SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig
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„Freundschaft“ wie früher

SPÖ am 1. Mai mit Kampfansage an Regierung

Erstmals seit 2019 hat die SPÖ ihre Anhängerinnen und Anhänger wieder zahlreich auf dem Wiener Rathausplatz versammelt. Dort zeigte sich die Sozialdemokratie selbstbewusst: Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sparte nicht mit Kritik an der Bundesregierung, weder in puncto Pandemie noch beim Thema Teuerung.

Nach der Zwangspause 2020 und 2021 fand am Sonntag der Sternmarsch aus allen Wiener Gemeindebezirken Richtung Rathaus wieder statt. „Freundschaft!“ und „Hoch der 1. Mai“: Die SPÖ ließ ihre Traditionen hochleben. Kundgebung, Schmankerl-Treffen in der Löwelstraße und Praterfest wurden erstmals wieder so geplant wie vor der Pandemie: vor Ort, beinahe ohne CoV-Maßnahmen und mit roter Nelke im Knopfloch – mehr dazu in wien.ORF.at.

Kampfeslustig gaben sich die Rednerinnen und der Redner auf der Bühne vor dem Rathaus und betonten dabei die Geschlossenheit der Partei. „Du merkst es, ich glaub, ich muss es nicht extra betonen, wir, die SPÖ Wien, stehen voll hinter dir“, sagte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig Richtung Rendi-Wagner. Mit Kritik an der Bundesregierung wurde nicht gespart. Die vergangenen Jahre der Pandemiepolitik, die Kanzlerwechsel, Turbulenzen in der und Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP sowie die aktuelle Teuerung standen dabei im Mittelpunkt.

Rendi-Wagner stellt Führungsanspruch

SPÖ-Bundesparteivorsitzende Rendi-Wagner fordert beim 1.-Mai-Aufmarsch auf dem Wiener Rathausplatz höhere Pensionen, eine Vermögenssteuer und eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom, Gas und Sprit

Führungsanspruch im Bund

Ludwig stellte in seiner Rede den Führungsanspruch für seine Partei in der Republik. Man stehe vor großen Herausforderungen, die man nur gemeinsam meistern könne. „Ich bin sicher, dass in unserem Land vieles besser wird, wenn unsere Bundesparteivorsitzende nicht nur an der Spitze unserer Bewegung, sondern an der Spitze der Republik Österreich steht“, sagte er. Die Bundeshauptstadt sei Vorbild sozialer Politik; von den CoV-Maßnahmen, dem Ausbau des Gesundheits- und Pflegesektors, den Schulen, Wohnbau bis zum Verkehr, wo man beim Preis von 365 Euro für das „Öffi“-Jahresticket bleiben werde.

Blick auf die Bühne der 1. Mai-Schlusskundgebung der SPÖ am Rathausplatz in Wien
APA/Florian Wieser
Ein 1. Mai wie vor der Pandemie: Laut SPÖ fanden sich knapp 100.000 Menschen ein – die Polizei sprach von weit weniger

Auch der Ukraine-Krieg kam zur Sprache. „Wir sind nicht neutral, wenn es darum geht, einen Angriffskrieg zu verurteilen“, so Ludwig, der sich gegen „Geopolitik mit Waffengewalt“ aussprach: „Ich habe kein Problem mit dem russischen Volk, habe kein Problem mit Puschkin, aber ich habe ein Problem mit Putin.“

Kämpferisch und traditionell gaben sich auch Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl und die Wiener SPÖ-Frauen-Chefin Marina Hanke, die nicht verwandt ist mit Stadtrat Peter Hanke. Beide Rednerinnen forderten vehement einen Ausgleich gegen die Teuerung für Niedrigverdienende auf Kosten der Reichsten.

