Australisches Wahlplakat auf einem Auto in Sydney zeigt Chinas Präsident Xi Jinping
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Parlamentswahl

Australiens Votum und Chinas Beitrag

Australiens konservativer Regierungschef Scott Morrison hofft am Samstag auf eine Bestätigung im Amt. Die Umfragen verheißen ihm nichts allzu Gutes, doch haben sich diese auf dem Kontinent öfter als unzuverlässig erwiesen. Morrisons Popularität ist – nicht zuletzt wegen seines laxen Auftretens gegen die Klimakrise – bescheiden, aber auch seinem Widersacher, Labour-Chef Anthony Albanese, haftet ein biederes Image an. Besonders präsent im Wahlkampf war ein Nicht-Australier: Chinas Staatschef Xi Jinping.

Xis Name tauchte immer wieder in Pressekonferenzen, Interviews und Debatten zwischen den Spitzenkandidaten auf, sein Konterfei war selbst auf etlichen Wahlplakaten zu finden – gleichsam als Abschreckung. Parteien nutzten die Methode, um zu behaupten, Xi würde den politischen Kontrahenten unterstützen. „Sich auf Xi zu berufen scheint die höchste politische Beleidigung zu sein“, schrieb CNN. Nach australischem Recht gibt es keine Vorschriften über den Wahrheitsgehalt politischer Werbung und damit keine Möglichkeit, gegen die Plakate vorzugehen.

Andrew Hughes, Marketingexperte an der Australian National University, sagte gegenüber CNN, Australien sei als „Wilder Westen“ bekannt, wenn es um politische Werbung geht, aber die Einbeziehung von China sei diesmal doch besonders – er habe wohl noch nie „eine solche Beanspruchung einer ausländischen Regierung im Wahlkampf außerhalb von Kriegszeiten gesehen“.

Australiens Premierminister Scott Morrison und Oppsitiuonsführer Anthony Albanese in einer TV-Debatte vor der Wahl
Reuters/James Brickwood
Zwei Männer mit nicht allzu unterschiedlicher Gesinnung kämpfen um das Amt des Regierungschefs: Albanese (l.) und Morrison (r.)

Schon vor Beginn des Wahlkampfes wurden Anschuldigungen laut, China wolle einen Sieg der Labour Party. Und jüngste Meinungsumfragen deuten darauf hin, dass es zum ersten Mal seit 2013 tatsächlich zu einem Machtwechsel an der Regierungsspitze kommen könnte. Der 53-jährige Morrison hatte im August 2018 nach dem Rücktritt von Malcolm Turnbull das Amt des Premierministers und den Parteivorsitz der Liberal Party übernommen. Bei der Parlamentswahl im Mai 2019 wurde er allen Umfragen zum Trotz im Amt bestätigt und führte die Koalitionsregierung mit der noch konservativeren National Party weiter.

Parlamentswahl in Australien

Am Samstag findet in Australien die Parlamentswahl statt. Dabei wird das insgesamt 47. australische Parlament gewählt.

Zögerliche Reaktion auf Klimakrise

Morrison ist allerdings alles andere als unumstritten, insbesondere wird ihm ein mangelnder Einsatz im Kampf gegen die Klimakrise vorgeworfen, unter der Australien ganz besonders leidet. Seit der letzten Wahl hat das Land extreme Buschbrände, Überschwemmungen und Hitzewellen erlebt, die alle mit den steigenden globalen Temperaturen in Verbindung gebracht werden. Umfragen haben wiederholt gezeigt, dass die Bevölkerung mehrheitlich verstärkte Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels wünschen würde.

Für Morrison aber ist Klimaschutz primär eine wirtschaftliche Frage. Australien kann es sich seiner Meinung nach nicht leisten, Wirtschaft und Gesellschaft umzubauen. Er gilt weiter als Förderer der Kohleindustrie, aus der das Land rund 40 Prozent seiner Energie bezieht. 2017, rief der deutsche „Tagesspiegel“ jüngst in Erinnerung, stellte er sich mit einem Stück Kohle in der Hand vor die Abgeordneten im australischen Parlament und sagte: „Das ist Kohle. Machen Sie sich keine Sorgen, haben Sie keine Angst. Sie wird Ihnen nicht wehtun.“

