Elon Musk
Reuters/Mike Blake
Chaos nach Rückzieher

Musks Poker bringt Twitter in Turbulenzen

Der Kurznachrichtendienst Twitter durchlebt momentan besonders turbulente Wochen: Erst wird Milliardär Elon Musk zum größten Aktionär des Unternehmens, dann soll er einen Posten im Verwaltungsrat erhalten. Nun nimmt er den Posten kurzfristig doch nicht an. Musks Großinvestment wird von teils absurden Tweets begleitet, die medial für Aufsehen sorgen. Doch Musk könnte noch mehr mit dem Dienst vorhaben.

„Ich glaube, dass das das Beste für uns ist“, schrieb Twitter-Chef Parag Agrawal Montagfrüh in einem offenen Brief darüber, dass Tech-Milliardär Musk nun doch nicht in den Verwaltungsrat von Twitter einzieht. Das klingt auf den ersten Blick verständlich: Seit Musk seinen Anteil an Twitter stark ausgebaut hat, herrscht Chaos beim Kurznachrichtendienst.

Anfang des Monats wurde bekannt, dass Musk mit einer Beteiligung von 9,2 Prozent nun der größte Aktionär des Unternehmens ist. War es erst verhältnismäßig ruhig auf dem Twitter-Account des Tesla-Gründers, gab es bald einige in die Runde gestellte Fragen zur Zukunft des Dienstes. „Braucht Twitter einen Redigierknopf?“ war etwa eine davon – eine von vielen lange geforderte, aber höchst umstrittene Funktion.

Sitz im Verwaltungsrat als Höhepunkt

Musk wollte ganz offensichtlich mitgestalten, und Twitter war anscheinend dazu bereit: Letzte Woche wurde als Höhepunkt Musks Einberufung in den Verwaltungsrat angekündigt. Die Twitter-Aktie reagierte mit einem Höhenflug auf die Entwicklungen – firmenintern dürfte das Musk-Investment aber alles andere als unumstritten gewesen sein.

Twitter-Logo an der NYSE
AP/Richard Drew
Die Börse reagierte an sich positiv auf Musks Twitter-Investment

Agrawal schrieb, dass Twitter der Meinung gewesen sei, dass die Einberufung Musks „der beste Weg nach vorne“ sei, wobei die Vorstandsmitglieder „im besten Interesse des Unternehmens und aller unserer Aktionäre“ handeln müssten. Das wurde Musk schon einmal bei seinem eigenen Unternehmen zum Verhängnis: Ein Tweet über einen angeblichen Kauf Teslas kostete ihn vorübergehend den Posten als Vorsitzender, bescherte ihm eine saftige Strafe – und dazu ein mehr als angeknackstes Verhältnis zur US-Börsenaufsicht (SEC).

„Stirbt Twitter?“

Musk sorgte am Wochenende mit einer Reihe von Tweets für Stirnrunzeln – alle, nachdem er den Posten im Verwaltungsrat abgelehnt hatte. „Stirbt Twitter?“, schrieb er unter anderem provokant am Samstag. Am Sonntag fragte Musk Twitter-Nutzer in einer Umfrage, ob die Zentrale des Kurznachrichtendienstes in eine Obdachlosenunterkunft umgewandelt werden solle, da eh niemand dort zur Arbeit auftauche. In die Debatte schaltete sich sogar Amazon-Chef Jeff Bezos ein, ein Teil von Musks Tweets ist mittlerweile wieder gelöscht.

Doch damit ist Musks Twitter-Kapitel womöglich noch lange nicht abgeschlossen – nicht nur, weil sich das Unternehmen betont offen für weiteres Feedback des Tesla-Chefs zeigte. „Wir haben und werden immer Wert auf die Beiträge unserer Aktionäre legen, ob sie nun in unserem Vorstand sitzen oder nicht“, so Agrawal.

Weg frei für möglichen größeren Einstieg

Denn mit dem Verzicht auf den Posten im Verwaltungsrat fallen auch damit verbundene Einschränkungen für den Ausbau seiner Beteiligung an Twitter. Er hatte sich verpflichtet, als Verwaltungsratsmitglied nicht mehr als 14,9 Prozent zu halten. Ein großer Teil der Twitter-Anteile liegt bei Großaktionären aus der Finanzbranche, darunter der Bank Morgan Stanley.

„Musk ist so reich, dass er es sich theoretisch leisten könnte, Twitter komplett zu kaufen, und zwar ganz bequem“, heißt es in einer Analyse der BBC. Der abgelehnte Posten „lässt ihm nun die Möglichkeit offen, eine noch größere Beteiligung an dem Unternehmen zu erwerben, wenn er das will“. Und: In dem Kommentar wird die Vermutung geäußert, dass „Twitter ihn im Inneren des Unternehmens haben wollte, wo er vielleicht weniger Schaden hätte anrichten können“.

Verspätete Kundmachung könnte Nachspiel haben

Dabei könnte das Twitter-Investment Musks auch ein rechtliches Nachspiel haben: Denn er machte seinen Aktienkauf erst deutlich später als von der SEC vorgesehen publik. Laut „Washington Post“, die im Besitz von Amazon-Gründer Bezos steht, könnte die verspätete Kundmachung Musk über 150 Mio. US-Dollar gebracht haben.

Bremsen dürfte Musk eine Strafe der SEC nicht: „Nur“ einige hunderttausend Dollar würde das den Milliardär kosten. „Die Missachtung von Wertpapiergesetzen – ob absichtlich oder versehentlich – zeigt, wie Milliardäre und mächtige Einzelpersonen Bundesvorschriften und sogar das Steuerrecht umgehen können, um ihren Reichtum weiter auszubauen“, so das Blatt.

Es wäre jedenfalls für Musk nur der nächste öffentliche Schlagabtausch mit der Börsenaufsicht. Denn nicht nur der Tweet über einen möglichen Kauf Teslas bescherte ihm Ärger, auch die Wortmeldung in dem sozialen Netzwerk, wonach der Börsenkurs von Tesla zu hoch sei, verstieß gegen die Auflagen der SEC. Auch die Frage an seine Twitter-Follower, ob er einen Anteil seiner Tesla-Aktien verkaufen solle, sorgte für Untersuchungen der SEC.

Twitter will „Lärm ausblenden“

Twitter ist für den Milliardär seit langer Zeit ein wichtiger Kanal – wenngleich seine Kurzbotschaften oft für Verwunderung und hin und wieder eben für rechtliche Konsequenzen sorgen. Seine Investition in das soziale Netzwerk sei definitiv als Vertrauensbeweis gesehen worden, schreibt auch die „New York Times“.

Jetzt, wo Musk nicht – wie erhofft – im Verwaltungsrat sitzt, könnte das Schicksal des Dienstes aber ein anderes sein. Das Statement von Twitter-Chef Agrawal schließt mit einem vorsichtig klingenden Ausblick: „Es wird Ablenkungen geben, aber unsere Ziele und Prioritäten bleiben unverändert.“ Man wolle nun den „Lärm ausblenden“ und sich „auf die Arbeit und das, was wir aufbauen wollen“, konzentrieren – noch ist aber nicht klar, ob Twitter diese Ruhe haben wird.