Angriffe auf ÖVP und Grüne

Rendi-Wagner stieß in dasselbe Horn: Erneut forderte sie die Streichung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, eine Steuererleichterung bei Treibstoffen, eine Senkung der Lohnsteuer und eine Erhöhung von Arbeitslosengeld und Pensionen. „Wo sind die gesetzlich vorgeschriebenen Preiskontrollen?“, so Rendi-Wagner Richtung Bundesregierung. „Wo ist die gesetzlich vorgeschriebene Aussetzung von Mieterhöhungen?“ Millionäre und Milliardäre sowie große Onlinekonzerne sollten dafür mehr zum Steuertopf beitragen, so Rendi-Wagner: „Das ist längst überfällig“. Wien zeige vor, wie man Krisen meistere.

„Es macht einen Unterschied, wer regiert. Wir sehen es in Wien so deutlich“, sagte sie. Die Bundesregierung sei eine „Koalition des Stillstands, des Schweigens und der flotten Sprüche“, kritisierte sie nicht zuletzt Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der der SPÖ unterstellt habe, bei der Teuerung Hysterie zu betreiben. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) ordnete sie als Masseverwalter des Scherbenhaufens ein, den Sebastian Kurz als Regierungschef zurückgelassen habe. Die fünf Jahre in der Opposition seien fünf verlorene Jahre für Österreich gewesen, „und das tut sehr weh“.

Betonter Einklang

Rendi-Wagner und Ludwig betonten am Sonntag mehrmals ihre Geschlossenheit. Schon in Fragen der Pandemiepolitik hatte sich das Duo gegenseitig unterstützt. Ludwig schützte die Parteichefin auf der Bühne dann noch vor dem einsetzenden Regen. „Jetzt kann mir wirklich nichts passieren“, sagte daraufhin Rendi-Wagner: „Der Bürgermeister Seite an Seite mit mir, was gibt es Schöneres?“

Am Sonntag war auf dem Rathausplatz auch viel rote Prominenz zugegen, etwa Altbürgermeister Michael Häupl und EU-SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder. Eklatante Unterschiede gab es bei der Wahrnehmung der Teilnehmerzahl an der Kundgebung. Während die SPÖ von knapp 100.000 sprach, lagen die Polizeischätzungen bei 1.500 bis 2.000.

ÖVP kritisiert Wiener Gemeindebaumodell

Auch die ÖVP gab sich am Sonntag kämpferisch und wollte der Sozialdemokratie nicht völlig die Bühne überlassen. Ausgerechnet das Wiener Gemeindebaumodell – in Reden auf dem Rathausplatz hoch gelobt – geriet am Tag der Arbeit ins Visier von ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner. „Wer jeden Tag arbeiten geht, muss sich Eigentum leisten können“, hieß es in einer Aussendung. „Während die Bundesregierung im Regierungsprogramm Maßnahmen zur Förderung von Eigentumsbildung verankert hat, gibt es im roten Wien keinerlei Bestrebungen, den Anteil an Eigentumswohnen zu erhöhen“, so Sachslehner.

Das Gemeindebaumodell der Stadt Wien ziele vielmehr darauf ab, die Wienerinnen und Wiener in Mietverträgen zu halten, ohne die Möglichkeit, das bewohnte Objekt jemals zu erwerben. Mit Hilfe von gemeinnützigen Bauträgern müsse die Stadt stattdessen mehr gefördertes Eigentum anbieten und Miet-Kauf-Optionen im Gemeindebau etablieren.

Auch FPÖ wieder mit traditioneller Veranstaltung

Die FPÖ kehrte am Sonntag ebenso wie die SPÖ zu ihrem traditionellen Programm zurück. Oberösterreichs Landesobmann Manfred Haimbuchner und Bundesparteichef Herbert Kickl luden ins Bierzelt am Urfahraner Markt in Linz. Auch hier teilten die Redner kräftig gegen die Bundesregierung aus. Und auch die FPÖ forderte eine neuerliche Regierungsbeteiligung. „In Wahrheit wollen wir führen, eine freiheitliche Lokomotive braucht das Land“, sagte Kickl bei seiner Rede im Bierzelt. „Jetzt ist endlich wieder echtes Leben in der Bude“, so Kickl unter starkem Jubel und nach der Eröffnung durch die John-Otti-Band. Das sei etwas anderes als der Geruch von Desinfektionsmitteln literweise. „Festzelt statt Testzelt“ und so werde das in Zukunft bleiben, sagte er.

