Pflegerin überzieht ein Bett
ORF.at/Christian Öser
Überraschende Ankündigung

Regierung präsentiert Pflegereform

Anlässlich des Tages der Pflege haben zahlreiche Parteien und Interessenvertretungen von der Bundesregierung neuerlich die bereits seit zwei Jahren angekündigte Pflegereform eingefordert. Mittwochnachmittag kündigte die Regierung überraschend an, die Reform Donnerstagfrüh präsentieren zu wollen.

Bereits vor Ausbruch der Pandemie seien die Belastungen im Pflegebereich hoch gewesen, mit der Bekämpfung ebendieser seien weitere Aufgaben hinzugekommen. „Gleichzeitig ist die Pflege eine der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen, um das Land gut für die Zukunft zu rüsten“, so das Sozialministerium Mittwochnachmittag in einer Aussendung.

„Die Regierungsparteien haben sich daher darauf verständigt, gemeinsam die größte Pflegereform der vergangenen Jahrzehnte auf den Weg zu bringen“, hieß es. Details wurden nicht bekanntgegeben. Vorgestellt wird die Reform von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne), ÖVP-Klubobmann August Wöginger und Grünen-Klubobfrau Sigi Maurer.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne)
APA/Georg Hochmuth
Sozialminister Rauch wollte die Pflegereform vor Sommer vorlegen – jetzt scheint es schneller zu gehen

Auf Nachfrage betonte ein Sprecher des Sozialministeriums gegenüber ORF.at, dass es sich bei der Präsentation um eine große Reform und nicht nur um kleinere Schritte handle – freilich ohne Details zu nennen. Sozialminister Rauch hatte erst vergangene Woche erklärt, die Pflegereform noch vor dem Sommer vorlegen zu wollen. Er sei bei der Pflegereform in der „Endphase der Verhandlungen“ – „so viel kann ich verraten, das wird vor dem Sommer noch präsentiert werden“, sagte er am Rande einer Pressekonferenz.

SPÖ: „Totalversagen“ der Regierung

Vor dem Tag der Pflege am Donnerstag übten die Oppositionsparteien scharfe Kritik an der nach wie vor ausgebliebenen Pflegereform. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch sprach von einem „Totalversagen“ der Regierung. „Die Bundesregierung muss endlich ins Tun“ kommen, sagte Muchitsch. Die SPÖ wird daher in Sachen Pflege am Donnerstag im Bundesrat eine Dringliche Anfrage an Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) stellen. „Wir rasen sehenden Auges auf einen Pflegenotstand zu“, begründete Fraktionsführerin Korinna Schumann diese Initiative.

Im Sozialausschuss des Nationalrates bringen die Sozialdemokraten am Donnerstag außerdem einen Entschließungsantrag ein, in dem neuerlich die Anerkennung der Pflege als Schwerarbeit gefordert wird. Konsumentenschutzsprecher Christian Drobits kündigte an, dass die SPÖ dabei auch verlangt, die Ausbildungszeiten in der Pflege als Versicherungszeiten für das Pensionssystem anzuerkennen. Ein eigenes Staatssekretariat für Pflege forderte der SPÖ-Pensionistenverband.

FPÖ: Zahlreiche Baustellen im Pflegebereich

Seitens der FPÖ bedauerte Frauen- und Seniorensprecherin Rosa Ecker, dass es „noch immer zahlreiche ungelöste Baustellen für Pflegefälle und ihre Angehörigen“ gebe. Die Regierung sei nur mit sich selbst beschäftigt, es würden laufend Ministerköpfe ausgetauscht, aber sachlich gehe im Pflegebereich nichts weiter.

Auch verwies sie darauf, dass „der überwiegende Teil der Pflege“ als häusliche Pflege von Angehörigen, Eltern, Ehepartnern, Lebensgefährten, Töchtern und Söhnen geleistet werde. „Bereits jetzt gibt es einen eklatanten Personalmangel im Pflegebereich. Viele Pfleger denken daran, in diesem Beruf aufzuhören, und überlegen nicht, ob sie Stunden aufstocken.“ Der Andrang auf den Pflegeberuf sei „mehr als überschaubar“, so Ecker.

