Köstinger galt bekanntlich als enge Vertraute und jahrelange politische Weggefährtin von Sebastian Kurz (ÖVP). Auch die ehemalige A1-Chefin Margarethe Schramböck war eine Wunschkandidatin des zurückgetretenen Bundeskanzlers. Mit ihnen gehen die letzten zwei verbliebenen Ministerinnen aus der ersten Kurz-Regierung zwischen ÖVP und FPÖ. An diese Zeit soll künftig offenbar nur mehr wenig erinnern – worauf auch eine anstehende Umbenennung der ÖVP hindeutet. Aus der Kurz’schen „Neuen Volkspartei“ wird nun wieder schlicht die „Volkspartei“.
Für den unter turbulenten Umständen zum Bundeskanzler aufgestiegenen Nehammer ist diese demonstrative Abkehr derzeit eine politische Notwendigkeit – gerade vor dem ÖVP-Parteitag am Samstag, auf dem er in Graz zum neuen Parteichef gekürt wird. „Der Parteitag hat den Zweck der möglichst großen Selbstdarstellung von Nehammer und seinem politischen Konzept. Da kann er keine Störfeuer brauchen“, so Filzmaier.
Runder Tisch: Ministerinnenrücktritte vor ÖVP-Parteitag
Wenige Tage vor dem Parteitag verliert die ÖVP zwei Regierungsmitglieder. Was bedeuten die beiden Abgänge für die ÖVP? Sowohl Köstinger als auch Schramböck wurden unter Sebastian Kurz Ministerinnen. Wird nun der Handlungsspielraum von Bundeskanzler Karl Nehammer als ÖVP-Obmann größer, seine Regierungsmannschaft neu aufzustellen? Ist möglicherweise auch mit einer inhaltlichen Schwerpunktverlagerung zu rechnen? Und was bedeutet ein Umbau der ÖVP-Regierungsmannschaft für die Koalition mit den Grünen?
Rückkehr der Länder und Bünde
Die Rücktritte der beiden Ministerinnen noch vor dem Treffen seien hinsichtlich des Zeitpunktes daher opportun gewesen – trotz ihres chaotischen Ablaufs. Sowohl Köstinger als auch Schramböck galten schon länger als Ablösekandidatinnen, bisher habe sich ein größerer Personalumbau aufgrund des krisenbedingten Machtwechsels an der ÖVP-Spitze nicht umsetzen lassen. Doch Nehammers Personalprobleme werden auch nach den Rücktritten nicht unbedingt kleiner, allein wegen der Nachbesetzung.
Kurz hatte sich bei seiner Übernahme der ÖVP im Jahr 2017 bekanntlich weitreichende Befugnisse bei der Personalauswahl von den Bundesländern gesichert. „Kurz hat die Logik der ÖVP durchbrochen, weil er Wahlerfolge versprechen konnte. Doch Nehammer hat keine Wahlerfolge“, so Filzmaier. Die ungeschriebenen Regeln der Länder und Bünde seien damit zurück.
Die Nachbesetzung der beiden scheidenden Ministerinnen dürfte ergo alles andere als einfach werden: Köstinger ist Kärntnerin und Bauernbündlerin, Schramböck Tirolerin und Wirtschaftsbündlerin – und eine logische Nachfolge für das Wirtschaftsressort bzw. den von Köstinger betreuten wilden Ressortmix aus Landwirtschaft, Tourismus, Telekommunikation und Bergbau steht in beiden Fällen nicht parat. „Nehammers Handlungsspielraum im komplizierten Geflecht ist gering“, so Filzmaier.
Größere Umbildung möglich
Möglich ist nun, dass gleich eine größere Regierungsumbildung kommt. Spekuliert wurde am Montag unter anderem, dass das Wirtschafts- und Arbeitsressort zusammengelegt werden könnten. Auch die Nachbesetzung des Landwirtschaftsressorts mit einer Person aus dem Westen stand im Raum. Gerüchte gab es auch über einen Umstieg des Landwirtschaftskammer-Präsidenten Josef Moosbrugger, allerdings gibt es mit Finanzminister Magnus Brunner bereits einen Vorarlberger im ÖVP-Regierungsteam.

