Mehr Mitsprache für Naturschützer in Natura-2000-Schutzgebieten

Rund 100 Festmeter Zirben aus dem Nationalpark Hohe Tauern haben nun Umweltorganisationen zu mehr Mitsprache verholfen, obwohl die Bäume im Salzburger Krimml bereits vor fünf Jahren gefällt worden sind. Der Holzeinschlag mündete in einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH), das Naturschützern und -schützerinnen ein Mitspracherecht einräumt, auch wenn ein geschützter Lebensraum bereits in schlechtem Zustand ist. Bisher durften sie nur bei vollkommen intakten Schutzgütern mitreden.

Anlassfall waren die Zirbelkiefern in der Pinzgauer Gemeinde. Im Sommer 2016 bewilligte die Bezirkshauptmannschaft einem Landwirt forstrechtlich die Entnahme der Bäume in der Außenzone des Nationalparks, und zwar in einem Bereich, der nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU als Natura-2000-Gebiet geschützt ist.

Natura-2000-Schild

Gut ein Jahr später griff der Landwirt zur Motorsäge. Zwei Wochen nach der letzten gefallenen Zirbe erhob der Umweltdachverband – eine „Holding“ für 36 Umwelt- und Naturschutzeinrichtungen – im Oktober 2017 Beschwerde gegen den Bescheid der BH.

„Paukenschlag für Beteiligungsrechte“

Das Verfahren zog sich gleich zweimal durch die Instanzen. Während das Landesverwaltungsgericht Salzburg der Ansicht war, die Beschwerde sei wegen vollendeter Tatsachen nicht mehr zulässig, stellte der VwGH am 28. März 2022 jetzt fest, dass dem Umweltdachverband sehr wohl eine Beschwerdelegitimation nach EU-Recht zustehe, auch wenn die Bäume längst gefallen sind. Umweltorganisationen seien befugt, Verstöße gegen das Unionsumweltrecht zu beanstanden.

„Das ist ein Paukenschlag für unsere Beteiligungsrechte und den Naturschutz mit Auswirkungen auf zahlreiche weitere Fälle“, reagierte Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes. „Bisher war die Anfechtung fragwürdiger Bewilligungen von Fällungen oder Bauvorhaben nur möglich, wenn das betroffene Schutzgut zum Zeitpunkt der Beschwerde noch intakt und damit schützenswert war.“ Das habe wiederholt zur „vorbeugenden“ Vernichtung von Schutzgütern geführt, um potenzielle Einwendungen schon im Vorfeld auszuhebeln.

Doch die Naturschützer wollen noch mehr: Denn im heimischen Forstrecht sei das Beteiligungsrecht von NGOs noch nicht umgesetzt. Außerdem sei eine richtlinienkonforme Umsetzung der FFH-Richtlinie im Salzburger Naturschutz- und Nationalparkgesetz noch offen, sagte Paul Kunico, Umweltjurist des UWD.