Kickl prophezeit Regierung Abrechnung

Bei der 1.-Mai-Kundgebung der FPÖ auf dem Urfahraner Jahrmarkt in Linz kündigt Bundesparteiobmann Herbert Kickl an, seine Partei als führende Kraft einer neuen Bundesregierung sehen zu wollen. Auch werde die FPÖ einen eigenen Bundespräsidentschaftskandidaten aufstellen.

Neben der Regierung – „diese Paarung aus Not und Elend“ –, bedachte Kickl auch die Opposition mit Kritik. Interessant sei, wie wenig die Regierung, die „Entlastungsschwurbler“, bei der Teuerung das Sagen habe. Es gebe in Österreich Millionen Teuerungsopfer. „Ich habe mir fest vorgenommen, dass wir nächstes Jahr den 1. Mai ohne Auflagen und ohne den grün-schwarzen Klotz am Bein der Republik“ begehen, den werden wir absprengen in den nächsten Monaten, kündigte Kickl an. Da dürfe man auch „nicht so unterwürfig denken“, sondern die Frage sei: „Mit wem wollen denn wir überhaupt, mit wem können wir denn zusammenkommen?“

FPÖ will Bundespräsidenten stellen

Auf dem Weg zum Regieren müsse man noch ein anderes Kapitel erledigen. „Her mit einem neuen Bundespräsidenten“ und ab in den Ruhestand mit dem aktuellen. Ein freiheitlicher Kandidat müsse wach, vital, beweglich sein, ein großes Herz für Österreich haben und ein Gegengewicht zum politischen System sein. Die Freiheitlichen hätten gleich mehrere Personen, die das Anforderungsprofil erfüllen, „wir haben Manderln und Weiberln“, aber „wir werden uns nicht zu früh in die Karten schauen lassen“, gab Kickl die Strategie für die Bundespräsidentenwahl vor.

Die Freiheitlichen seien die Bewahrer der Neutralität. „Ich bin ein Neutralitätsversteher“, „bin kein Putin-Versteher, aber auch kein Klitschko- oder Selenskyj-Fanboy“. Auch beim Thema Zuwanderung seien die Freiheitlichen die einzigen, die hinschauen würden.

Haimbuchner ließ zuvor die drei Jahre, in denen kein Bierzelttreffen möglich war, Revue passieren, die „Zumutung von Unzumutbarem“, kritisierte dabei den „oberlehrerhaften, abgehalfterten Kanzler (Sebastian) Kurz“ und teilte auch gegen die Grünen aus. Die Regierung müsse ausgetauscht werden, denn wenn die EU ein Gasembargo beschließen solle, stünden die Betriebe in Österreich still. Die CO2-Besteuerung müsse gestoppt werden, sie führe zu noch mehr Preistreiberei. „Die FPÖ muss zurück in die Verantwortung“, auf allen Ebenen, wie in Wels, in Oberösterreich und in Linz.

NEOS mit „Tag der Bildung“

NEOS forderte am Sonntag höhere Investitionen in die Elementarpädagogik. Den 1. Mai beging die Partei traditionell als „Tag der Bildung“, heuer rückte sie die Kindergärten in den Fokus. Bei einer Pressekonferenz sagte Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre, der Kindergarten solle „keine Betreuungs-, sondern die erste Bildungseinrichtung sein“.

Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr hielt das quantitative Angebot an Kindergartenplätzen in der Hauptstadt für bereits ausreichend. Nun ginge es darum, die Qualität zu verbessern. „Die Folgen guter Pädagogik für das weitere Leben sind massiv, investieren lohnt sich“, sagte der Bildungsstadtrat. In Wien habe man die Stellen für Sprachförderung im Kindergarten erhöht. Ab September würden die Assistenzkräfte verdoppelt. Für große und langfristige Verbesserungen sieht aber auch Wiederkehr den Bund in der Verantwortung.