Arbeitssuchende am Schalter eines AMS-Centers
AMS, Fotostudio B&G
Trotz Ukraine-Krieges

Arbeitslosenquote auf Stand von 2008

Die Arbeitslosenquote hat im April 6,1 Prozent betragen, es ist damit die niedrigste April-Quote seit 14 Jahren. Trotz des Krieges in der Ukraine sank die Zahl der Personen ohne Arbeit im Monatsvergleich. Laut Arbeitsministerium waren zuletzt 327.308 Personen arbeitslos oder in Schulung, so wenige wie zuletzt vor zehn Jahren.

Für ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt „nach wie vor gut“. Man verzeichne die niedrigsten Arbeitslosenzahlen Ende April seit 2012 (321.817). 254.755 Personen suchten einen Job, weitere 72.553 waren in Schulungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservice (AMS). Die Rücknahme der Coronavirus-Maßnahmen und saisonale Effekte hätten für eine positive Dynamik auf dem Arbeitsmarkt gesorgt.

Ende April 2021, als sich die Bundesländer Wien und Niederösterreich in einem harten Lockdown befanden, lag die Arbeitslosigkeit um rund ein Viertel höher. Im Vergleich zum Vorkrisenmonat April 2019 lag die Arbeitslosigkeit um rund neun Prozent bzw. rund 34.000 Personen höher als derzeit.

Grafik zur Arbeitslosigkeit in Österreich im April 2022
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Für Kocher ist damit „erkennbar, dass der Krieg in der Ukraine und die dadurch notwendig gewordenen Wirtschaftssanktionen gegen Russland die positive Dynamik insgesamt bisher nur wenig gebremst haben“. Einen leichten Anstieg um 2.300 arbeitlose Personen gab es deswegen im Wochenvergleich. Der Großteil des Anstiegs ist laut Arbeitsministerium auf die Effekte in der Zwischensaison vor dem Sommer in den Branchen Beherbergung und Gastronomie zurückzuführen.

Einige Branchen finden keine Arbeitskräfte

Im Handel, im Gastgewerbe und in der Elektrotechnik bleiben derzeit viele Stellen offen, so eine Auswertung des Wirtschaftsbundes. Es fehlen zunehmend Fachkräfte.

So viele offene Stellen wie nie

Beim AMS waren Ende April 128.777 offene Stellen als sofort verfügbar gemeldet – so viele wie noch nie. Das entspricht einem Anstieg von 59 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Kocher betonte, dass es sich dabei nur um die gemeldeten offenen Stellen handle: „Das sind ungefähr 40 Prozent der tatsächlich offenen Stellen.“

„Wenn man das hochrechnet, kommt man auf eine hohe Zahl von fast 300.000 offene Stellen, die in Österreich verfügbar sind“, sagte der Arbeitsminister. Gewisse Branchen, etwa Tourismus und Gastronomie, seien besonders stark betroffen. Der Stellenmonitor des ÖVP-Wirtschaftsbunds kommt auf aktuell rund 272.000 offene Stellen.

Arbeitslose in den Bundesländern im April 2022
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Die Bekämpfung des Fachkräftemangels hat für Kocher Priorität. Er verwies unter anderem auf den Ausbau der Qualifizierungsmaßnahmen und die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte. „Österreichs Betriebe leiden unter Personalmangel“, sagte AMS-Vorstand Johannes Kopf. Das AMS werde bei seiner „Business Tour“ ab Mitte Mai, bei der es Kontakt mit 7.000 Unternehmen geben wird, vor allem zu den Themen Arbeitsplatzattraktivität, Kompetenzorientierung und ganzheitliche Personalsuche beraten.

„Spürbarer Anstieg“ bei Kurzarbeit

Einen „spürbaren Anstieg“ gab es laut Arbeitsministerium hingegen bei den Voranmeldungen zur Kurzarbeit im Verlauf des April. Zum Monatsende waren 52.588 Personen zur Kurzarbeit vorangemeldet. Der Ukraine-Krieg wirke sich dabei nur „sehr begrenzt“ auf die Kurzarbeitszahlen aus, so Kocher. Möglich sei auch, dass vor allem Produktionsunternehmen aufgrund des mehrwöchigen Lockdowns in Schanghai und der damit einhergehenden globalen Lieferkettenprobleme besorgt sind und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Kurzarbeit voranmelden.

Das aktuelle Kurzarbeitsmodell läuft noch bis Ende Juni. Derzeit gibt es Verhandlungen zwischen Regierung und Sozialpartnern über eine neue Kurzarbeitsvariante. „Es wird ein Nachfolgemodell geben“, sagte Kocher. Es werde aber Änderungen geben, weil die Kurzarbeit nicht für Betriebe mit „strukturellen Schwierigkeiten“ gedacht sei.

Daten zu den Arbeitslosenzahlen im April 2022
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Fast 1.800 Arbeitsbewilligungen für Ukrainer

Kocher erwartet bis zum Herbst „eine niedrige fünfstellige Zahl“ von aus der Ukraine geflüchteten Menschen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt. Es sei derzeit nicht abschätzbar, ob es 15.000 bis 20.000 oder mehr werden.

Insgesamt haben bisher 1.797 Ukrainerinnen und Ukrainer eine Beschäftigungsbewilligung erhalten, davon entfielen 1.417 Bewilligungen auf Frauen und 380 auf Männer. Die meisten Beschäftigungsbewilligungen gab es in Oberösterreich (418) und Niederösterreich (363). Zudem sind derzeit 3.644 Vertriebene aus der Ukraine beim AMS vorgemerkt.

Reform der Arbeitslosenversicherung geplant

Bei der geplanten Reform der Arbeitslosenversicherung gibt es laut Kocher „sehr intensive“ Gespräche mit dem grünen Koalitionspartner. Die Präsentation des Gesamtpakets soll wie anvisiert im zweiten Quartal erfolgen. „Die Gespräche stimmen mich optimistisch“, so der Minister. Details wollte er nicht nennen.

Die Arbeiterkammer (AK) forderte eine stärkere Einbindung bei den Reformüberlegungen zur Arbeitslosenversicherung. „Wir werden den Arbeitsminister beim Wort nehmen, der uns hier echte Einbindung versprochen hat – im Gegensatz zur überfallsartigen Änderung der Rot-Weiß-Rot-Karte“, so AK-Präsidentin Renate Anderl. „Es ist an der Zeit, die Arbeitslosenversicherung umfassend zu reformieren, Beschäftigungsanreize zu stärken und Arbeit zu fördern“, sagte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, angesichts der Fachkräftemangels.

Aufgrund der hohen Inflation drängten AK und ÖGB erneut auf eine Anhebung der Arbeitslosengeld-Nettoersatzrate von aktuell 55 auf 70 Prozent. „Arbeitslosigkeit darf nicht in Armut führen“, sagte der Leitende Sekretär des ÖGB, Willi Merny.

Ruf nach Jobgipfel

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch forderte angesichts der hohen Zahl an offenen Stellen eine Facharbeiteroffensive. „Dass der Lehrberuf eine Chance für die Zukunft ist, muss endlich von der schwarz-grünen Regierung entsprechend kommuniziert und mit einem attraktiven Anreizsystem untermauert werden“, so Belakowitsch.

Der Arbeitskräftemangel sei „insbesondere für die bevorstehende Sommersaison ein Damoklesschwert, das es mit weitreichenden Arbeitsmarktreformen zu beseitigen“ gelte, sagte ÖVP-Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger. Die Freiheitliche Wirtschaft forderte wegen des Fachkräftemangels einen bundesweiten Jobgipfel.