Sozialminister Johannes Rauch
APA/Tobias Steinmaurer
Regierung präsentierte Maßnahmenpaket

Eine Milliarde Euro für Pflege

Die Regierung hat am Donnerstag, dem internationalen Tag der Pflege, ein Maßnahmenpaket für den Pflegebereich vorgestellt. In den kommenden zwei Jahren werde der Bereich mit einer Milliarde Euro unterstützt, teilte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) mit. Die SPÖ sagte, die Bemühungen Rauchs anzuerkennen, will den Minister aber an seinen Taten messen. FPÖ und NEOS übten Kritik. Zustimmung kam von Hilfsorganisationen.

„Das ist viel Geld. Das ist die oft versprochene Pflegemilliarde“, sagte Rauch bei der Präsentation der Maßnahmen mit ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger und Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer.

Größter Brocken in der Pflegereform ist eine Gehaltserhöhung für die angestellten Beschäftigten in dem Sektor, die heuer und kommendes Jahr vermutlich als monatlicher Bonus ausbezahlt wird. Das soll in etwa einem zusätzlichen Monatsgehalt entsprechen. Reserviert sind dafür 520 Millionen Euro. Darüber hinaus sollen allen Beschäftigten pro Nachtdienst in allen Einrichtungen zwei Stunden Zeitguthaben zustehen.

Maßnahmen auf zwei Jahre befristet

All jene Maßnahmen, die zu Mehrkosten führen, sind vorerst auf zwei Jahre befristet (bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode). Begründet wurde das von Rauch damit, dass rasch gehandelt werden sollte.

„Das Motto war: ‚Jetzt rasch‘ – weil mit Recht eingefordert wurde, rasch ins Tun zu kommen. Wir wollten nicht auf die Finanzausgleichsverhandlungen (mit den Bundesländern, Anm.) warten.“ Dass eine Weiterführung über die genannten zwei Jahre hinaus eine „enorme Herausforderung“ wird, räumte der Minister ein – jetzt habe man einmal einen Schritt „für die nächsten beiden Jahre“ gemacht. Das Paket wird schrittweise umgesetzt – die ersten Maßnahmen sollen noch vor dem Sommer im Nationalrat beschlossen werden, sagte Maurer.

Ausbildungszuschuss und Pflegelehre

Während der Ausbildung im Pflegeberuf soll jede bzw. jeder jedenfalls einen Zuschuss von 600 Euro im Monat erhalten. Umsteiger bzw. Wiedereinsteiger bekommen (während einer vom AMS geförderten Ausbildung) ein höheres Pflegestipendium von 1.400 Euro im Monat. Als Modellversuch wird eine Pflegelehre eingeführt, diese soll mit dem Schuljahr 2023/24 starten und nach sieben Jahren evaluiert werden, sagte Wöginger. Eine weitere Verbesserung für Beschäftigte ist, dass die „Entlastungswoche“ generell ab dem 43. Geburtstag gewährt wird.

Sozialminister Johannes Rauch, Klubobfrau der Grünen, Sigi Maurer und ÖVP-Klubobmann August Wöginger bei einer Pressekonferenz
APA/Tobias Steinmaurer
Maurer, Rauch, Wöginger (v. l.): Größter Brocken des Pakets ist die Gehaltserhöhung für angestelltes Pflegepersonal

Geschaffen wird weiters ein Angehörigenbonus von 1.500 Euro jährlich für jene Familienmitglieder, die den größten Teil der Pflege zu Hause leisten und selbst oder weiterversichert sind. Der Rechtsanspruch auf Pflegekarenz wird von einem auf drei Monate ausgeweitet, wobei allerdings eine entsprechende kollektivvertragliche Regelung oder Betriebsvereinbarung vorliegen muss. Die erhöhte Familienbeihilfe wird nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet.

Künftig soll es außerdem für pflegende Angehörige bereits nach drei Tagen Anspruch auf finanzielle Unterstützung für Ersatzpflege geben (statt wie bisher erst nach sieben Tagen) – wenn die Betroffenen aufgrund von Krankheit, Kur, Urlaub oder sonstigen Gründen vorübergehend an der Pflege verhindert sind.

Pflegeassistenz erhält mehr Kompetenzen

Erweitert werden die Kompetenzen von Pflege- und Pflegefachassistenz. Sie dürfen künftig beispielsweise Infusionen anschließen und Spritzen geben. Weiters sollen alle in der Langzeitpflege tätigen Personen ein Zeitguthaben von zwei Stunden erhalten. Erleichterungen soll es bei der Zuwanderung geben, etwa bei den Regeln für den Spracherwerb. Für Personen mit psychischen Behinderungen und Demenz wird das Pflegegeld angehoben.

