Untergrunderdgasspeicher Haidach
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Weitgehend leer

Deutschlands Krux mit Gasdepot in Österreich

Nach dem vom russischen Staatskonzern Gasprom vollzogenen Lieferstopp für Polen und Bulgarien hat sich die Debatte über die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland und die Frage nach der weiteren Vorgangsweise noch einmal verschärft. Um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein, steht bei vielen Ländern das Füllen der Gasspeicher ganz oben auf der Agenda, wobei in Deutschland auch ein weitgehend leeres Depot in Salzburg für Debatten sorgt.

Der Hintergrund: Der Gasspeicher Haidach ist an das deutsche Gasnetz angeschlossen und spielt etwa für eine als „Chemiedreieck“ bekannte grenznahe bayerische Industrieregion eine zentrale Rolle. Aber auch Privathaushalte in bayerischen Städten wie München, Ingolstadt und Regensburg werden teilweise mit dem Gas aus der Austria Bavaria Gaspipeline (ABG) versorgt, die sich nach Angaben des Nachrichtenmagazins „Focus“ aus dem Lager in Haidach speist.

Das Gaslager „war schon immer eine Besonderheit“, heißt es dazu bei „Focus“, auch mit Verweis auf ein von der deutschen Regierung erlassenes Gesetz, das ab dem Sommer Mindestfüllmengen für Gasspeicher vorschreibt: Da das Gesetz „eben nur für Speicher auf deutschem Boden“ gelte, habe Deutschland „keinerlei Handhabe“, um die Speicher in Haidach wieder aufzufüllen. Und wie dem vom Verband der Europäischen Gasspeicherbetreiber veröffentlichten Fülldaten (Aggregated Gas Storage Inventory, AGSI) zu entnehmen ist, ist die deutsche Gaslagerstätte in Haidach weitgehend leer.

„Situation muss zeitnah geklärt werden“

Die in Deutschland für Debatten sorgende Problematik betrifft allerdings nicht nur den Standort auf österreichischem Staatsgebiet, sondern auch die hinter dem Gasdepot stehende Unternehmensstruktur. „Haidach gehört zu etwa zwei Dritteln der Gasprom, die ihn leergefahren hat, nachdem er offenbar vorher aus strategischen Gründen schon unterdurchschnittlich befüllt war“, zitierte die „Passauer Neue Presse“ („PNP“) am Donnerstag Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.

Diesem zufolge müsse die Situation „zeitnah geklärt werden“, da man die Speicherkapazität von Haidach „dringend für den kommenden Winter“ benötige. Auch Tobias Schmid vom bayerischen Gasnetzbetreiber Bayernets ortet laut dpa zunehmenden Handlungsbedarf. „Wenn Haidach im November zu 90 Prozent voll sein sollte“, dann müsse spätestens Ende Juni „maximal eingespeichert werden“.

„Vertrauensvolle Zusammenarbeit“

Die oberirdischen Anlagen in Haidach gehören zu je einem Drittel der österreichischen Rohöl-Aufsuchungs-Aktiengesellschaft (RAG) und zwei zum Gasprom-Firmengeflecht zählenden Unternehmen, die unterirdischen Teile der Republik Österreich. Die Gasprom-Beteiligungen sorgten bereits Anfang April mit der vom russischen Staatskonzern bekanntgegebenen Abtrennung seiner Deutschland-Tochter Gazprom Germania für Schlagzeilen.

Die Vorgangsweise sorgte auch in Österreich für Erstaunen – allen voran bei der RAG. Befürchtungen über Auswirkungen für Österreichs Gasversorgung hielten sich aber in Grenzen. „Haidach ist ein großer deutscher Speicher“, hieß es damals aus der Gasbranche. Offen bleibt, wie es mit Gasprom Germania weitergeht. Derzeit steht Gazprom Germania in Deutschland auf Anordnung von Wirtschaftsminister Robert Habeck unter staatlicher Kuratel.

Auch für Österreich nutzbar

Obwohl das im Salzburger Haidach gespeicherte Gas für den deutschen Markt bestimmt ist, wäre der Speicher im Notfall auch von österreichischer Seite nutzbar. Der mit der deutschen Netzinfrastruktur direkt verbundene Speicher könnte für den saisonalen Ausgleich auch in Österreich genutzt werden, heißt es dazu auch auf der Haidach-Webseite von Gazprom Germania. Das betrifft wohl vor allem Tirol und Vorarlberg, die bereits jetzt zur Gänze über Deutschland mit Gas versorgt werden.

Ob die in dieser Woche nun auch in Österreich abgesegnete strategische Gasreserve auch die Befüllung des deutschen Speichers in Haidach betrifft, wird sich noch weisen – Medienberichten zufolge soll die Gasreserve mit Juni über alle Speicher im Land verteilt werden. „Focus“ ortet hier jedenfalls „schon ein erstes Zeichen des Entgegenkommens“ aus Wien – dem Magazin zufolge pflegen Bayern und Österreich bei der Gasversorgung aber ohnehin eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“.

Experte fordert rasches Füllen von Depots

Eine solche dürfte es künftig verstärkt auch auf EU-Ebene brauchen. Russlands Spiel mit dem Gas verstärkt nun jedenfalls auch in Brüssel die Bemühungen, ein gemeinsames Sicherheitsnetz aufzubauen. Der Vorsatz, künftig gemeinsam Gas einzukaufen und zu speichern, um für einen Lieferstopp aus Russland gewappnet zu sein, klingt gut, ist aber schwierig, sagte dazu Christian Egenhofer, Energieexperte der Brüsseler Denkfabrik Centre for European Policy Studies (CEPS), gegenüber dem Ö1-Morgenjournal.

Demnach seien für den Gaseinkauf private Firmen wie die OMV zuständig und nicht die Politik. Allerdings könne die EU-Kommission von Brüssel aus zwischen den Firmen koordinieren, damit die wissen, wer bei welchem Gasanbieter anklopft und mit wem verhandelt, um einander nicht auszustechen. Besonders betroffen seien Egenhofer zufolge neben Deutschland, den Niederlanden und der Slowakei auch Österreich, da sich in den vier genannten Länder der Löwenanteil der EU-Gasspeicher befinde.

Außer Frage stellt der CEPS-Experte schließlich, dass die EU-Länder technische und finanzielle Fragen hier rasch klären müssen. Demnach waren sich diese bisher wohl etwas zu sicher, dass Moskau den Gashahn offen lässt, weil Russlands Langzeitherrscher Wladimir Putin das Geld der EU braucht: „Der russische Gaslieferstopp nach Polen und Bulgarien dürfte das nun ändern“.