Bundeskanzler Karl Nehammer
APA/Georg Hochmuth
Gewinne abschöpfen?

Nehammer-Ansage schlägt Wellen

Die Regierung denkt darüber nach, wie Gewinne von Firmen mit Staatsbeteiligung, die überproportional in Krisen profitieren, gesetzlich abgeschöpft werden können. Ein entsprechender Prüfungsauftrag sei bereits an das Finanz- und Wirtschaftsministerium ergangen, wie Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte. Die Industrie zeigte sich „besorgt“, die SPÖ sah ein „Schuldeingeständnis der ÖVP“.

„Ich habe dem Finanzminister und der Wirtschaftsministerin den Auftrag gegeben, Vorschläge dafür vorzulegen“, sagte Nehammer der „Tiroler Tageszeitung“. Zugleich wies der Bundeskanzler, der sich am 14. Mai auf dem ÖVP-Bundesparteitag zum ÖVP-Bundesobmann küren lassen will, darauf hin, dass die teilweise Privatisierung von Betrieben nun in der Krise für den Staat Probleme aufwerfe. Die doch unerwarteten Aussagen Nehammers sorgten nicht nur für Reaktionen aus der Industrie, sondern auch dafür, dass die Aktie des teilstaatlichen Energiekonzerns Verbund um fast 13 Prozent abrutschte.

51 Prozent des Verbund-Grundkapitals befinden sich im Eigentum der Republik Österreich. Verbund-Chef Michael Strugl kritisierte die Überlegungen: „Die Aussagen haben zu erheblichen Verunsicherungen geführt, was sich auf die Aktie ausgewirkt hat“, sagte Strugl. Der Verbund habe mit seinen Investitionen eine wichtige Aufgabe beim Ausbau erneuerbarer Energien. „Daher sind wir gegen staatliche Eingriffe in den Markt, auch wenn das letztlich eine politische Entscheidung ist“, sagte Strugl.

Auch die Aktie des niederösterreichischen Stromversorgers EVN rutschte um mehr als sieben Prozent ab. Das Land Niederösterreich ist mit 51 Prozent Mehrheitseigentümer der EVN. Die OMV-Aktie büßte 2,8 Prozent ein. Hier ist mit 31,5 Prozent die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) beteiligt.

IV spricht von „willkürlicher Intervention“

Der Präsident des Aktienforums und voestalpine-Vorstand Robert Ottel bezeichnete die Aussagen von Nehammer als „überraschend und schockierend zugleich“. Diese würden den heimischen Kapitalmarkt schädigen, so Ottel. Das Aktienforum ist eine Interessenvertretung österreichischer börsennotierter Unternehmen.

Die Industriellenvereinigung (IV) zeigte sich ebenfalls „besorgt“. Derartige Interventionen würden nach Ansicht der Industrievertreter den Standort schädigen und den Investitionsspielraum für den Ausbau erneuerbarer Energien verkleinern. „Bereits die öffentliche Erwägung solcher willkürlichen Interventionen unterminieren das Vertrauen in die Planbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich und führen zur Investitionszurückhaltung“, hieß es in einer Aussendung.

Die SPÖ hingegen interpretierte die Aussagen von Nehammer als „Schuldeingeständnis der ÖVP“ hinsichtlich der in den letzten Jahrzehnten vorangetriebenen Privatisierungen. Es sei zwar dringend notwendig, die übermäßigen Gewinne der Krisenprofiteure abzuschöpfen, so SPÖ-Industriesprecher Rainer Wimmer in einer Aussendung. Allerdings glaube er nicht, dass die ÖVP dazu in der Lage sei.

„Finanzminister“ kein Krisengewinner

Zuvor hatte Nehammer gesagt, dass man den „Finanzminister“ nicht als Gewinner in der Krise zu sehen könne, da dieser nur „Treuhänder von Steuergeld“ sei und Mehreinnahmen an den Staat als Gemeinschaft gingen, so der Bundeskanzler. „Wir geben den Menschen auch schon viel Geld zurück. Wir müssen aber immer darauf achten, dass wir zielgerichtet handeln und nicht die Inflation weitertreiben.“

Ein Hochgebirgsstausee
ORF.at/Roland Winkler
Zu hohe Gewinne bei der Stromproduktion aus Wasserkraft? Nehammer denkt über Gewinnabschöpfung nach.

Zuletzt hatte die hohe Inflation zu einer Rekordteuerung geführt. Umfragen zufolge ist das Gros der Bevölkerung von den höheren Preisen betroffen – insbesondere die Energiepreise sorgen für Kopfzerbrechen. Deshalb lässt die Bundesregierung einmalige Gutscheine in Höhe von 150 Euro als Energiekostenausgleich verschicken.

Privatisierung als Hemmschuh in Krisenzeiten

Nehammer wies im Gespräch mit der „Tiroler Tageszeitung“ auch auf Probleme bei privatisierten Unternehmen hin, die sich in Krisenzeiten zeigten. Staatliches Krisenmanagement sei „durch die Privatisierung von Infrastrukturunternehmen deutlich schwieriger geworden“.

Denn auch wenn der Staat an einem börsennotierten Unternehmen beteiligt sei, selbst mehrheitlich wie beim Verbund, gelte Aktienrecht vor staatlichen Zielen. „Wenn keine Krise ist, werfen diese Unternehmen Dividenden ab. In der Krise behindert uns diese Struktur aber. Wir müssen daher nachdenken, wie wir zu einem neuen Weg kommen“, so Nehammer.

„In Zeiten der Krise zusammenhelfen“

„Ziel muss sein, darauf zu achten, dass, wenn Unternehmen mit staatlicher Beteiligung große Gewinne erwirtschaften, die Eigentümer profitieren – und das sind am Ende die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Ihnen gehört dieses Unternehmen. (…) Zufallsgewinne bei Unternehmen mit staatlicher Beteiligung gehören dem Volk und nicht den Unternehmen alleine. Da braucht es ein neues Reglement“.

Debatte über Gewinne von Energiefirmen

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will Zufallsgewinne, die staatsnahe Energieunternehmen derzeit aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise machen, an das Volk zurückgeben. Kirchmayr-Schliesselberger vom Institut für Finanzrecht der Universität Wien sieht darin eine Ungleichbehandlung.

Als Beispiel nannte Nehammer hohe Gewinne bei der Stromproduktion aus Wasserkraft, wo nun die hohen Gaspreise der Maßstab für den Strompreis sind. „Da müssen wir uns überlegen, wie diese Gewinne für die Menschen verfügbar gemacht werden können. Alle Wirtschaftsliberalen fallen jetzt gleich in Ohnmacht. Aber in Zeiten der Krise müssen wir zusammenhelfen.“