Arbeiter bei Jamal Gas-Pipeline
Reuters/Vasily Fedosenko
Polen und Bulgarien

Russland dreht Gashahn zu

Russland hat wie angekündigt Polen den Gashahn zugedreht. Seit Mittwoch kurz nach vier Uhr Früh versiegte der Gasfluss durch die „Jamal“-Pipeline, wie Daten des Europäischen Netzes der Fernleitungsnetzbetreiber zeigten. Auch die Gaslieferungen an Bulgarien sollen laut Moskau am Mittwoch eingestellt werden.

Bulgariens Energieministerium betonte, derzeit gebe es keinen Gasengpass durch den Lieferstopp. Der Gasverbrauch müsse derzeit nicht eingeschränkt werden. „Die bulgarische Seite hat ihre Verpflichtungen vollständig eingehalten und alle Zahlungen gemäß seinem aktuellen Vertrag fristgerecht vorgenommen“, so das Ministerium. Energieminister Aleksandar Nikolow wollte sich am Mittwoch zum Lieferstopp äußern. Das Land bezieht mehr als 90 Prozent seiner Gasimporte aus Russland.

Seit Mittwoch erfolgen auch keine Lieferungen mehr an Polen. Das Land will Erdgas nicht wie von Russland gefordert in Rubel bezahlen. Der polnische Erdgaskonzern PGNiG sieht in der Entscheidung einen Bruch bestehender Verträge. Man wolle Schadenersatz wegen Vertragsbruchs fordern.

Polen: „Sind vorbereitet“

„Wir sind auf eine vollständige Einstellung der russischen Rohstofflieferungen vorbereitet“, sagte die polnische Klimaschutzministerin Anna Moskwa am Dienstag. Die Gasspeicher seien zu 76 Prozent gefüllt, so Moskwa. Das sei ein Ergebnis der Vorbereitungen: „Im vergangenen Jahr um diese Zeit waren die Speicher zu 39 Prozent gefüllt.“

Es gebe aber zum jetzigen Zeitpunkt keinen Grund, die Speicher zu öffnen. Vielmehr bemühe man sich, die Vorräte mit Lieferungen von Flüssigerdgas (LNG) auf 99 Prozent aufzustocken. „Die Heizperiode liegt schon hinter uns. Deshalb müssen wir auch nicht darüber reden, wie lange der Vorrat in den Speichern hält.“ Der laufende Bedarf werde derzeit mit LNG-Lieferungen gedeckt.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte am Dienstag in Berlin nach einen Treffen mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, dass Russland vielleicht versuche, Polen auf diese Weise zu erpressen. Polen habe sich aber sich im Vorfeld auf die Diversifizierung der Gasversorgung vorbereitet. Die Wirtschaft sei nicht gefährdet. Deutschland Netzversorgungsagentur betonte, man beobachte die Lage genau.

Gasprom bestätigte Berichte nicht

Ende März hatte Kreml-Chef Wladimir Putin gefordert, dass mit Wirkung zum 1. April westliche Staaten Konten bei der Gasprombank eröffnen müssen, um zur russische Gaslieferungen zu bezahlen. Andernfalls würden die Lieferungen für die „unfreundlichen“ Länder eingestellt. Nach einem von Putin unterzeichneten Dekret können die Zahlungen weiter in Euro oder Dollar auf das russische Konto eingezahlt werden. Die Gasprombank konvertiert das Geld in Rubel und überweist den Betrag in der russischen Währung an Gasprom. Bei einem Ausbleiben der Zahlungen würden die Lieferungen eingestellt, so Moskau.

Der staatliche russische Gaskonzern Gasprom hat Berichte über einen angeblichen Gaslieferstopp von russischem Erdgas nach Polen unterdessen nicht bestätigt, erklärte der Sprecher des Unternehmens, Sergej Kuprijanow, laut TASS in Moskau. Gasprom hatte betont, dass Polen mit dem heutigen Tag verpflichtet sei, für die Gaslieferungen gemäß dem neuen Zahlungsverfahren zu zahlen. Der Sender Polsat und die Website Onet.pl hatten berichtet, die Gasversorgung Polens über die „Jamal“-Pipeline sei gestoppt worden.

Onet.pl schrieb, der Schritt könnte eine Reaktion Moskaus auf die Weigerung Polens sein, den jüngsten Forderungen Russlands nachzukommen, das Erdgas in Rubel, zu bezahlen. In Warschau sei im Ministerium für Klimaangelegenheiten ein Krisenstab eingerichtet worden. Das bulgarische Onlineportal Mediapool berichtete auch, dass die Gaszahlung vom 18. April für Mai auf die bisher übliche Weise erfolgt sei, und nicht wie von Gasprom gefordert, über zwei neu eröffnete Konten bei der Gasprombank – in Dollar und in Rubel.

Gasexperte: „Jamal“ war immer wieder unterbrochen

Ein Wiener Gasexperte sagte am Dienstagabend zur APA, über die „Jamal“-Gaspipeline, die Polen mit russischem Gas versorgt, sei bereits in den letzten Wochen und Monaten immer wieder weniger Erdgas angekommen. „Die ‚Jamal‘ war immer wieder einmal unterbrochen oder auf null gesetzt, weil weniger Gas nominiert wurde“, also von Kunden weniger für den Transport angemeldet wurde.

Auch in der Vergangenheit habe das immer wieder zu Aufregung geführt, letztlich hätten sich die Schwankungen aber als marktgetrieben herausgestellt, so der Fachmann. Auch er habe heute von den neuen Medienberichten gehört, wonach es weniger Gas in Polen gebe oder die Gasflüsse dorthin unterbrochen seien. Im Gegenteil: Auf der Website der Vereinigung der europäischen Gasfernleitungsbetreiber ENTSO-G seien Gasflüsse über die „Jamal“ noch für Dienstag um 16.00 Uhr ersichtlich.

Für Österreichs Gasversorgung habe die „Jamal“ keine vorrangige Bedeutung, weil unser Land nicht über Polen, sondern eine südlicher, über die Ukraine verlaufende Gasleitung versorgt werde, so der Experte.