Kassa im Supermarkt
ORF.at/Zita Klimek
WIFO

Teuerung trifft Arme dreifach

Die Teuerungswelle geht vor allem für Haushalte mit geringem Einkommen an die Existenz. Regierung und Sozialpartner haben nun eine Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Inflation eingerichtet. Die Wirtschaftsforscher des WIFO plädieren für einen Hilfsmechanismus, der auch für künftige Krisen eingesetzt werden könnte. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) lässt seinerseits Modelle für ein Ende der kalten Progression durchrechnen.

Haushalte mit geringen Einkommen und fehlenden Ersparnissen sind von den aktuell stark steigenden Preisen gleich dreifach negativ betroffen. Ärmere Haushalte mussten schon bisher ihr gesamtes Einkommen ausgeben, um die Lebenshaltungskosten zu decken.

Preissteigerungen führen für sie deshalb unmittelbar zu Konsumeinschränkungen, höherer Verschuldung und dem Wechsel zu billigeren, aber weniger hochwertigen Produkten, schreibt das WIFO in seinem aktuellen „Research Brief“.

WIFO-Vorschlag auch für künftige Krisen

In der aktuellen Situation brauchten armutsgefährdete Haushalte kurzfristige Unterstützungen, so das WIFO. Das sei zwar beim Teuerungsausgleich von 150 Euro der Fall, der Energiekostenausgleich werde jedoch erst gegen Jahresende wirksam. Einmalzahlungen würden bei steigenden Preisen außerdem rasch an Kaufkraft verlieren. Kurzfristig brauche es deshalb zum Beispiel eine temporäre Erhöhung der Wohnbeihilfe, um die Teuerung abzufedern.

Das WIFO schlägt eine Transferleistung an alle Haushalte vor, die die inflationsbedingten Zusatzkosten des Warenkorbs eines repräsentativen Haushalts im Jahr 2022 annähernd abdeckt. Ab einer bestimmten Höhe des Haushaltseinkommens soll dieser Transfer als Abgabe zurückgezahlt werden. Die dafür notwendige administrative Infrastruktur könne auch zukünftig genutzt werden, um einkommensarme Haushalte und Haushalte, die besonders von Krisen betroffen sind, rasch zu entlasten, so das WIFO.

Berechnungen zur Abschaffung der kalten Progression

Angesichts von Druck seitens Ländern, Sozialpartnern und Seniorenverbänden für weitere Entlastungsmaßnahmen beauftragte Brunner seine Fachleute, Modelle für eine Abschaffung der kalten Progression und deren Kosten fürs Budget zu berechnen. Das kündigte er laut Ö1-Morgenjournal an. Die Abschaffung steht im Koalitionsabkommen von ÖVP und Grünen, bei der jüngsten Steuerreform wurde sie jedoch nicht umgesetzt. Auch vergangene Regierungen haben dieses Versprechen nie erfüllt. Brunner verwies seinerseits erneut auf bereits gemachte Schritte in Milliardenhöhe.

Teuerungsgipfel ohne Ergebnis

Am Dienstag fand unterdessen im Finanzministerium ein Treffen von Brunner mit den Sozialpartnern und Pensionistenvertretern zu der stark gestiegenen Teuerung statt. Konkretes Ergebnis gab es dabei keines, so Sitzungsteilnehmer, allerdings wurde eine Arbeitsgruppe beschlossen. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian zeigte sich in einer ersten Reaktion verärgert, auch der Seniorenrat forderte Taten.

„Als Sozialpartner haben wir vor über drei Wochen unsere neun Forderungspunkte präsentiert. Bis heute gibt es keine fixe Zusage zu einer der Forderungen. Es gibt Absichtserklärungen, aber keine konkreten Pläne. Ich bin maximal unzufrieden“, so Katzian.

Der Seniorenrat betonte in einer Aussendung: „Es muss etwas kommen.“ Seniorenratspräsidentin Ingrid Korosec (ÖVP) meinte nach dem Teuerungsgipfel, es sei „ein sehr wichtiges Gespräch“ gewesen, „wenngleich es leider noch keine konkreten Maßnahmen gibt“.

Oft reicht Einkommen nicht

Laut WIFO-Analyse hängen die Folgen der Preissteigerungen für Haushalte vor allem davon ab, welche Waren und Dienstleistungen ein Haushalt konsumiert. Diese unterscheiden sich je nach Haushaltszusammensetzung und Höhe des Haushaltseinkommens.

Laut Daten der Statistik Austria für 2019 und 2020 sind die Ausgaben ärmerer Haushalte durchschnittlich höher als ihr verfügbares Einkommen: Die zehn Prozent der Haushalte mit den niedrigsten verfügbaren Haushaltsäquivalenzeinkommen (1. Dezil) konnten mit ihrem Haushaltseinkommen nur rund 68 Prozent ihrer Konsumausgaben finanzieren, der Rest musste über Ersparnisse oder Verschuldung gedeckt werden.

Budget wird wieder aufgeschnürt

Der Ukraine-Krieg sowie die Pandemie lassen Österreichs Budgetdefizit und auch die Staatsschuldenquote steigen. Daher muss das Budget wieder aufgeschnürt werden, heißt es von ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner. Gemeinsam mit den Sozialpartnern sollen nun Maßnahmen erarbeitet werden.

Wer am stärksten von Armut betroffen ist

Von Armut betroffen sind in Österreich vor allem Minderjährige (im Alter von 0 bis 17 Jahren), in Wien lebende, alleinlebende Frauen, Einelternhaushalte, Mehrpersonenhaushalte mit mindestens drei Kindern, Personen in Gemeindewohnungen und sonstigen Mietwohnungen (exklusive Genossenschaftswohnungen), Personen, die Sozialleistungen empfangen, Menschen mit geringer Bildung und Menschen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft.

Erst ab dem vierten Einkommensdezil deckte das Haushaltseinkommen die Konsumausgaben. Die wohlhabendsten zehn Prozent der Haushalte mussten lediglich 60 Prozent ihres Einkommens für die Lebenshaltungskosten ausgeben und konnten 40 Prozent auf die hohe Kante legen. Steigende Preise führen bei ärmeren Haushalten direkt dazu, dass auf bestimmte Ausgaben verzichtet, dafür eine höhere Verschuldung eingegangen oder auf günstigere, oft weniger hochwertige Produkte zurückgegriffen werden muss. Haushalte mit höheren Einkommen können hingegen auch bei steigenden Preisen ihren Lebensstandard über ihre Ersparnisse aufrechterhalten.

SPÖ und FPÖ mit Forderungen an Regierung

SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner forderte einen „sofortigen Teuerungsstopp“ und sagte, dass die Armutsgefährdung von alleinlebenden Frauen und Alleinerziehenden und ihren Kindern besonders alarmierend sei. Sie könnten sich „das Leben angesichts der gestiegenen Miet- und Energiepreise in Zukunft nicht mehr leisten“.

"Trotz dieser dramatischen Situation „zeigt sich Finanzminister Magnus Brunner völlig ignorant gegenüber den Sorgen der Menschen“, kritisierte Holzleitner unter Verweis auf die WIFO-Daten. Die Regierung müsse die Mieterhöhung vom 1. April sofort zurücknehmen.

Der Wirtschaftssprecher der Wiener FPÖ, Udo Guggenbichler, forderte ein sofortiges Handeln von Bundes- und Wiener Stadtregierung: „Wir brauchen umgehend eine Entlastung des Mittelstandes sowie der kleinen und mittleren Unternehmen.“