NEOS: „Schöne Worte helfen niemandem“

NEOS-Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler verwies auf die jüngste Vergangenheit und darauf, dass schon Ex-Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober bei seiner Rücktrittserklärung erzählt habe, „wie sehr er sich darüber freut, dass die Pflegereform fast fertig ist“. Auch dessen Nachfolger Wolfgang Mückstein habe regelmäßig betont, wie viel für die Pflegereform bereits ausgearbeitet sei.

„Schöne Worte helfen niemandem“, meinte dazu Fiedler. Es brauche bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen und Ausbildungsmöglichkeiten, einheitliche Pflegeschlüssel und Pflegestandards in allen Bundesländern, die Anerkennung von Pflegeleistungen und die Schaffung eines Leistungskatalogs sowie eine Reform der Berufsbilder.

Diakonie: Reform der der Rot-Weiß-Rot-Karte

Die Diakonie forderte am Mittwoch eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte für Pflegekräfte. „Die Rot-Weiß-Rot-Karte wird derzeit in einigen Bereichen reformiert. Die Hürden für den Mangelberuf, die Pflege, werden aber nicht abgebaut“, sagte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser.

Maria Katharina Moser (Diakonie)
APA/Hans Punz
Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser fordert Erleichterungen bei der Vergabe der Rot-Weiß-Rot-Karte

Die Diakonie-Direktorin verwies darauf, dass gut qualifizierte Kräfte wegen der Nichterfüllung einzelner Kriterien nicht in Österreich arbeiten könnten. Sie fordert etwa das Aufheben der Altersgrenzen für alle Mangelberufe – insbesondere aber für den Pflege- und Betreuungsbereich. Auch die Sprachkenntnisse müssten für die verschiedenen Berufe jeweils spezifisch bewertet werden: So seien etwa Englischkenntnisse für Pflegeberufe „sicher nicht ausschlaggebend“ – mehr dazu in religion.ORF.at .

Caritas: Können nicht mehr warten

Auch die Caritas, deren Präsident Michael Landau bereits in der vergangenen Woche vor einer „Pflegekatastrophe“ gewarnt hatte, wiederholte ihre Forderungen. „Personalmangel, überlastete pflegende Angehörige und die aktuelle Teuerungswelle – auf eine Pflegereform können wir nicht mehr warten“, sagte Generalsekretärin Anna Parr.

Hilfswerk fordert Stärkung pflegender Angehöriger

Das Hilfswerk hatte bereits vergangene Woche seine Kritik an der weiterhin ausstehenden Pflegereform bekräftigt. Präsident Othmar Karas ortete ein „eklatantes Politikversagen“. Neben einer Personaloffensive zur Schließung der Lücke von rund 100.000 fehlenden Beschäftigten forderte er eine Stärkung der pflegenden Angehörigen, für die eine knappe Milliarde Euro nötig wäre.

Volksanwalt sieht Menschenwürde gefährdet

Volksanwalt Bernhard Achitz erklärte, der flächendeckende Personalnotstand in der Pflege gefährde die Menschenwürde, Autonomie und Selbstständigkeit der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner. „Die Beschäftigten tun unter schwierigsten Umständen ihr Bestes, aber für die Umsetzung aktivierender Pflegekonzepte bleibt keine Zeit. Für die Bewohnerinnen und Bewohner in den Pflegeheimen kann das gesundheitsgefährdende und menschenunwürdige Ausmaße annehmen“, sagte er.

Die Wiener Grünen forderten eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich für das Pflegepersonal. Der Verein Karitativer Arbeitgeber*innen (VKA) appellierte an die Bundesregierung, ihr Versprechen einer Pflegereform „endlich in die Tat umzusetzen“.

Wien und Oberösterreich machen Druck

Druck in Sachen Pflegereform machten in der Vorwoche auch die Bundesländer Wien und Oberösterreich. Gefordert wurde etwa, dass die Befugnisse des Gesundheits- und Krankenpflegepersonals ausgeweitet werden. Man wolle sich hier gemeinsam beim Bund für gesetzliche Änderungen einsetzen, betonten die Sozialreferenten der beiden Länder, Peter Hacker (SPÖ) und Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP), nach einem Arbeitsgespräch.