Sozialminister Rauch zum Pflegepaket

Sozialminister Rauch stellte in Wien die Eckpunkte des Maßnahmenpakets vor, mit dem die Regierung Verbesserungen im Pflegebereich erreichen will.

Sozialminister Rauch sagte, er wolle damit sicherstellen, dass der „wunderbare Beruf“ der Pflege unter guten Voraussetzungen stattfinden könne. Auch für die 24-Stunden-Betreuung sind finanzielle Verbesserungen vorgesehen, die aber noch von den Sozialpartnern ausgearbeitet werden müssen.

„Erfolg für Gleichstellungspolitik“

ÖVP-Klubobmann Wöginger sagte, man habe ein gutes Paket geschnürt, mit dem der bis 2030 benötigte Bedarf von 76.000 zusätzlichen Pflegekräften abgedeckt werden könne. Der „Durchbruch bei der Pflegereform“ sei auch ein „Erfolg für die Gleichstellungspolitik“, sagte Grünen-Klubchefin Maurer. Vor allem Frauen seien im Pflegebereich tätig und übernähmen die Pflege von Angehörigen zu Hause. ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher lobte in einer Aussendung die Maßnahmen bei der Ausbildung. „Insgesamt 1.000 zusätzliche Ausbildungsplätze pro Jahr werden mit dem Pflegestipendium geschaffen“, so Kocher.

Opposition unzufrieden

Seitens der SPÖ hieß es, man erkenne die Bemühungen Rauchs an. „Überschriften und Versprechungen sind aber noch keine Reform. Wir werden die Regierung an den Taten messen“, sagte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. Kritik kam von Sozialsprecher Josef Muchitsch: „Heute gibt es wieder Ankündigungen, die erneut mehr Fragen aufwerfen, als die drängenden Probleme in der Pflege zu lösen.“

„Die Bundesregierung bleibt ihrer Inszenierungspolitik treu. Viele Überschriften, wenig Inhalt", kritisierte die FPÖ. „In wesentlichen Bereichen wie der Lehre oder der 24-Stunden-Betreuung gibt es nichts außer Überschriften. Der allergrößte finanzielle Brocken geht in Bonuszahlungen für 2022 und 2023. Diese sind richtig und wichtig – aber was ist danach? Sinken die Gehälter dann wieder? Warum sollte jemand heute die Ausbildung zur Pflegekraft beginnen, wenn das Gehalt dann nach der erfolgreichen Ausbildung erst wieder so niedrig ist wie jetzt?“, fragte Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch.

„Dass die Bundesregierung endlich die Wichtigkeit des Themas und der Pflegekräfte erkannt hat, ist gut. Auch dass es für Angestellte im stationären Bereich mehr Geld gibt, ist natürlich positiv. Aber: Strukturelle Probleme lassen sich nicht nur mit Geld zuschütten – das ist nur ideenlos“, kritisierte NEOS-Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler.

GPA-Chefin sieht Erfolg der Gewerkschaft

Vertreterinnen und Vertreter von ÖGB, GPA, vida und younion zeigten sich am „Tag der Pflege“ – unter Hinweis auf die Demonstrationen am Donnerstag – überzeugt, dass das Paket ein Erfolg jahrelangen gewerkschaftlichen Drucks ist. „Diese Reform zeigt: Gewerkschaftliches Engagement zahlt sich aus“, meinte Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA.

„Die vorgestellten Maßnahmen sind zweifellos geeignet, einen Beitrag zur Entspannung zu leisten, auch wenn versäumte Weichenstellungen nicht von heute auf morgen kompensiert werden können“, konstatierte Walter Marschitz, Geschäftsführer der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ).

Zustimmung von Hilfsorganisationen

Die Reaktionen der Hilfsorganisationen fielen dagegen positiv aus. Bei der angekündigten „Pflegereform scheint ein wichtiger Schritt gelungen zu sein“, so die Volkshilfe. Präsident Ewald Sacher stellte in einer Aussendung fest, „dass doch viele langjährige Forderungen der Volkshilfe und anderer Sozialorganisationen aufgegriffen wurden. Das ist zweifellos ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“

„Die Bundesregierung setzt einen ersten wichtigen Meilenstein für gute Pflege. Die nächste Etappe ist die Umsetzung in den Ländern und der Ausbau guter, bedarfsgerechter Pflegedienstleistungen“, sagte Diakonie-Direktorin Maria Moser.

„Wir haben wirklich lange auf die Pflegereform gewartet, eigentlich zu lange. Aber die heute vorgestellten Maßnahmen zur Pflegereform beinhalten tatsächlich entscheidende Schritte in die richtige Richtung. Und auch, was das Finanzvolumen anbelangt, erkennen wir, dass endlich in den richtigen Dimensionen gedacht wird“, kommentierte Othmar Karas, Präsident des Hilfswerks Österreich.