Mit dem Tiroler Landwirtschaftskammerchef Josef Hechenberger kursierte ein weiterer Name – mehr dazu in tirol.ORF.at. Im Gespräch stand auch die steirische EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer – allerdings hat auch die Steiermark mit Bildungsminister Martin Polaschek bereits einen Vertreter in der Regierung – mehr dazu in steiermark.ORF.at. Eine der Favoritinnen für die Nachfolge Köstingers, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, nahm sich gleich aus dem Spiel.
ÖVP mit Frauenproblem
Auch weitere Personalwechsel sind nicht ausgeschlossen. Als Wackelkandidatin galt noch ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner, auch wenn sie vergangene Woche entsprechende Gerüchte dementierte. Wiederkehrende Rücktrittspekulationen gibt es auch rund um Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP).
Zwei ÖVP-Ministerinnen zurückgetreten
Nach Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger legte auch Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) am Montag ihr Amt nieder. Von den 17 ursprünglichen Mitgliedern der türkis-grünen Koalition sind damit nur mehr sieben im gleichen Amt.
Von einem Wechsel der beiden letztgenannten könnte die ÖVP aber auch deswegen absehen, weil ein Abschied von gleich vier Frauen in ÖVP-Spitzenpositionen kein schönes Bild abgeben würde. Dieser Faktor kommt übrigens auch bei den Nachbesetzungen zum Tragen, wie auch Filzmaier sagte. Die ÖVP leide aufgrund des jahrelang kultivierten traditionellen Frauenbildes und der relativen Schwäche der ÖVP-Frauenbewegung unter einem deutlichen Mangel an weiblichem Personal.
Kurz als Gast
Jedenfalls ist davon auszugehen, dass die Nachfolge für Köstinger und Schramböck noch vor dem Parteitag fixiert wird. Auf diesem wird übrigens auch Kurz als Gast anwesend sein. Er komme, um Nehammer „und das neue Team zu unterstützen“, sagte Kurz. Erst am Wochenende hatte er im Rahmen der Geburtstagfeier des steirischen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer (ÖVP) der „Krone“ sein erstes Interview seit seinem Rücktritt gegeben und darin Spekulationen zurückgewiesen, wonach er angesichts der Krise der ÖVP in die Politik zurückkehren könnte.

Dabei habe Kurz angesichts der schweren Vorwürfe gegen ihn „Imagebuilding in eigener Sache betrieben“, so die Einschätzung Filzmaiers zu dem Auftritt vom Wochenende. „Die Frage ist, ob das der ÖVP hilft.“ Beim Parteitag müsse sich der ehemalige Kanzler gerade angesichts der strengen Beobachtung der Öffentlichkeit im Hintergrund halten. „Die Showbühne muss für Nehammer sein.“
„Ziel kann nur Stabilität sein“
Denn dem Kanzler stehen zahlreiche Probleme ins Haus. Die ÖVP befindet sich in einem Umfragetief, das für innere Unruhe sorgt. Gleichzeitig wird die politische Situation angesichts der Pandemiefolgen, Teuerungen und den Verwerfungen der Ukraine-Krise schwieriger.
Filzmaier zu Ministerinnenrücktritten
Politologe Peter Filzmaier analysiert die Rücktritte der ÖVP-Ministerinnen Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck.
Die Politik kämpft indes weiterhin mit den Skandalen der vergangenen Jahre. Die Rücktritte von Köstinger und Schramböck sind der 13. und 14. Wechsel im Regierungsteam seit 2020. „Nehammers Ziel kann jetzt nur Stabilität und Konsolidierung sein“, so Filzmaier. Das nicht nur zugunsten der Republik, sondern auch zum Zwecke seiner Partei. Immerhin stehen schon im kommenden Jahr Landtagswahlen in gleich mehreren für die ÖVP wichtigen Bundesländern an: in Niederösterreich, Salzburg, Kärnten und Tirol.