarre umhängen, was sich als clowneske Einlage auf höchstem Niveau gestaltet.

Schneiders subversiver Witz spielt mit Marketingstrategien: Bodo tritt im Mozart-Kostüm auf. „Mozart kennst Du, Bodo?“, fragt Schneider. „Amadeus Amadeus? Die Mozartkugeln? Die Konditorei? Das ist der!“ Schneider verkehrt alles Zeitgeistige, entlarvt Modetrends und Selbstoptimierungsgerede. In „Achtsamkeitsstudios“ könne man seine Mitte finden. „Seien Sie wieder Du selbst“, propagiert Schneider parodistisch und überspitzt die Slogans der Leistungsgesellschaft: „In Fernost ausgebildete Holländer*innen schmieren Sie mit Ölen aus aller Welt ein. Palmöl, Margarine, Altöl zu Fairnesspreisen, mit Musik, die Sie sich selbst über Kopfhörer aussuchen können, Gabalier oder Dion.“

Helge Schneider
picturedesk.com/Action Press/Lenthe, Andre

Virtuoser Jazzmusiker

„Ein Mann und seine Gitarre“ reichen bei Schneiders Konzerten vollkommen aus, auch wenn man doch sehr gehofft hat, dass sein schlagzeugspielender Sohn Charly mit dabei ist. Aber es geht auch ohne den mindestens so musikalischen Nachwuchs, Schneider spielt alle Instrumente. Egal, ob am Klavier, Kontrabass, Schlagzeug oder der Trompete, voller Vergnügen und Leichtigkeit reißt er Melodien an, singt eigene Songs und springt von Idee zu Idee, um stets wieder zum Kernthema (sofern eines vorhanden ist) zurückzukehren.

Zu seiner Methode gehört auch die Dekonstruktion von Kultfiguren, etwa Jimi Hendrix und Duke Ellington. Virtuos verballhornt Schneider am Vibraphon ein Stück von Ellington, den er 1972 in Berlin fast getroffen hätte. Statt zu dessen Konzert zu gehen – das Geld fehlte ihm damals – nahm er den Sightseeingbus.

Großartig parodiert Schneider auch Jimi Hendrix in der Nummer „Der Papst kann nirgendwo hingehen, denn er ist so bekannt wie ein bunter Hund“. Wenn er auf der Gitarre das Bluesmotiv anspielt, zerlegt er hochkomisch Hendrix’ Musik. Kultfiguren sind eben auch nur Menschen, erzählt Schneider in Wortspielen über den Papst, die jegliche Verherrlichungen als lächerlich entlarven.

„Frau Helga Schneider und die Männ*innen“

26-mal übersiedelte Schneider, um der Bundeswehr zu entkommen, dabei wurde er ohnehin für eine Frau gehalten. „An Frau Helga Schneider“ richtete sich das offizielle Schreiben, das ihn in die Flucht schlug. Die Frage nach den Geschlechterrollen zieht sich durch sein Programm, in welchem er konsequent gendert. Auch wenn dem Wortwitz „Familienmitglieder*innen“ und „die oder der eine oder die andere*innen“ längst ein Bart gewachsen ist, ist Schneiders Verehrung für die „Männ*innen“ aus der Musikwelt umso grandioser.

Normalerweise spiele er auf Konzerten nur neue Lieder, kündigt Schneider zu Beginn an, zwischendurch aber auch einmal alte. In vorgefertigtes Material mixt er neue Melodien, baut Kinderlieder ein, arbeitet mit Lücken, Pausen und Leerstellen. Einmal tritt er als „Phantom der Oper“ auf, mit Cowboyhut spielt er „Die Trompete von Mexiko“ und auch sein größter Hit „Katzenklo“ fehlt nicht. Nach langem Applaus gab er noch als Zulage den traurigen Song „Ich muss los“.