Hochwasser in Australien Ende März 2022
APA/AFP/New South Wales State Emergency Service
Australien ist mit tiefgreifenden Klimarisiken konfrontiert – die Anzeichen haben sich jüngst gehäuft

Kritikern und Kritikerinnen des Kohleabbaus warf er vor, Hunderttausende Menschen zur Arbeitslosigkeit verdammen zu wollen. Die Position von Labor weicht allerdings nicht wesentlich davon ab: Vorsitzender Albanese erklärte, dass die Partei neue Minen unterstützen würde, wenn sie sich „ökologisch und dann auch wirtschaftlich rechnen“. Die Grünen sind die einzige größere Partei in Australien, die ausdrücklich festhalten, alle Kohleprojekte beenden zu wollen, wie die Website Carbonbrief.org berichtete.

Stete Probleme mit Peking

Dass neben dem Umweltthema China eine so große Rolle im Wahlkampf einnahm, hat gute Gründe: Die Beziehungen beider Länder haben sich in den vergangenen Jahren im Ringen um die Vormachtstellung im Indopazifik stetig verschlechtert. Der Tiefschlag erfolgte ausgerechnet zu Beginn des Wahlkampfs: China schloss ein Sicherheitsbündnis mit den Salomonen, was es Peking ermöglichen würde, Militärbasen auf den Inseln nordöstlich von Australien zu errichten – auch wenn die Salomonen und Peking bestreiten, solche Pläne zu haben.

Das Thema ist so heikel, dass in den ersten Wahlkampfwochen die Erwähnung Chinas in den australischen Medien jene der Klimakrise übertraf, wie das Medienintelligenzunternehmen Isentia festhielt. Labor nützte das Abkommen, um Stimmung gegen die Koalition zu machen, und bezeichnete es als „massives außenpolitisches Versagen“, in das die Regierung sehenden Auges geschlittert sei. Innenministerin Karen Andrews wiederum spekulierte, der Pakt sei von Peking absichtlich so getimt worden, dass er nur wenige Wochen vor der Wahl zustande gekommen sei, um Labor in die Hände zu spielen.

Mitarbeiter der Spitzenkandidaten werben um Wähler vor der Wahl in Australien
Reuters/Loren Elliott
Umfragen sehen die Opposition voran, doch war das fälschlicherweise auch vor drei Jahren der Fall

Überschaubare Unterschiede

Tatsächlich aber gibt es, wie bei den Klimaagenden, auch in der Außenpolitik nur schwer auszumachende Diskrepanzen zwischen den Großparteien. Beide unterstützen den Quadrilateral Security Dialogue (QUAD), ein loses Viererbündnis mit den USA, Indien und Japan. Und Labor bekennt sich gleichfalls zum Sicherheitspakt AUKUS (ein Akronym aus den englischen Abkürzungen der beteiligten Staaten Staaten), den Morrison mit den USA und Großbritannien im Herbst 2021 geschlossen hat – gleichsam als Antwort der drei Staaten auf Chinas Expansionsbestrebungen im Pazifik.

Peking reagierte erwartungsgemäß verärgert, vielmehr aber sorgte der Disput von Canberra mit Frankreich für Aufsehen: Mit AUKUS platzte plötzlich eine Vereinbarung zwischen Australien und Frankreich von 2016 über die Lieferung von zwölf französischen U-Booten. „Konzeption und Kommunikation von AUKUS haben Frankreich und letztlich auch die EU brüskiert und, so scheint es, marginalisiert. Darüber, dass so ein Umgang mit Verbündeten schlimm ist, kann man nicht hinwegsehen“, sagte Moritz Kleine-Brockhoff, Leiter des Regionalbüros Südost- und Ostasien der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF).

„Aber es darf nicht in den Hintergrund geraten, worum es geht: China will sich mit neun Strichen auf einer Karte sowie mit dem Bau von Inseln mit Militärstützpunkten ein Weltmeer einverleiben – und die Welt schaute bislang weitgehend zu. Nun unternehmen mit AUKUS drei westliche Staaten etwas, das sich gegen Pekings Expansion stellen soll. Das ist gut." Wie die rund 17 Millionen wahlberechtigten Australierinnen und Australier am Samstag das bewerten und wie viel Gewicht sie dem Thema beimessen werden, bleibt abzuwarten.