Erntemaschine
AP//Vitaly Timkiv
Aus Ukraine gestohlen

Erntemaschinen für Russen unbrauchbar

Russische Soldaten haben in der Ukraine laut Angaben des US-Nachrichtensenders CNN landwirtschaftliche Hightech-Maschinen im großen Stil gestohlen. Die Mähdrescher und andere Maschinen stammen von einem Händler in der von Russland okkupierten Stadt Melitopol. Der Weg der mit GPS ausgerüsteten Maschinen lasse sich bis Tschetschenien verfolgen, so CNN. Von den russischen Dieben lassen sich die auf dem neuesten Stand der Technik stehenden Erntegeräte allerdings nicht bedienen.

CNN verweist in dem Bericht auf einen aus Sicherheitsgründen nicht namentlich genannte Geschäftsmann in der Region. Die Stadt ist seit Anfang März in russischer Hand. Insgesamt sollen die Gerätschaften, die von einer Agrotek-Vertretung in der Stadt gestohlen wurden, einen Wert von rund fünf Millionen Dollar (4,7 Mio. Euro) darstellen. Alleine eine der Kombierntemaschinen kostet laut dem Sender rund 300.000 Dollar (284.000 Euro).

Der Weg einiger der Hightech-Erntemaschinen konnte via GPS Hunderte Kilometer weit bis Tschetschenien, in das Dorf Sakan-Jurt, verfolgt werden. Der autoritäte Machthaber der von Moskau finanziell abhängigen russischen Teilrepublik ist Ramsan Kadyrow. Der als „Putins Bluthund“ titulierte Kadyrow ist mit seinen Truppen im Ukraine-Krieg aktiv.

Ramzan Kadyrow
Reuters/Chingis Kondarov
Einige Maschinen sollen nach Tschetschenien transportiert worden sein – hier Machthaber Ramsan Kadyrow

Maschinen digital gesperrt

Die sich auf dem neuesten Stand der Technik befindlichen Geräte können allerdings von den Dieben nicht verwendet werden. Die mit GPS ausgerüsteten Maschinen sind aus Sicherheitsgründen elektronisch gesperrt worden und können nur mit Eingabe des richtigen Codes zum Laufen gebracht werden.

Der Informant von CNN geht davon aus, dass es sich um eine konzertierte Aktion der russischen Truppen gehandelt hat. In den letzten Wochen häuften sich auch Berichte, dass Russland Getreide in der Ukraine stiehlt oder vernichtet. Laut CNN wurden in Melitopol zuerst nur wenige Mähdrescher und Erntegeräte gestohlen. Mittlerweile seien bei dem Händler alle 27 Maschinen „verschwunden“, so der TV-Sender weiter.

Hackerhilfe oder Zerlegung in Einzelteile

„Als die russischen Invasoren die Erntemaschinen abtransportierten, fiel ihnen auf, dass sie sie nicht einmal einschalten konnten, da sie digital gesperrt sind“, so der Informant laut CNN weiter. Derzeit stehe das Gerät nutzlos herum, heißt es weiter. Doch es scheine, dass die Diebe Kontakte zu russischen Hackern aufgenommen haben, um die Sperre zu umgehen bzw. zu knacken. Sollte das nicht gelingen, würden die Maschinen zerlegt und die Einzelteile verkauft, um Geld zu machen, heißt es bei CNN weiter.

Hunderttausende Tonnen Getreide aus Ukraine gestohlen

Der russische Angriffskrieg wird zunehmend ein Problem für die Versorgungssicherheit. Laut dem UNO-Welternährungsprogramm (WFP) stecken derzeit knapp 4,5 Millionen Tonnen Getreide in Häfen und auf Schiffen fest. Die Ukraine beschuldigt Russland zudem, Hunderttausende Tonnen geraubt zu haben.

Laut Angaben aus Kiew vom Samstag hat Russland Getreide aus den besetzten Gebieten der Süd- und Ostukraine abtransportiert. „Heute haben wir schon mehrere bestätigte Fakten, dass insgesamt einige hunderttausend Tonnen aus den Gebieten Saporischschja, Cherson, Donezk und Luhansk abtransportiert wurden“, so der ukrainische Vizelandwirtschaftsminister Taras Wyssozkyj im ukrainischen Fernsehen.

Ukraine: Gezielter Angriff auf Getreidelager

Im Gebiet Dnipropetrowsk sei ein großes Getreidelager zerstört worden, teilte die Militärverwaltung des Gebiets am Montag mit. Dazu veröffentlichte sie ein Video, das einen Raketeneinschlag zeigt. Die Ukraine ist einer der wichtigsten Getreidelieferanten der Welt.

„Unsere Getreidelager geben ihnen keine Ruhe“, sagte der Chef der Militärverwaltung des Gebiets Dnipropetrowsk, Valentin Resnitschenko. Verletzt wurde nach seinen Angaben niemand. Es war in Dnipropetrowsk mindestens das dritte Mal, das ein Landwirtschaftsbetrieb angegriffen worden sein soll, der keinen militärischen Zweck erfüllt.

Die Angaben können nicht unabhängig bestätigt werden. Klar ist aber, dass enorme Mengen an Getreide aus der Ukraine, einer der großen Kornkammern der Welt, blockiert sind. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Montag im australischen Fernsehen, Russland wolle die Wirtschaft der Ukraine komplett lahmlegen. „Russland lässt keine Schiffe ein- oder auslaufen, es kontrolliert das Schwarze Meer.“ Auch der WFP-Direktor in Deutschland, Martin Frick, schlug am Sonntag Alarm.

Ernteausfälle und steigende Preise

Vor Beginn des Krieges war die Ukraine einer der weltweit wichtigsten Erzeuger von Weizen sowie ein großer Maisproduzent. UNO-Angaben zufolge wurden 2020 beispielsweise gut 30 Millionen Tonnen Mais und knapp 25 Millionen Tonnen Weizen in dem Land geerntet. Russland und die Ukraine kommen zusammen auf ein Viertel der globalen Getreideexporte. Wegen absehbarer Ernteausfälle stiegen die Preise deutlich an. Die Institution geht auch davon aus, dass bei Weizen nur rund die Hälfte der Vorjahresmenge geerntet werden kann.

Wie das WFP weiter mitteilte, versorgte die Organisation seit Kriegsbeginn rund 2,5 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer mit Ernährungshilfe – davon die meisten in der Ukraine selbst und ein paar Hunderttausende in Moldawien. Es gebe eine doppelte Herausforderung: „Nahrungsmittel müssen zu den eingeschlossenen und notleidenden Menschen in der Ukraine gelangen, aber genauso auch aus der Region hinaus in die Welt, um eine globale Ernährungskrise zu entschärfen“, sagte Frick.

Das WFP brauche humanitären Zugang, sowohl zu den Menschen als auch zu den Häfen, damit Exporte von Nahrungsmitteln wieder anlaufen können. „Hunger darf keine Waffe sein, das gilt sowohl militärisch als auch wirtschaftlich.“ Die Handelswege für Getreide müssten offen bleiben, so die Forderung.

Scholz zu Krieg und seinen Folgen

Der deutsche Kanzler warnte vor Hungerkrisen infolge des Ukraine-Krieges.

Bahnen verstärken Transporte

Kürzlich wurde bekannt, dass die deutsche Regierung mithilfe europäischer Eisenbahnunternehmen den Getreideexport aus der Ukraine sicherstellen will. Der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) drängte darauf, der Ukraine beim Export von Weizen zu helfen. „Immer wieder erreichen uns Berichte über gezielte Attacken Russlands auf Getreidesilos, Düngerlager, landwirtschaftliche Fläche und Infrastruktur“, sagte der Grünen-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dahinter stecke offenbar der Versuch, „die Ukraine auch als Konkurrenz langfristig auszuschalten“. Von der Deutschen Bahn hieß es zuvor auch, über die konkrete Umsetzung liefen derzeit die Abstimmungen.

Auch die ÖBB Rail Cargo Group (RCG) verstärkt ihre Transporte aus der Ukraine. Seit Ausbruch des Krieges wurden 60.000 Tonnen Getreide transportiert. Von März bis April seien jeden zweiten Tag Getreidezüge aus der Ukraine nach Deutschland organisiert worden, hieß es am Donnerstag in einer Aussendung. Ab Mai werden die Transporte noch einmal ausgebaut, es soll dann für mindestens drei Monate täglich ein Güterzug mit Agrarprodukten fahren, teilte die RCG mit.

Sorge vor Hungerkrisen

Viele Länder, etwa in Nordafrika, sind abhängig von günstigem Weizen aus der Ukraine. Auch für weltweite Ernährungshilfe ist das Getreide entscheidend. Die Sorge vor Hungerkrisen infolge des Ukraine-Krieges wächst daher. „Dieser Krieg wird Folgen haben, Folgen auf der ganzen Welt“, sagte etwa der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntag.

„Jetzt schon müssen wir uns Sorgen machen, dass es welche gibt, die hungern werden, dass es Länder gibt, die sich kein Getreide für ihre Bevölkerung mehr leisten können. Dass diese ganze Kriegssituation auch noch zu einer weltweiten Hungerkrise führt.“